Zu Besuch beim E-Trucker

Der Umstieg auf alternative Lkw-Antriebe ist nicht nur für Fuhrparkbetreiber eine echte Herausforderung. Auch die Fahrer müssen sich darauf einlassen. So, wie Jan Mellenthin, der bei Hellmann Worldwide Logistics zum aktuell noch kleinen Kreis der E-Trucker gehört.

Jan Mellenthin ist gern mit seinem E-Lkw unterwegs. (Foto: Bennühr)

Fünf Fahrer genießen das Privileg, die beiden brandneuen, rein elektrisch angetriebenen Wechselbrücken-Lastzüge des Osnabrücker Logistikdienstleisters Hellmann zu bewegen. Diese rollen lokal emissionslos vorerst zwischen den beiden Standorten Osnabrück und Bremen – und befördern im Zweischichtbetrieb Stückgut. Einer der fünf Fahrer, die den Volvo FH Electric im Pilotprojekt austesten, ist Jan Mellenthin, der sozusagen von Haus aus Lkw-Fan ist. „Mein Vater war früher Lkw-Fahrer und mein Onkel hatte sogar seinen eigenen Truck. Da bin ich natürlich auch schon mal mitgefahren.“ So kam es auch, dass es ihn nach dem Realschulabschluss in die Logistik gezogen hat.

Fahrer aus Überzeugung

Der ersten Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik folgte direkt eine zweite verkürzte Ausbildung zum Berufskraftfahrer – es reizte ihn die Perspektive, mit dem Lkw auf Tour zu gehen und die Welt zu entdecken. Und Mellenthin zeigte Talent: Den Führerschein hatte er nach kurzer Zeit in der Tasche, den Abschluss selber schaffte er mit guten Ergebnissen und in den folgenden drei Jahren sammelte er als Springer Erfahrungen im Schichtbetrieb, im Rangierdienst und auch im Fernverkehr.

Dabei erlebte er, dass der Beruf des Kraftfahrers im europäischen Ausland durchaus einen besseren Ruf genießt. „Die Schweizer sind extrem freundlich und zuvorkommend, die lassen einen vor im Kreisverkehr, da hupt dich keiner an. Da bist du der Chauffeur und die freuen sich, wenn du ihnen die Waren bringst“, schwärmt der Mittzwanziger. Und auch in den Niederlanden fühlt er sich wohl. „Du fährst an die Rampe und bekommst einen Kaffee, während dein Auflieger entladen wird.“

Herausforderung Nahverkehr

Doch Fernverkehrsfahrten sind für Mellenthin nur noch die Ausnahme. Mittlerweile fährt er seit gut einem Jahr hauptsächlich in der Tagschicht im Nahverkehr – eine Gelegenheit, die er gern ergriffen hat, denn Mellenthin ist mit seiner freundlichen, zugewandten Art ein Mensch, dem sein soziales Umfeld wichtig ist. „Normalerweise bin ich abends zu Hause und kann meine Zeit frei gestalten – beim Fußball, im Fitnessstudio und mit meinen Freunden. Und zwischendurch gehe ich als Urlaubsvertretung oder, wenn sonst Not am Mann ist, immer noch auf große Tour.“

Der Nahverkehr mit seinen Herausforderungen liegt dem jungen Fahrer, der in diesem August bereits sein „Zehnjähriges“ bei Hellmann feiert. „Enge Straßen, Firmenhöfe, in die man rückwärts reinrangieren muss, oder auch unaufmerksame Fußgänger oder Radfahrer, da kommt Vieles zusammen“, erklärt Mellenthin, der sich die gute Laune nicht verderben lässt und freundlich und locker bleibt.

