EU will Agrarexporte aus der Ukraine erleichtern

Die Getreidespeicher der Ukraine sind voll, aber der übliche Exportweg über die Schwarzmeerhäfen ist versperrt. Die EU-Kommission hat jetzt Vorschläge gemacht, was getan werden kann, um alternative Routen für die wichtigen Lieferungen zu etablieren.

Über eine neue Logistikplattform will die EU-Kommission ukrainische Exporteure von Getreide und anderen Agrargütern mit EU-Transportunternehmen zusammenbringen, damit diese neue Exportwege finden können. Bisher seien 90 Prozent der Getreide- und Ölsaatenexporte in ukrainischen Schwarzmeerhäfen verschifft worden, die nun blockiert sind. Alternativen zu finden, sei eine „gigantische Herausforderung“, sagte EU-Verkehrskommissarin Adina Valean bei der Präsentation eines Aktionsplans, der den Aufbau von „Solidaritätskorridoren“ vorsieht. „20 Millionen Tonnen Getreide müssen die Ukraine in weniger als drei Monaten verlassen“, erklärte sie. Ansonsten würden Lagerstätten blockiert, die für die nächsten Ernten benötigt werden.

Mehr Güter sollen in Containern transportiert werden

Die EU-Kommission ruft private und staatliche Stellen auf, mehr Bahnwaggons, Lkw, Schiffe, Binnenschiffe zur Verfügung zu stellen sowie Umschlaggerät, das an der ukrainischen Grenze eingesetzt werden kann. Besonders gefragt sind etwa Bahnwaggons mit EU-Spurbreite und Maschinen, die Getreide aus ukrainischen Breitspur-Waggons in Normalspur-Waggons umladen können. Solche Maschinen könnten in einer Stunde zwei Waggons mit 130 Tonnen Getreide füllen, und mehrere Maschinen könnten parallel an einem Zug arbeiten.

Valean rief EU-Transportunternehmen auch auf, Container für Getreide und flüssige Agrarprodukte wie Pflanzenöl zu verkaufen, zu vermieten oder anderweitig verfügbar zu machen. Waggons für Container und die Behälter gebe es in größerer Menge als spezielle Getreidewaggons und sie seien auch einfacher und rascher umzuschlagen, sagte Valean.

Valean sieht ein globales Problem

Sie betonte, es gehe sowohl darum, die Wirtschaft der Ukraine zu unterstützen, als auch die weltweite Versorgung mit Agrargütern zu sichern. „Wir wollen keine Nahrungsmittelknappheit irgendwo in der Welt erleben.“ Die Ukraine produziere 12 Prozent des globalen Getreideangebots, 15 Prozent des Maises und die Hälfte allen Sonnenblumenöls. „Das Problem, vor dem wir stehen, ist kein regionales oder europäisches, es ist ein weltweites“, sagte Valean.

Nach Angaben von S&P Global Market Intelligence wurden im April aus der Schwarzmeerregion per Schiff rund 4 Millionen Tonnen Agrargüter exportiert, was gegenüber dem Vorjahresmonat einen Rückgang um 35 Prozent bedeutet. Für das zweite Quartal 2022 sagt S&P einen Rückgang um 37 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum voraus, für das gesamte Jahr 2022 könnten es 20 Prozent sein. Das wäre dann ein Transportvolumen von 83,9 Millionen Tonnen.

EU-Bahnnetzbetreiber sollen Trassen zu Häfen freimachen

Bisher versuchen ukrainische Unternehmen laut EU-Kommission hauptsächlich, neue Exportrouten über Rumänien und Polen zu finden. Die Kommission empfiehlt aber, über die geplante Logistikplattform auch andere Möglichkeiten etwa über Bulgarien und die baltischen Staaten zu suchen. Der Export über Seehäfen sei einfacher und preisgünstiger, und die Häfen dort hätten noch Kapazitäten, sagte Valean. „Das Hauptproblem ist, dort hinzukommen.“ Im Aktionsplan werden die Infrastrukturbetreiber des EU-Bahnnetzes aufgerufen, ukrainischen Exporten auf dem Weg zu EU-Häfen temporär bevorzugt Trassen freizumachen.

EU könnte Absicherung von Transportrisiken verstärken

Weitere Möglichkeiten seien, mit der Bahn oder mit Lkw, wo das möglich ist, ein Stück in die Ukraine hineinzufahren, um Waren abzuholen. Auch könnten ukrainische Donauhäfen noch mit Binnen- und einigen Seeschiffen erreicht werden. Wenn die bestehenden Exportgarantien nicht ausreichten, um das Risiko solcher Transporte abzusichern, könne die EU diese Garantien möglicherweise aufstocken, schreibt die Kommission.

Derzeit warten laut Kommission Tausende Lastwagen und Waggons auf ukrainischer Seite auf eine Abfertigung. Die Wartezeit an den Grenzen betrage im Schnitt 16 Tage, an manchen Grenzen bis zu 30 Tage. Im Aktionsplan werden die EU-Staaten auch aufgerufen, den Zoll und andere Stellen mit ausreichend Personal auszustatten sowie sich bei Zoll- und phytosanitären Kontrollen so flexibel wie möglich zu zeigen.

Straßengüterverkehrsabkommen noch nicht in Sicht

Bereits Anfang April hat die Kommission vorgeschlagen, mit der Ukraine und Moldau Abkommen auszuhandeln, die Straßengütertransportunternehmern aus diesen Ländern vorübergehend mehr Zugang zum EU-Markt gewähren. Auch die Anerkennung von Führerscheinen und Befähigungsnachweisen soll darin geregelt werden. Die Mitgliedsstaaten haben der Kommission bisher aber noch kein Verhandlungsmandat erteilt. Wie zu hören ist, könnte dabei die Frage der zeitlichen Befristung der Abkommen eine Rolle spielen. Valean sagte, sie hoffe auf einen baldigen Beginn der Verhandlungen.

Ausweitung des TEN-V vorgeschlagen

Kurzfristig hält die Kommission das Erschließen neuer Transportwege zu sicheren Seehäfen für das Wichtigste. Sie will parallel aber auch EU-Lagermöglichkeiten für ukrainisches Getreide und andere Agrargüter identifizieren und zugänglich machen, möglichst in der Nähe von Häfen oder Breitspurbahnen. So könne Lagerraum in der Ukraine frei gemacht werden. Mittelfristig sei es zudem unsicher, ob die Getreidelager in der Ukraine weiter zugänglich seien oder ob sie sogar im Krieg zerstört würden, heißt es im Aktionsplan.

Langfristig will die EU-Kommission die Verkehrsverbindungen in die Ukraine ausbauen. Sie schlägt dazu eine Anpassung der Karten für die transeuropäischen Verkehrsnetze (TEN-V) vor und will auch Fördermittel aus dem EU-Haushalt bereitstellen. „Derzeit ist es aber unmöglich, Infrastrukturprojekte zu starten“, sagte Valean. Dazu müsse die EU auf eine „ruhigere Zukunft“ warten.

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