Arge Verkehrsflächenreinigung: Die Tatortreiniger

Sie sorgen rund um die Uhr und bei etwa 300 Einsätzen pro Jahr dafür, dass Straßen nach Ladungsverlusten so schnell wie möglich wieder befahrbar sind. Das verlangt den Mitarbeitenden der Arge Verkehrsflächenreinigung nicht nur viel Flexibilität ab, sondern auch eine gute Koordination in puncto Logistik.

Die Arge Verkehrsflächenreinigung leistet wichtige Arbeit. (Foto: Arge Verkehrsflächenreinigung)

Ihr bisher größter Einsatz fand im Januar 2023 statt: Ausgerechnet auf der wichtigsten überregionalen Nord-Süd-Verbindung, der A7, hatte ein Lkw unweit von Göttingen Ladung verloren. „Wir wurden Montagnacht informiert, dass der zuständige Leiter der Autobahnmeisterei die Autobahn aufgrund von extremer Glätte auf der 60 Kilometer langen Strecke zwischen Northeim-Nord und Hannoversch Münden/Lutterberg gesperrt hatte“, berichtet Klaus Henke. Er ist nicht nur Abteilungsleiter bei Auto-Service Safar aus Frankfurt am Main, sondern war auch ersteintreffender Einsatzleiter der Arge Verkehrsflächenreinigung 24 Stunden, zu der sich insgesamt zwölf Unternehmen zusammengeschlossen haben. Ihr Einsatzgebiet erstreckt sich nahezu über das gesamte Bundesland Hessen. Ähnliche Zusammenschlüsse gibt es auch in anderen Bundesländern.

„Das war natürlich eine mutige Entscheidung, die Autobahn auf einer solch langen Strecke zu sperren, zumal der politische Druck groß war, aber auch die einzig richtige“, betont Henke. „Die Fahrbahn war so spiegelglatt, dass es sonst hundertprozentig zu Unfällen gekommen wäre.“

Nicht nur das Ausmaß der Verunreinigung waren groß, auch das Reinigen der Fahrbahn entpuppte sich als besondere Herausforderung. „Meist wissen wir, um welchen Stoff es sich handelt“, so Henke. Die Information ist wichtig, da je nach Stoff unterschiedliche Tenside zur Entfernung benötigt werden. „Hier bestätigte sich die Ersteinschätzung aus der Einsatzbesprechung leider nicht, sodass umfangreiche Laboruntersuchungen durchgeführt werden mussten“, erinnert er sich. „Dies kostete uns rund einen Tag Arbeit.“

1,5

Millionen Euro hat die Reinigung dieses Teilstücks der A 7 gekostet.

Quelle: Autobahn GmbH

So hieß es zunächst, es sei Paraffin. Später wurde vermutet, es handele sich um Kokosfett. Erst durch die Untersuchung einer Probe im Labor stellte sich heraus, dass es Kaffeefett war, das beim Entkoffeinieren von Kaffeebohnen anfällt. Der Reinigungsaufwand war extrem hoch: „Anfangs waren wir mit fünf Maschinen vor Ort, ab Mittwoch dann mit acht Fahrzeugen, die rund um die Uhr im Einsatz waren“, berichtet Kai Mauler, Prokurist bei Kran Burgard und stellvertretender Geschäftsführer der Arge 24 Verkehrsflächenreinigung. Letztendlich waren 22 Unternehmen und Institutionen beteiligt und 181 Personen sowie 105 Fahrzeuge im Einsatz, davon 21 Reinigungsfahrzeuge. Nachdem bekannt war, um welchen Stoff es sich tatsächlich handelte, lag die Reinigungsleistung bei durchschnittlich 15 Kilometer Strecke pro Tag.

