Nach den Demos ist wieder Dialog gefragt

Die Proteste der Transportunternehmen gegen die Sparpolitik der Bundesregierung sind beeindruckend. Aber sind sie auch zielführend? Gewonnen ist jedenfalls noch nichts, unterstreicht DVZ-Chefredakteur Sebastian Reimann.

Eine solche Woche hat es in der Logistikrepublik Deutschland lange nicht gegeben, womöglich noch nie. 1.800 Lkw fuhren am vergangenen Freitag durch Münchens Straßen, einige Hundert waren es am Montag neben mehreren Tausend Traktoren in Berlin, und für den kommenden Freitag werden in der Bundeshauptstadt noch einmal rund 1.500 Einheiten erwartet. Die Transport- und Logistikunternehmen haben ihren Protest gegen die Kürzungen im Verkehrshaushalt lautstark ausgedrückt.

Die Ampelkoalition hat sich den massiven Unmut der Branche selbst zuzuschreiben – die wohlgemerkt vor gerade einmal knapp vier Jahren noch eng an deren Seite stand, als es darum ging, während der Corona-Pandemie für ausreichend Impfstoffe und volle Regale zu sorgen. So ändern sich die Zeiten.

Zankapfel CO₂-Maut

Ausschlaggebend für den Stimmungsumschwung dürfte die Unnachgiebigkeit sein, welche die Bundesregierung und mit ihr das Bundesverkehrsministerium im vergangenen Jahr bei der Einführung der CO₂-Maut gezeigt haben. Viele, gerade kleine Transportunternehmen sehen dadurch ihre Existenz bedroht. Hinweise, die Mauterhöhung doch ganz marktwirtschaftlich an die Auftraggeber weiterzureichen, wirken aus deren Sicht einfach nur weltfremd.

Dies hat zu der nun sichtbaren Entfremdung von der Politik maßgeblich beigetragen. Hinzu kommt: Mit dem schnellen Einknicken gegenüber den Forderungen der Bauern zeigt die Bundesregierung eine nicht nachvollziehbare Inkonsequenz. Warum ist es möglich, dass die Vergünstigungen beim Agrardiesel für die Landwirte nun nicht auf einmal, sondern schrittweise zurückgeführt werden, während es nicht gelingt, die CO₂-Maut – wie von Branchenvertretern vorgeschlagen – erst 2025 einzuführen und die Doppelbelastung aus CO₂-Maut und Dieselaufschlag zu vermeiden?

Dabei beruhigt es die Gemüter keineswegs, dass neben der Straße auch die Schiene in der jüngsten Bereinigungsrunde des Etats Kürzungen hinnehmen musste. Eher steigt dadurch die Gefahr, dass sich Demonstrationen der Bahnseite in den kommenden Wochen noch mit Streiks der Lokführer vermischen. Der Verband „Die Güterbahnen“ hat bereits für diesen Mittwoch zu einer Protestaktion aufgerufen.

Unter dem Strich bleibt bei vielen einfach nur hängen, dass die Ampelkoalitionäre kein Gespür für die Nöte von Deutschlands drittgrößter Branche haben und sie es darüber hinaus wohl auch nicht so ernst nehmen mit der im Koalitionsvertrag verbrieften Verkehrswende. Denn andernfalls dürfte es weder bei der Schiene noch bei der Förderung umweltfreundlicherer Lkw so massive Einschnitte geben.

Sinnvoller Schulterschluss?

Und trotzdem muss auf die Demonstrationen nun wieder der Dialog folgen. Erstens, weil die Verbrüderung mit den Landwirten vor allem den Bauern Aufmerksamkeit gebracht hat und – trotz aller Distanzierung der Veranstalter – mitunter gefährlich radikale Tendenzen sichtbar waren.

Zweitens, weil die Branche schlussendlich doch nicht mit einer Stimme gesprochen hat. Der Werkverkehrsverband BWVL beispielsweise blieb bewusst fern. Hinzu kommt, dass die Forderungen an die Politik (zu) vielfältig sind. Die Mauterhöhung ist ein gemeinsamer Nenner, aber auch Sozialdumping, Zahlungsziele und die Kabotage haben einige auf die Agenda gehoben. Und drittens, weil die Proteste zwar halfen, ein Signal zu senden und Dampf abzulassen, aber absehbar kein Einlenken der Regierung ausgelöst haben. Das Ziel, Transport und Logistik auch künftig in Deutschland wettbewerbsfähig betreiben zu können und zugleich die Verkehrswende zu schaffen, muss über allem stehen. Insofern ist es unabdingbar, dass sich Politik und Logistikwirtschaft wieder aufeinander zubewegen.

Ihr Feedback
Teilen
Drucken

Sie sind noch kein Abonnent?

Testen Sie DVZ, DVZ-Brief oder DVZ plus 4 Wochen im Probeabo und überzeugen Sie sich von unserem umfassenden Informationsangebot.

  • Online Zugang
  • Täglicher Newsletter
  • Wöchentliches E-paper

 

Zum Probeabo

Jetzt 4 Wochen kostenlos testen

Kundenservice

Sie haben Fragen? Kontaktieren Sie uns gerne.

Sie sind noch kein Abonnent?

Testen Sie DVZ, DVZ-Brief oder DVZ plus 4 Wochen im Probeabo und überzeugen Sie sich von unserem umfassenden Informationsangebot.

  • Online Zugang
  • Täglicher Newsletter
  • Wöchentliches E-paper

 

Zum Probeabo

Jetzt 4 Wochen kostenlos testen

Kundenservice

Sie haben Fragen? Kontaktieren Sie uns gerne.

Kundenservice

Sie haben Fragen? Kontaktieren Sie uns gerne.

Nach oben