„Das System bleibt immer das Gleiche“

Welches Potenzial hätte die Etablierung einer neutralen Logistikplattform für das System Wasserstraße? Diese Frage beantwortet Steffen Bauer, CEO von HGK Shipping, im DVZ-Thesencheck.

Eine neutrale Logistikplattform wäre eine große Chance, um die Wettbewerbsfähigkeit des Verkehrsträgers Binnenschiff im Modal Split zu erhöhen, sagt Steffen Bauer im DVZ-Thesencheck. (Foto: HGK Shipping)

Welches Potenzial hätte die Etablierung einer neutralen Logistikplattform für das System Wasserstraße? Diese Frage beantwortet Steffen Bauer, CEO von HGK Shipping, im DVZ-Thesencheck.

These: Eine neutrale Logistikplattform ist die Lösung, um die Supply Chain Visibility für das System Wasserstraße deutlich zu erhöhen.

Richtig. Eine neutrale Logistikplattform wäre eine große Chance, um die Wettbewerbsfähigkeit des Verkehrsträgers Binnenschiff im Modal Split zu erhöhen. Die Betonung liegt hier allerdings auf zwei Attributen: „neutral“ und „eine“. Nur wenn es gelingt, eine dienstleisterunabhängige Plattform für das gesamte System Wasserstraße zu installieren, lassen sich Verlader überzeugen, mehr Mengen auf das Binnenschiff zu verlagern.

Die Ausgangsposition für die Einführung einer übergreifenden Plattform ist sehr gut. Noch ist die Binnenschifffahrt stark analog geprägt, digitale Standard-Lösungen für die Supply-Chain-Visibility sind nur rudimentär verfügbar. Darin unterscheidet sich dieser traditionsverhaftete Verkehrsträger deutlich von anderen Logistikdisziplinen, in denen digitale Plattformen bereits fest im Alltagsgeschäft verankert sind. Das Beispiel derart gereifter Märkte wie die Kontraktlogistik, die Luft- und Seefracht oder der Straßentransport zeigen, worin gerade dort die Problematik besteht. In kürzester Zeit wurde eine Vielzahl an Systemen mit den unterschiedlichsten Stoßrichtungen auf den Markt gebracht. Insbesondere die großen Logistikdienstleister bieten ihren Kunden eigene In-House-Lösungen an. Hinzu kommen diverse Angebote der IT-Branche. Für die Verlader bedeutet dieser fragmentierte Markt: Mit jedem Dienstleisterwechsel ist für sie auch der Wechsel auf ein neues System verbunden. Dadurch entstehen nicht nur zusätzliche Kosten und Aufwand, auch sind nicht immer vergleichbare Informationen verfügbar. Die Supply-Chain-Visibility ist damit an den jeweiligen Auftrag gebunden. Für die Industrie eine unbefriedigende Situation.

Für das System Wasserstraße sollte man daraus lernen und es von Anfang an besser machen. Besser heißt: Es werden alle Transportaktivitäten und -informationen auf einer neutralen Plattform abgebildet, an die alle handelnden Parteien der Wertschöpfungskette angeschlossen sind – die Logistikdienstleister, Binnenschiffer und Reedereien, die Terminals, Verlader und Empfänger. Die Daten zu den Transporten sind dabei selbstverständlich nur von den Vertragsparteien einsehbar, das verwendete System bleibt aber immer das gleiche, egal welcher Dienstleister letztendlich mit einem Transport beauftragt wird.

Was hätten die einzelnen Dienstleister von dieser Lösung? Nun, zunächst einmal nicht viel. Langfristig gesehen wird es aber nur so möglich sein, das System Wasserstraße Supply-Chain-übergreifend zu steuern, damit transparent, sicher und bewertbar zu machen und so letztlich die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Zwei Herausforderungen gibt es allerdings noch: Erstens, wenn es nur eine Plattform gibt, birgt diese monopolistische Stellung des Anbieters gewisse Risiken, die es einzugrenzen gilt – zum Beispiel über ein Beteiligungsmodell. Zweitens müssen die vielen Partikuliere und Binnenschiffer mit Klein- und Kleinstflotten abgeholt werden. Dazu muss die Branche bestimmte Anreize schaffen und um Verständnis werben.

Ich jedenfalls sehe in der Etablierung einer neutralen Plattform für das gesamte System Wasserstraße eine wichtige Möglichkeit, das Vertrauen der Verlader in die Binnenschifffahrt zu stärken und dringend benötigte Mengen auf die Wasserstraße zu bringen. (ben)

Zur Person

Steffen Bauer ist nicht nur Chef von Europas größter Binnenschiffsflotte, der begeisterte Ausdauersportler setzt sich als Dozent der FOM Hochschule auch aktiv für die praxisnahe Ausbildung von Nachwuchskräften ein.

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