„Die Innovationskurve bei der Batterieentwicklung ist noch steil“

Thomas Künzel und Sebastian Korporal von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG geben Antworten auf die drängendsten Fragen rund um die klimafreundliche Transformation des Straßengüterverkehrs.

Eröffnung einer neuen Lkw-E-Ladestation in Hamburg. (Foto: IMAGO / Hanno Bode)

Was muss passieren, damit der Straßengüterverkehr bis 2045 klimaneutral sein kann?

Thomas Künzel: Um Klimaneutralität im Straßengüterverkehr bis zum Jahr 2045 zu erreichen, ist eine vollständige Transformation vom Verbrenner auf Elektro oder Wasserstoff notwendig. Welche Form des Antriebs sich zukünftig durchsetzen wird, ist offen. Die Tendenz geht auch im Straßengüterverkehr aktuell zur Batterie/E-Lkw. Wir verfolgen die Entwicklungen aufmerksam, um unsere Kunden im Rahmen der Transformation bestmöglich zu beraten.

Sebastian Korporal: Es muss ein Zugang zu preisgünstigen Technologien durch die Politik gewährleistet werden. Zunehmende globale Handelsbeschränkungen erschweren die Transformation. Der Wettbewerb muss weiterhin gefördert werden, um technologische als auch infrastrukturelle Entwicklungen weiter zu beschleunigen. Subventionen für europäische Unternehmen sind denkbar. Anbieter, die mit alternativen Ansätzen, etwa einem schnellen Tausch von Batterien agieren, sollten dem Markt nicht fernbleiben.

Was sind aktuell die größten Herausforderungen?

Künzel: Zu den größten Herausforderungen der Verkehrswende im Straßengüterverkehr zählen die Verfügbarkeit von klimaschonenden Fahrzeugen sowie der massive Preisunterschied bei der Neubeschaffung. Auch die Ladeinfrastruktur muss verbessert werden. Für eine sinnvolle Einbindung von E-Lkw in den Straßengüterverkehr bedürfte es eines weitreichenden Ladeinfrastrukturnetzwerks entlang der Autobahnen, aber auch gezielt in den Gewerbeparks und bei den Speditionen.

Korporal: Darüber hinaus spielen die Förderung durch die Politik, die Preisbereitschaft der Kunden sowie der Wiederverkaufswert der Fahrzeuge eine Rolle. Ebenso muss die Kooperationsbereitschaft von Frachtführern erhöht werden, indem etwa Betreiberkonzepte für den Zugang zu Ladesäulen, die sich auf privaten Firmengeländen befinden, ausgestaltet werden. Im Bereich der konventionellen Kraftstoffe ist dies seit Jahren geübte Praxis.

Bestehende Logistikkonzepte sind vollständig auf konventionelle Antriebstechniken aufgebaut. Fahr- und Lenkzeiten inklusive 2-Mann-Besetzung für Nachsprünge, etwa in den Hauptläufen der Paketdienstleister, sind maximal optimiert. Der Zeitverlust für Ladevorgänge ist nicht möglich oder nur schwer planbar, da die Verfügbarkeit einer Ladesäule an Knotenpunkten nicht zum gewünschten Zeitpunkt garantiert werden kann. Eine Entschleunigung von Lieferketten ist im globalen Wettbewerbsumfeld derzeitig nicht denkbar.

Laut einiger Studien ist der E-Lkw langfristig schon heute wirtschaftlicher als der Diesel. Warum sind die Unternehmen trotzdem noch nicht weiter bei der Transformation ihrer Flotten?

Künzel: Wesentlich für eine Entscheidung im Hinblick auf die Transformation kompletter Lkw-Flotten ist sicherlich die Frage, welche Technologie sich am Ende durchsetzen wird, also in welchen Antrieb investiert werden sollte. Und in diesem Zusammenhang auch, wie sich die Ladeinfrastruktur entwickelt.

Korporal: Die Umstellung einer Flotte auf E-Lkw bedarf zusätzlicher Veränderungen innerhalb eines Unternehmens. Wesentlich ist etwa die Umstellung der betriebseigenen Werkstätten. Die Kompetenzen sowie das notwendige Fachpersonal zur Wartung- und Instandsetzung von E-Lkw sind nicht in demselben Maß vorhanden wie für konventionelle Fahrzeuge. Ebenso bedarf es zum Teil baulicher sowie sicherheitstechnischer Investitionen in die Werkstätten.

Die Innovationskurve bei der Entwicklung neuer Batterietechnologien ist immer noch sehr steil, daher halten sich einige Unternehmen mit hohen Investitionen zurück. Großabnehmer zögern mit großen Investitionsentscheidungen, wenn eine Technologie innerhalb des angedachten Nutzungszeitraums bereits veraltet sein könnte und der Wiederverkaufswert dramatisch abnimmt.

Ist Nachhaltigkeit für Logistiker heute schon ein Geschäftsmodell?

Korporal: Teil der schrittweisen Transformation des Straßengüterverkehrs sind neue Geschäftsmodelle, die die Investition in neue Technologien ermöglichen. Ein Beispiel ist die Umsetzung von Book & Claim Systemen, welche es der Logistikbranche erlaubt, durch eine Entkopplung der physisch-erbrachten Leistung von der Emissionseinsparung, ihren Kunden die Kompensation von CO₂-Emissionen anzubieten, obwohl die lokale Verfügbarkeit von emissionsfreien oder emissionsarmen Technologien limitiert ist.

Ebenso steigt der Teil der Beratungsleistung, die ein Logistiker gegenüber seinen Kunden erbringt, deutlich. Alternative Verkehrslösungen werden entwickelt und vorgeschlagen. Diese Beratungsleistungen werden zumeist allerdings nicht entgeltlich geleistet, sondern sind zumeist Bestandteil der Ausschreibungsprozesse der großen Verlader.

Thomas Künzel ist Senior Manager, Deal Advisory, Strategy, bei KPMG. Sebastian Korporal ist Senior Manager, Consulting, Value Chain Transformation bei KPMG.

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