Lkw-Streik in Gräfenhausen: Fahrer fordern ausstehenden Lohn
Sie fahren Güter für eine polnische Spedition quer durch Europa und warten nach eigenen Angaben teilweise seit Wochen auf ausstehenden Lohn: Nun streiken georgische Fernfahrer auf der südhessischen Raststätte Gräfenhausen an der A5 – ähnlich wie etwa 60 ihrer Kollegen im April. „Die Situation vor Ort ist ruhig und unproblematisch“, sagte ein Polizeisprecher am Morgen. Auf Campingstühlen saßen die Fahrer vor ihren Fahrzeugen und warteten auf Mitstreiter, die sich bis zum Abend angekündigt hatten.
In der Mittagszeit war die Zahl der Fahrer bereits auf zehn gestiegen, sagte eine Sprecherin des Beratungsnetzwerks Faire Mobilität. Die Männer seien Georgier und als Fahrer bei den drei Firmen eines polnischen Speditionsunternehmers beschäftigt. Sie reklamierten ausstehende Zahlungen. „Ein guter Teil wurde heute überwiesen“, sagte Anna Weirich von Faire Mobilität. „Die Fahrer warten auf den Rest.“
Damit könnte der Konflikt um ausstehende Löhne schneller gelöst werden als bei einem ähnlichen Streik auf der Raststätte vor rund drei Monaten. Damals waren Fernfahrer der Spedition, um die es auch nun geht, in einen wochenlangen Streik getreten. Die Fahrer, die monatelang auf europäischen Straßen unterwegs waren, lebten in der Zeit ausschließlich in ihren Fahrzeugen auf Parkplätzen der südhessischen Raststätte an der A5.
Edwin Atema vor Ort
Auch der Niederländer Edwin Atema von der europäischen Transportarbeitergewerkschaft, der vor drei Monaten einer der Verhandlungsführer der überwiegend aus Georgien und Usbekistan stammenden Streikenden war, war am Mittwoch wieder in Gräfenhausen.
Eine Stellungnahme des polnischen Unternehmens war angefragt, blieb bis zum Nachmittag aber unbeantwortet.
Der etwa sechswöchige Arbeitskampf im April hatte auch die Situation im internationalen Gütertransport stärker in den Blickpunkt gerückt.
Das improvisierte Streikcamp in Gräfenhausen wurde auch zu einem Symbol grenzüberschreitender Solidarität. Gewerkschafter und Kirchenvertreter, aber auch zahlreiche Privatleute versorgten damals die Streikenden mit Lebensmitteln vom selbst gebackenen Kuchen bis hin zur Getränkepalette.
Für zusätzliche Aufmerksamkeit sorgte, als der polnische Spediteur am Karfreitag mit einer privaten Sicherheitstruppe auf der Raststätte erschienen war, um die Kontrolle über die Lastwagen zurückzugewinnen.
„Die Ermittlungen dauern an“
Die Staatsanwaltschaft Darmstadt führt nach Angaben eines Sprechers aktuell zwei Verfahren in diesem Zusammenhang, die sich zusammen gegen 26 Personen richten. Eines der beiden Verfahren betreffe auch eine Anzeige gegen sieben Fahrer, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. „Die Ermittlungen dauern an.“
Die neue Streikaktion hatte am Dienstagnachmittag begonnen, als der erste Lastwagenfahrer in Gräfenhausen angerückt war. Am Abend hatte die Polizei dann vier Lastwagen gezählt. Die Beamten stünden in engem Austausch mit der Versammlungsbehörde, hieß es.
„Wenn es darum geht, die Löhne abzusenken, sind viele Arbeitgeber im internationalen Transportgewerbe erfinderisch“, heißt es in einer Veröffentlichung der gewerkschaftsnahen Hans Böckler-Stiftung zu Missständen in der Branche. „Sie beschäftigen Fahrer, gerne aus armen Ländern, als Scheinselbstständige oder mit Dienstleistungsverträgen als Subunternehmer.“ Hinzu komme eine weit verbreitete Lohndrückerei: „Jeder Vorwand wie angebliche Schäden am Fahrzeug, Benzindiebstahl durch Dritte oder zu hoher Benzinverbrauch wird für Abzüge genutzt.“ (dpa/cs)