Diverse Spezialfahrzeuge

Mithilfe von 30 Spezialreinigungsfahrzeugen holen die Unternehmen der Arge im Nassreinigungsverfahren so unterschiedliche Stoffe wie Öl-, Fett-, Brand-, Farb- und Klebespuren sowie weitere Gefahrenstoffe von der Straße. Grundlage sind durch Ausschreibungen gewonnene Verträge mit verschiedenen Straßenbaulastträgern. Der Ablauf ist meist ähnlich: „Informationen zu Verkehrsflächenverunreinigungen bekommen wir von der Polizei ebenso wie von der Autobahn- und Straßenmeisterei, der Feuerwehr und den Verursachern“, berichtet Frank Weber, Geschäftsführer der Arge. „Unsere rund um die Uhr erreichbare Telefon-Hotline nimmt den Schaden auf und verteilt ihn an den jeweils nächstgelegenen Betrieb, der das gegebenenfalls weiterleitet oder bei größeren Verunreinigungen weitere Partner hinzuzieht.“

Vor Ort wird mit den Straßenwärtern besprochen, wie groß der Schaden ist, um die Fahrzeuge zu organisieren. „Zunächst wird das Tensid aufgebracht und dann mithilfe von Hochdruckreinigung mit bis zu 260 bar und bis zu 90 Grad heißem Wasser die Verunreinigung quasi aus dem Teer gespült“, erläutert Mauler. „Unsere Fahrzeuge haben dafür bis zu 5.000 Liter Wasser an Bord.“ Alle Maschinen werden jährlich zertifiziert.

„Je nach Verunreinigung und Intensität beträgt die Reinigungsgeschwindigkeit etwa 0,3 bis 0,5 Kilometer pro Stunde“, erläutert Henke. „Multipliziert man das mit der Reinigungshaube, die es in Größen von 1,60 bis 2,60 Meter gibt, können je nach Geschwindigkeit etwa 740 Quadratmeter Fläche pro Stunde gereinigt werden.“

Besonders aufwendig sei bei der Verunreinigung in Göttingen gewesen, die riesigen Mengen Frischwasser (700.000 Liter) zur Autobahn zu transportieren und die knapp 480.000 Liter Abwasser wieder abzutransportieren, um sie fachgerecht zu entsorgen, berichtet Mauler. Und weiter: „Für die Versorgung mit Treibstoff haben wir eine Anlieferung von Diesel direkt auf der Autobahn organisiert. So konnten die Fahrzeuge vor Ort unabhängig von Tankstellen versorgt werden und die sonst erforderliche Fahrzeit der Reinigungszeit zugute kommen.“

Die romantische Anmutung trügt. Die Fahrbahn war gefährlich glatt und ihre Reinigung harte Arbeit. (Foto: Arge Verkehrsflächenreinigung)

Hoher Material- und Personaleinsatz

Die Dienstpläne zu erstellen, ist anspruchsvoll. Schließlich gibt es keine Saisonalität – außer, dass die Einsatzbelastung bei feuchter Wetterlage steige. Große Einsätze und Unfälle seien hingegen völlig unvorhersehbar. „Wir haben zwar ein gewisses Grundrauschen durch das Waschen und Warten der Maschinen, und jeder hat Auftraggeber. Aber letztlich sind die Kosten für die Bereithaltung von Material und Personal natürlich hoch“, berichtet Henke.

Viele Mitarbeitende sind Berufskraftfahrer, die sich über die Branchenverbände zur Verkehrsflächenreinigungsfachkraft weitergebildet haben. „Die meisten haben Lust dazu, trotz Schmutz und bei jeder Tages- und Nachtzeit draußen zu arbeiten“, so Henke. Dabei sei die Arbeitszeit gänzlich unkalkulierbar, so Weber.

In Göttingen dauerten die Reinigungsarbeiten und somit die Sperrung der Autobahn eine Woche. Auch der Schaden durch die Verunreinigung war immens. Insgesamt lagen die verursachten Kosten bei rund 1,5 Millionen Euro. Bisher ist es der Autobahnpolizei nicht gelungen, den Verursacher, bei dem die Haftung für den Schaden liegt, zu ermitteln – unter anderem auch deshalb nicht, weil nicht alle infrage kommenden angeschriebenen Produktions- und Transportunternehmen reagiert haben. Die zuständige Polizeisprecherin in Göttingen, Jasmin Kaatz, wundert sich noch immer, wie 20 Tonnen Ladung unbemerkt verloren gehen konnten. Nicht einmal der Abnehmer habe sich gemeldet.

Das Verfahren wurde nun an die Staatsanwaltschaft Göttingen übergeben, die es voraussichtlich einstellen wird. Dann wird sich die Autobahngesellschaft die Kosten nicht erstatten lassen können und der Steuerzahler kommt dafür auf. Aber es hätte noch teurer kommen können: Manchmal ist eine Reinigung der Fahrbahn nicht möglich. Dann muss der Asphalt abgefräst werden. (zp/fh)

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