EU-Lieferkettengesetz verzögert sich weiter

Ab 2023 tritt das deutsche Lieferkettengesetz in Kraft. Auch auf EU-Ebene ist eine Regulierung in Arbeit. Die EU-Kommission ist sich intern offenbar aber weiterhin nicht einig, wie der geplante Richtlinienentwurf genau aussehen soll. Dennoch: Der Druck auf die Unternehmen wächst.

Die EU-Kommission ist sich intern offenbar weiterhin nicht einig, wie der geplante Richtlinienentwurf über Sorgfaltspflichten in der Lieferkette genau aussehen soll. Der Gesetzesvorschlag, der ursprünglich bereits im Juni vorgelegt werden sollte und zuletzt für Dezember angekündigt war, steht nach Informationen aus der Kommission derzeit erst am 15. Februar auf der Tagesordnung des Kommissionskollegiums.

Die jüngste Verzögerung hat nach Informationen der Hamburger Zollakademie (HZA) mit Widerspruch des Ausschusses für Regulierungskontrolle zu tun. Dieses aus Kommissionsbeamten und externen Experten zusammengesetzte Gremium bewertet im Auftrag der Kommission geplante Gesetzesinitiativen. Im Falle des EU-Lieferkettengesetzes hat der Ausschuss laut HZA Zweifel an Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der geplanten Regulierung, besonders was kleine und mittlere Unternehmen (KMU) angeht.

Der Vorschlag der Kommission dürfte im Gesetzgebungsverfahren von Europäischem Parlament und EU-Staaten noch verändert werden. Einmal beschlossen, muss die Richtlinie dann von den Mitgliedstaaten übernommen werden. Deutschland müsste sein im Sommer beschlossenes Lieferkettengesetz, das am 1. Januar 2023 in Kraft tritt, dann gegebenenfalls anpassen.

Gemeinsames Ziel beider Gesetze ist es, Unternehmen zu verpflichten, soziale Rechte, Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechte entlang ihrer Lieferkette zu gewährleisten. Das deutsche Gesetz gilt für alle Unternehmen mit Sitz in Deutschland mit mindestens 3.000 Arbeitnehmern. Ab 2024 dann für alle ab 1.000 Arbeitnehmern. Für die EU-Richtlinie ist ein größerer Geltungsbereich im Gespräch, der „große Unternehmen“, „alle börsennotierten kleinen und mittleren Unternehmen“, „kleine und mittlere mit hohem Risiko“ und „drittländische Unternehmen in besonders risikobehafteten Branchen“ umfassen könnte. Die Risikosektoren müssten in der Richtlinie definiert werden. Die Textilindustrie dürfte dazugehören. Interessant für die Logistikbranche ist, wie etwa Containerreedereien, Eisenbahnen, Speditionen oder Importunternehmen eingestuft werden, die den Transport von Waren in die EU organisieren. Auch Sorgfaltspflichten in Bezug auf den Schutz des Klimas und der Artenvielfalt ist in der Kommission diskutiert worden.

„Dieses Thema wird bleiben“

Das Thema werde alle noch lange beschäftigen, sagte Christoph Schröder kürzlich in kleiner Runde beim Deutschen Logistik-Kongress. Der Rechtsanwalt von der Kanzlei CMS Hasche Sigle beschäftigt sich seit Monaten mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), das der Bundestag im Juni verabschiedet hatte. Das Gesetz sei auch kein Fehler, den die Große Koalition begangen habe und der demnächst wieder rückgängig gemacht werde. „Dieses Thema wird bleiben“, ist Schröder überzeugt. Das LkSG verpflichtet größere Unternehmen, ab 2023 bei ihren Lieferanten und Dienstleistern für die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards zu sorgen.

