BGA-Umfrage: Krieg und Sanktionen stören Warenströme

Sorgen bereiten den Groß- und Außenhändlern vor allem zusätzliche Störungen in den Lieferketten und steigende Energiepreise. Zudem würden die Transportkosten massiv steigen. Aber nicht nur die Warenströme seien betroffen. Laut BGA hat auch die Zahl der Cyberangriffe deutlich zugenommen.

Foto: Gwengoat/iStock

Die Folgen des Ukraine-Krieges setzen Deutschlands Groß- und Außenhändler unter Druck. Eine laut Bundesverband Groß- und Außenhandel (BGA) repräsentative Umfrage bei Mitgliedsfirmen habe ergeben, dass sich bislang 31 Prozent der Unternehmen von Sanktionen gegen Russland und den Gegensanktionen stark bis sehr stark betroffen sehen. „Der Krieg und die Sanktionen sind wie ein Stein, der ins Wasser geworfen wurde, und die Wellen schlagen jetzt ans Ufer“, beschrieb BGA-Präsident Dirk Jandura am Donnerstag die aktuelle Lage in einer Onlinekonferenz vor Journalisten. Es sei nun mit überlagernden Effekten dieser Wellen zu rechnen.

Unternehmen berichteten ihrem Verband beispielsweise vom eingeschränkten Handel mit Aluminium. Bei der Aluminiumproduktion würden manche Spezialprodukte nur in Russland gefertigt. „Solange die Lager noch voll sind, wirkt sich ein Engpass hier nicht aus. Wir werden die Auswirkungen aber in einigen Monaten zu spüren bekommen“, sagte Jandura. Dies sei ein kleiner Markt, aber eine sehr spezialisierte Produktion. „Das könnte für einige Mittelständler hierzulande auch existenziell werden“, fügte er hinzu.

Zudem werde Holz in der Beschaffung knapper und teurer. Die Lage ist hier coronabedingt sowieso schon angespannt. Das werde Auswirkungen auf die Baubranche und die Möbelindustrie haben, sagte Jandura. Als Beispiel nannte er hier sibirische Lärche und Birken. Ebenso wird aus der Ukraine derzeit nahezu kein Verpackungs- und Palettenholz nach Europa exportiert, wie die European Pallet Association (EPAL) am Dienstag mitteilte. Die DVZ hatte über die Palettenengpässe bereits vorab berichtet. „Durch die Sanktionen gegen Russland und Belarus wird auch das von dort in den vergangenen Jahren nach Europa importierte Holz in allen holzverarbeitenden Bereichen fehlen“, hieß es weiter.

Sorgen bereiten den Unternehmen vor allem zusätzliche Störungen in den Lieferketten und steigende Energiepreise. So berichteten 48 Prozent der in den vergangenen Tagen befragten mehreren Hundert Firmen von einer erschwerten oder unterbrochenen Materialbeschaffung infolge der Sanktionen. Etwa 60 Prozent sehen sich mit stark steigenden Einkaufspreisen für die von ihnen benötigten Waren konfrontiert. Bei 55 Prozent treiben steigende Energiepreise die Kosten in die Höhe. Jandura: „Ein Rückgang der Inflation von einem Niveau von rund 5 Prozent ist mittelfristig nicht zu erwarten.“

Einfluss auf die Transportwege

Außerdem würden die Transportkosten für die Unternehmen derzeit massiv steigen. Die Sanktionen hätten Einfluss auf die Transportwege, wie zum Beispiel die Flugrouten. „Längere Wege führen zu Verspätungen und teureren Waren“, sagte Jandura. Die Kosten in der Luftfracht seien bereits deutlich angezogen. Zudem liege bereits bezahlte Ware tonnenweise in den Häfen, vor allem in Odessa, und könne nicht mehr ausgeliefert werden. „Container sind rar, die Preise steigen auch hier massiv“, sagte Jandura weiter.

Dem BGA-Präsidenten zufolge mangelt es ferner an freien Lkw-Kapazitäten. Plötzlich fehlten zudem Fahrer, die häufig aus der Ukraine stammten. Viele Routen seien nicht mehr befahrbar. Auch die Zollabfertigung dauere deutlich länger. An den Grenzen staue sich der Verkehr massiv. Das sei ebenfalls ein großes Problem für die Hilfslieferungen, die auch von Unternehmen des Großhandels initiiert worden seien.

Nachdenklich stimme Jandura, „dass russische Fahrer und russische Fahrzeuge auf dem Weg durch Osteuropa behindert beziehungsweise beschädigt werden“. Es würden Reifen zerstochen oder den Fahrern ein Restaurantbesuch verwehrt, berichtete er.

Vermehrte Cyberattacken

Aber nicht nur die Warenströme seien betroffen. „Die Zahl der Cyberangriffe auf westliche Unternehmen hat massiv, seit Kriegsausbruch zum Teil um den Faktor 3 zugenommen“, sagte Jandura weiter. Viele Unternehmen hätten in der Ukraine wegen der gut ausgebildeten Mitarbeiter auch IT- und Programmier-Hubs sowie Dienstleistungszentren errichtet, die jetzt ausfielen.

Ein Problem dürften nach Einschätzung des BGA fehlende Getreidelieferungen werden. Etwa 55 Prozent aller Mais-Importe Deutschlands sowie 27 Prozent der Weizen-Transporte kommen laut Jandura aus der Ukraine. „Hier ist die Wintersaat bereits im Boden, aber die Ernte und Neuaussaat im Herbst wird in der Ukraine offensichtlich ausfallen“, sagte er. Das Getreide werde dann knapper und teurer, es müsse über größere Distanzen beschafft werden. „Das wird aber vor allem ein Problem für ärmere Staaten werden, die sich die höheren Preise nicht leisten werden können“, sagte Jandura. Er blicke hier mit Sorgen auf die Länder Nordafrikas, die auch ein großer Abnehmer von ukrainischem Getreide seien.

Auch Zellstoff unter anderem zur Herstellung von Toilettenpapier könnte knapp werden. Noch seien die Lager aber gut gefüllt. Leere Regale seien nicht abzusehen. „Es ist keine Situation, in der wir Angst haben müssen um unsere Lebensmittelversorgung“, betonte Jandura. Zudem könnte es bei chemischen Reinigungsmitteln Engpässe geben. Die Ausfälle im Mineralölbereich seien eher kurzfristig, sie könnten beizeiten ersetzt werden.

„Die Folgen der Corona-Pandemie sind noch nicht überwunden. Durch den Krieg und die verhängten Sanktionen verlangsamt sich die wirtschaftliche Erholung in Deutschland weiter“, sagte Jandura. Ein Plus sei möglich, aber zu deutlich höheren Preisen und Kosten. Groß- und Außenhändler erwarten zwar weit überwiegend keine Rezession in Deutschland, also einen Rückgang der Wirtschaftsleistung im Gesamtjahr. Allerdings rechnen sechs von zehn mit einer Verlangsamung, etwa jeder Dritte erwartet eine Unterbrechung der Konjunkturerholung.

Die große Mehrheit von etwa 90 Prozent der Unternehmen unterstütze aber die Sanktionen. „Die Sanktionen tun weh, aber sie sind richtig, angemessen und notwendig“, betonte der Verbandspräsident. Die Wirtschaft werde sich anpassen und auch neue Lieferwege finden, ist er überzeugt. Aber das werde seine Zeit dauern. Die Groß- und Außenhändler hätten ihre Lieferketten in den vergangenen Jahren bereits diversifiziert. Nun suchten viele Unternehmen neue Vertriebs- und Beschaffungswege. (mit dpa)

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