Krieg in der Ukraine: Logistiker müssen umdisponieren
Deutschland ist der drittwichtigste Handelspartner der Ukraine. Durch die Kampfhandlungen werden Transporte von und nach dem Land massiv erschwert. Die gesamte Region, vor allem aber Russland, ist auch für den Warenverkehr zwischen Asien und Europa immens wichtig. In der Luftfracht müssen die Airlines schon ausweichen. Wie sich die Lage auf der Neuen Seidenstraße entwickelt, bleibt abzuwarten.
Straße: Preise werden steigen
Wie sich die russische Invasion in die Ukraine auf den Straßengüterverkehr auswirkt, lässt sich mit Zahlen nicht eindeutig belegen. Das liegt daran, dass die Ukraine kein Mitgliedsstaat der Europäischen Union ist und der Datenaustausch mit Drittstaaten erheblich geringer ist.
Was sich sagen lässt, ist, dass der deutsche Transportmarkt temporär auf ukrainische Lkw-Fahrer verzichten muss. Sie bringen entweder ihre Familien in Sicherheit oder kämpfen für ihr Land. Auch diese Zahl kann nicht exakt beziffert werden, weil das Bundesamt für Güterverkehr die Fahrleistung von Drittstaaten nicht einzeln nach Ländern ausweist.
Marktteilnehmer wissen aber, dass viele in Polen beschäftigte Fahrer aus der Ukraine stammen. Klaus Meyer, Vorsitzender der Fachkommission Logistik und Mobilität im Mittelstandsverband BVMW, schätzt diese Zahl auf 100.000 Ukrainer, die dem Markt bald nicht mehr zur Verfügung stehen könnten. Der Anteil an der Fahrleistung von polnischen Lkw in Deutschland allein beträgt 17,5 Prozent. Daher dürfte Laderaum knapper werden und die Preise dürften steigen. (tb)
Schiene: Züge fahren normal
Am gesamten Güterverkehr zwischen Europa und China hält die Schiene inzwischen einen Anteil von mehr als 5 Prozent (Wert von 2021, Quelle: UTLC Eurasia Rail Alliance). Das durchschnittliche jährliche Wachstum zwischen 2016 und 2020 belief sich auf 52,6 Prozent.
Die Russischen Eisenbahnen RZD berichteten über die ersten fünf Monate 2021, das Aufkommen an Containern habe sich gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um 70 Prozent auf 292.100 TEU erhöht; davon seien 276.800 TEU beladen gewesen. Hochgerechnet auf das Gesamtjahr ergibt sich daraus eine Gesamtmenge von 720.000 TEU.
Das Wachstum in Richtung Osten belief sich laut RZD auf 110 Prozent, umgekehrt auf 60 Prozent. Zwei Drittel der Mengen sind in Westrichtung unterwegs.
Durch die Ukraine liefen bisher nur 2 Prozent der Containerzüge. Nachdem die Verbindungen zu Russland zurückgebaut worden sind, wird der Verkehr über Weißrussland laufen. Am Dienstag fuhren die Züge normal, doch gibt es rückläufige Buchungen. (ici)
Luft: Luftfrachtgesellschaften müssen umrouten
Durch die Sperrung des russischen Luftraums wird die Luftfracht von allen internationalen Verkehrsträgern bislang am massivsten von den indirekten Folgen des Ukraine-Kriegs getroffen. Denn die Route über Russland war, vor allem für nordeuropäische Carrier, die kürzeste Strecke für Flüge nach Fernost. Lufthansa Cargo dürfte unter den Airlines aufgrund ihrer vielen Fernost-Verbindungen mit am schwersten von der Schließung des Luftraums berührt sein.
Auch nordamerikanische Anbieter durchqueren auf dem kürzesten Weg nach China den russischen Luftraum. Dieser ist inzwischen für kanadische Airlines gesperrt; US-amerikanische Carrier können Russland nach wie vor überfliegen, da die Regierung Biden bislang darauf verzichtete, den US-Luftraum für russische Flugzeuge zu schließen.
Die europäischen Carrier müssen Russland südlich via Nahen und Mittleren Osten umfliegen. Dies verlängert die Flugzeiten zum Teil deutlich und treibt die Kerosinkosten stark in die Höhe. Im Gegenzug sparen die Frachtfluggesellschaften die von Russland erhobenen hohen Überfluggebühren. (ol)
See: Häfen sind abgeschnitten
Mit Beginn der russischen Invasion hat der bedeutendste Hafen der Urkaine, Odessa am Schwarzen Meer, den Betrieb eingestellt. Andere Umschlagplätze wie Sewastopol und Kertsch stehen seit der Annexion der Krim durch Russland und damit schon länger nicht mehr zur Verfügung.
Internationale Schifffahrtslinien wie Hapag-Lloyd, Zim oder CMA CGM laufen aus Sicherheitsgründen Odessa nicht mehr an. Ziel war das Containerterminal der HHLA, das inzwischen auch geschlossen ist. Zuletzt wurden in Odessa rund 300.000 TEU pro Jahr umgeschlagen. Hinzu kommen Massen- und Flüssiggüter in der Größenordnung von 40 Millionen beziehungsweise 25 Millionen Tonnen. Weitere Transportwege in das Land sind Fährlinien nach Georgien und Rumänien. Außerdem ist der Fluss Dnepr bis weit in das Landesinnere schiffbar.
Wirtschaftssanktionen gegen Russland träfen wohl vor allem die Verkehre zu den Ostsee-Häfen im St. Petersburger Gebiet: St. Petersburg, Bronka und Ust-Luga. Bronka ist für den Umschlag von 500.000 TEU ausgelegt und kann zudem 130.000 RoRo-Einheiten abfertigen. (jpn)