Schröder zeigte in Berlin auf, wie stark diese Nachhaltigkeitsthemen in den vergangenen Jahren Fahrt aufgenommen haben. So hatte Kalifornien 2010 mit dem Transparency in Supply Chains Act den Anfang gemacht. Dieser war die Blaupause für den UK Modern Slavery Act. Diese ersten Gesetze sahen jedoch nur Berichtspflichten vor. 2017 hatte Frankreich dann sein branchenübergreifendes Sorgfaltspflichtengesetz verabschiedet. Schröder: „Das war eigentlich das erste, das es überhaupt auf der Welt gab.“ Er beobachte in vielen Staaten Bestrebungen, „das Soft Law hart zu machen“, wie er es formuliert. Und bei der UN existiere schon seit Jahren eine Arbeitsgruppe. Diese habe mittlerweile einen dritten überarbeiteten Entwurf eines verbindlichen internationalen Übereinkommens angefertigt. Schröder: „Wann das kommt, weiß ich nicht, aber da ist auf jeden Fall etwas in Vorbereitung.“

In Deutschland gibt es laut Statistik rund 2.900 Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten. Letztlich müssen sich aber noch viel mehr mit dem Thema beschäftigen. Denn das LkSG betrifft direkt zwar nur größere Unternehmen. Mittelbar müssen sich aber auch die Zulieferer und Dienstleister eines in der Verantwortung stehenden Unternehmens damit befassen. Vor allem müssen laut Schröder jetzt aber Konzerne genau hinschauen. Er empfiehlt, zuerst jede Gesellschaft separat zu prüfen. Dabei sind nur die Arbeitnehmer zu zählen, die bei dem betreffenden Unternehmen im Inland angestellt sind. Anders bei der Obergesellschaft: Da werden die konzernangehörigen Mitarbeiter hinzugerechnet. So kann es sein, dass zum Beispiel ein Konzern, der über drei GmbHs mit jeweils weniger als 1.000 Beschäftigten verfügt, zusammen mit den drei Töchtern diese Schwelle erreicht. Dann fällt die Obergesellschaft laut Schröder unter das LkSG, obwohl jede Tochter für sich das Gesetz nicht anzuwenden hat.

Risikomanagement einrichten

Jede betroffene Gesellschaft müsse nur ihre eigenen Zulieferer analysieren. „Es muss also nicht die Obergesellschaft die Zulieferer irgendwelcher Töchter prüfen“, sagt Schröder. Im eigenen Geschäftsbereich muss jedes Unternehmen im Grundsatz nur sich selbst prüfen, und zwar auch ausländische Standorte oder Repräsentanzen, wenn es keine Töchter sind, sondern sie zum eigenen Unternehmen gehören. Bei der Obergesellschaft aber ist das anders: Sie muss die gesamte Gruppe prüfen, sofern sie einen bestimmenden Einfluss hat. Da es sich meist um Mehrheitsbeteiligungen handelt, heißt das laut Schröder: Die Obergesellschaft, die oft eine Finanzholding ohne Zulieferer ist, hat vor allem im eigenen Geschäftsbereich viel zu tun.

Zu den Sorgfaltspflichten zählt zum Beispiel das Einrichten eines Risikomanagements. Die Risikoanalyse ist ein Kernelement. Eine Firma muss dabei ihre Zulieferer und ihren Geschäftsbereich auf menschrechts- und umweltbezogene Risiken hin analysieren. Dann müssen Präventionsmaßnahmen verankert werden. Stellt ein Unternehmen bei einem Lieferanten Menschenrechtsverletzungen fest, müssen diese durch sogenannte Abhilfemaßnahmen sofort beendet werden. Beim Ergreifen solcher Maßnahmen müssen sich Unternehmen auch um die Dokumentation und Berichte kümmern. Schröder: „Die Dokumentation ist extrem wichtig. Denn erstens hilft sie für den Bericht, zweitens für den etwaigen Haftungsprozess und drittens, falls das BAFA (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, Anm. d. Red.) irgendwann vor der Tür steht.“

Hohes Bußgeld droht

Und wenn ein Unternehmen die Sorgfaltspflichten nicht erfüllt? Dann drohen ein Bußgeld und ein Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge für bis zu drei Jahre. Die Geldbuße hängt ab von der Art und Schwere des Verstoßes. Sie kann bis zu 800.000 Euro betragen. Bei einem konzernweiten Jahresumsatz von mehr als 400 Millionen Euro können bis zu 2 Prozent davon fällig werden. Schröder: „Der Ausschluss von der Auftragsvergabe ist immer dann auszusprechen, wenn eine Mindestgeldstrafe von 175.000 Euro rechtskräftig festgestellt worden ist.“

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