Als E-Trucker auf Achse

Seine Qualitäten als Mensch und Fahrer und auch sein Interesse, Neues auszuprobieren, waren ausschlaggebend, ihn in das E-Lkw-Team zu holen. Doch bevor die Fünf loslegen durften, mussten sie sich erst einmal mit dem Fahrzeug und der Technik vertraut machen. Mellenthin war zwar schon zuvor Volvos gefahren, doch auch er musste beim E-Lkw umdenken: „Es gab von Volvo eine sehr intensive Einweisung auf den Elektro-FH. Der Mitarbeiter zeigte uns nicht nur alles, was neu an dem Fahrzeug ist, sondern erklärte auch, worauf wir beim Laden, beim Fahren, beim Einstellen und bei den Assistenzsystemen achten sollen.“

Zur Person

Jan Mellenthin (26) arbeitet seit zehn Jahren für Hellmann Worldwide Logistics. Nach seinem Realschulabschluss absolvierte er zuerst eine Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik und anschließend eine auf zwei Jahre verkürzte Ausbildung zum Berufskraftfahrer. Nach der Ausbildung arbeitete er als Springer im Rangierdienst sowie im nationalen und internationalen Fernverkehr. Seit gut 1,5 Jahren fährt er reine Tagschicht mit einer festen Tour und darf seit kurzem Erfahrungen auf einem E-Lkw sammeln.

Letztere hält Mellenthin für sehr wichtig, denn sie helfen, brenzlige Situationen zu entschärfen. Das gilt beim E-Lkw im Nahverkehr in besonderem Maß, denn aufgrund des nahezu lautlosen Betriebs bergen die Fahrzeuge zusätzliche Gefahrenpotenziale. Zum Beispiel, wenn Menschen in eine andere Richtung blicken und den Lkw nicht hören. Die Systeme warnen zwar, doch Mellenthin muss auch doppelt aufmerksam sein, um brenzlige Situationen zu entschärfen.    

Tourenplanung muss sich anpassen

Das sind jedoch zurzeit nicht die einzigen Herausforderungen beim E-Trucking: Nach wie vor ist das Netz der Lademöglichkeiten ziemlich weitmaschig und Mellenthin kennt außer den Hellmann-eigenen Ladesäulen nur zwei wirklich für Lkw geeignete Ladepunkte in seinem Gebiet. Genau aus diesem Grund ist eine sehr enge Abstimmung mit der Disposition notwendig: Bei der Tourenplanung muss nicht nur der aktuelle Ladestand der Batterie berücksichtigt werden, es geht auch um die Ladezeiten an den Säulen und immer auch um das Gewicht des Lastzugs.

Nach Möglichkeit geht Mellenthin mit vollständig geladenen Akkus auf Tour. Andernfalls kann es schon mal knapp werden, wie bei einer Fahrt, die er mit einem Ladestand von nur 75 Prozent beginnen musste. Zwar hatte der Lkw nur 3 Tonnen geladen, doch auf dem Weg nach Osnabrück sackte die Restkapazität auf 27 Prozent ab, so dass der Hellmann-Fahrer vorsorglich auf die Landstraße ausgewichen ist und seinen Lkw an einer Pkw-Ladesäule zwischenlud, um einem Liegenbleiben vorzubeugen.

Batteriestand ist entscheidend

„Die Praxis hat gezeigt, dass es wichtiger ist, auf den Ladestand der Batterie zu achten als auf die Restreichweite“, sagt Mellenthin. Das läge vor allem daran, dass die Reichweite je nach Ausladung sehr unterschiedlich sei. So läge der Strombedarf bei einer hohen Auslastung von 11 Tonnen zum Beispiel bei 131 Kilowatt pro 100 Kilometer. Bei dem durchschnittlichen Ladungsgewicht von 4 bis 5 Tonnen hingegen sinkt der Verbrauch auf 110 Kilowatt. Am Ende des Tages liegen die möglichen Reichweiten der beiden Szenarien um gut 100 bis 130 Kilometer auseinander.     

Botschafter beim Kunden

Nach wie vor sind E-Lkw in Deutschland selten. Viele Fahrer blicken skeptisch auf die Technik, doch es gibt auch viele, die neugierig sind. Mellenthin berichtet: „Die erste Woche auf dem E-Lkw bei meinen Kunden war sehr aufregend. Viele haben geschaut, als ich bei denen auf den Hof fuhr, denn sie haben mich ja nicht gehört. Und dann durfte ich erklären, wie das Ganze funktioniert mit den Batterien, mit dem Laden, mit dem Handling. Und ziemlich oft wurde ich gefragt, ob man mich beim leisen Abfahren filmen dürfe.“ Eine Bitte, die den überzeugten E-Trucker immer wieder freut.   

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