Ein Hamburger in Fernost
Der Tag war Chaos“, fasst Thorne Laudy den Nachwuchswettbewerb Spedition und Logistik zusammen. Die Einladung zum Finale in Bonn kombinierte der frischgebackene Kaufmann für Spedition und Logistikdienstleistung aus Hamburg mit einem privaten Besuch in Memmingen. Als die Organisatoren – der DSLV Bundesverband Spedition und Logistik sowie DVZ – den Austragungsort kurzfristig nach Hamburg verlegten, musste Laudy beweisen, dass er dank seiner Ausbildung bei Panalpina auch seine persönliche Reiselogistik beherrschte. Das glich einem Hindernisparcours: „Ich war um 3:30 Uhr aufgestanden, verpasste den Bus zum Flughafen und musste trampen.“ Am Airport bemerkte er, dass er den Zettel mit Stichpunkten für die Logistikaufgabe des Young Freight Forwarder Germany Awards (YFFGA) bei einem Freund vergessen hatte. Aber auch ohne ausgefeilte Präsentation schaffte es der flexible Nachwuchsspediteur auf den dritten Platz. Schmunzelnd überreichte ihm der damalige DSLV-Präsident, Mathias Krage, im November 2011 den Preis.
„Wenn ich Interesse an etwas habe, war ich immer schon ehrgeizig“, sagt der heute 37-Jährige. So lernte er nicht etwa in der Schule gutes Spanisch, sondern von seiner spanischen Freundin. Für Logistik begeistert er sich, seitdem ihm ein Schulfreund von der Speditionsausbildung vorschwärmte.
Das war die Initialzündung für seine zielstrebige, internationale Karriere bis zum Geschäftsführer der vietnamesischen Tochtergesellschaft von A. Hartrodt. Weil ihm sein Ausbildungsbetrieb Pamalpina so schnell keinen Auslandsjob anbot, wechselte Laudy Anfang 2012 zu der Hamburger Spedition, bei der sein Kumpel arbeitete. Auf freundschaftliche Förderung war er aber nicht aus: „Ich wollte mir im Unternehmen selbst einen Namen machen.“
Zwei Jahre verfeinerte er als Management-Trainee seine Kenntnisse über Unternehmensfinanzen, weltweite Projektarbeit und Seefracht, bevor er sich im April 2014 von seiner Heimatstadt verabschiedete. Seitdem arbeitet er für A. Hartrodt in Fernost – erst dreieinhalb Jahre im Bereich Geschäftsentwicklung und Luftfracht in Seoul (Südkorea), dann genauso lange als Key Account Manager in Shanghai und seit 2021 als Landeschef in Ho-Chi-Minh-Stadt. Unter seiner Leitung eröffnete die vietnamesische Gesellschaft mit knapp 40 Beschäftigten zusätzlich zur Zentrale und einer Niederlassung in Vung Tau ein drittes Büro in Hanoi. In dem früheren „Billiglohnland“ für die Textil- und Schuhproduktion haben unter anderem südkoreanische Elektronikkonzerne wie Samsung oder LG Produktionsstandorte errichtet.
Laudy lebte in Asien von Anfang an in Megacities und lernte kulturelle Unterschiede innerhalb der Region kennen. Die Menschen in Südkorea beschreibt er als „unglaublich freundlich und liebevoll“, zugleich aber als „sehr scheu für Interaktionen“. Deshalb eignete er sich als Mittzwanziger Grundkenntnisse der koreanischen Sprache an und entdeckte sein Faible für „Bauweisen der Höflichkeit“. Chinesen erscheinen ihm im Vergleich dazu „ein bisschen distanzierter“, während ihn Vietnams „fantastische Menschen mit ihrer unheimlichen Flexibilität“ geradezu faszinieren.
Überwiegend arbeitet er mit Frauen zusammen, alle „sehr gebildet“. Sie hatten Anfang 2021 alles am Laufen gehalten, bis Laudy aufgrund des Pandemie-bedingten Einreiseverbots endlich ins Land konnte. Als der Geschäftsführer Freiwillige suchte, um unternehmenseigene Umwelt- und Qualitätsmanagementsysteme zertifizieren zu lassen, „gingen direkt mehrere Hände hoch, und es wurden sofort Angebote eingeholt“. Egal, ob Ideen, Kritik oder Wünsche – „wir können über alles reden“, sagt er. Allerdings habe es eine Weile gedauert, „bis die Leute aus sich rauskommen, da es nicht der kulturellen Norm entspricht“.
Koreaner sind unglaublich liebevolle und freundliche Menschen, aber auch sehr scheu. Thorne Laudy, Geschäftsführer A. Hartrodt Vietnam.
Wie sieht es mit der Work-Life-Balance im Ausland aus? Laudy gibt eine ehrliche Antwort: „Je größer die Stadt und je höher die Position, desto mehr kippt das Ganze Richtung Arbeit.“ Andererseits genieße er es, mit Kollegen zusammen zu sein, auch mal gemeinsam Essen zu gehen, schließlich gehe es in der Logistik immer um „Beziehungsmanagement“. So sind Freundschaften über Kontinente hinweg entstanden – zum Beispiel bis nach Adelaide (Australien) oder zu seinem Nachfolger in Südkorea, der mittlerweile in Chicago (USA) lebt und ihn zur Hochzeit eingeladen hat. Seine eigene Frau ist eine US-Amerikanerin, die er in Südkorea kennengelernt hat und die nach Shanghai nachkommen konnte: „Im asiatischen Raum ist man flexibel mit einer englischsprachigen Partnerin.“ Das Paar lebt mit kleinem Sohn und Hund in einem grüneren Stadtviertel von Ho-Chi-Minh-Stadt.
Ansonsten findet Laudy die Metropole mit fast 12 Millionen Einwohnern „aufregend“. Das frühere Saigon sei heute gekennzeichnet durch „unglaublich viele Mopeds, lauten Verkehr und hohe Luftverschmutzung.“ Doch für den Manager sind das alles nur „Nebengeräusche“, so lange seine Familie da sei. Auch im Logistiksektor sieht er Verbesserungsbedarf, vor allem bei der Infrastruktur – Straßen, Zollanbindung, Digitalisierung, solche Sachen. Dank seines „fabelhaften Teams“ könne die Firma „in den Gegebenheiten wachsen“.
Besonders freut Laudy, dass die Auslandshandelskammer Vietnam eine duale Berufsausbildung nach deutschem Ansatz unterstützt. Beim AHK-Speed-Dating findet er passende Azubis, ganz ohne Chaos. (jpn)