Logistikweise erwarten für 2022 deutliches Plus
Die Logistikweisen prognostizieren für ihren Wirtschaftsbereich im kommenden Jahr ein nominales Wachstum von 5,2 bis 5,8 Prozent in Deutschland, wie es im Ergebnisbericht des Herbstgipfels heißt, bei dem die DVZ exklusiv dabei war. Zudem haben die Experten um Prof. Christian Kille ihre Prognose für das laufende Jahr auf 5 Prozent angehoben, vor allem aufgrund der dynamischen Entwicklung auf der Kostenseite. Im März hatten sie noch 4,4 Prozent vorhergesagt. Die Prognosen wird das Gremium pünktlich zum Start des Deutschen Logistik-Kongresses am heutigen Mittwoch vorlegen.
Da sich der Privatkonsum erhole, die Investitionen anzögen und sich die Beschaffungsengpässe auflösten, werde der Wirtschaftsbereich im kommenden Jahr erneut dynamisch zulegen. „Neben höherer Nachfrage und mehr Servicebedarf muss 2022 mit deutlich höheren monetären Belastungen für die gleiche Leistung gerechnet werden“, schreiben die Experten. Das nominale Wachstum sei geprägt von Kostensteigerungen durch Engpässe bei Transportkapazitäten, den Fachkräftemangel und hohe Baukosten. Die IT-Ausgaben würden zudem weiter mit hoher Rate steigen, um die Digitalisierung voranzubringen. Ein weiterer Treiber: Der Weg zur Klimaneutralität wird nach Einschätzung des Expertenkreises im Segment der Konsumgüter deutlich schneller beschritten; die anderen Segmente folgten aufgrund der Planungsunsicherheit hinsichtlich der „richtigen“ Technologien etwas verzögert, heißt es.
Real erwarten die Logistikweisen 2022 ein Wachstum von 2,1 bis 3 Prozent. „Die Logistik für die Autoindustrie und Industriegüter erfährt eine größere Nachfrage, nachdem sich die Fesseln der Rohstoff- und Komponentenengpässe im Laufe des Jahres 2022 lösen werden“, heißt es zum Beispiel in der Begründung. Die Logistik für Gebrauchsgüter wie Unterhaltungselektronik, Haushaltsgeräte oder Möbel werde durch das Nachholen vor allem von Privatinvestitionen profitieren. In der Konsumgüterlogistik (Verbrauchsgüter) führten nicht zusätzliche Mengen, sondern die wachsenden Anforderungen durch die steigende Komplexität zu einer erhöhten Logistiknachfrage. Und: E-Commerce präge nicht nur den B2C-Markt, sondern die Leistungsansprüche hinsichtlich Schnelligkeit, Flexibilität und Kleinteiligkeit werden nun merklich auf den B2B-Markt übertragen, wie es heißt. Industrie und Handel würden zudem weiter Sicherheitsbestände anlegen, was ein weiterer Treiber für das reale Wachstum im kommenden Jahr sei.
Im Rückblick auf das Corona-Jahr 2020 fiel der Einbruch geringer aus als erwartet. Nach aktuellen Berechnungen der Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services (SCS), die jedes Jahr eine Vermessung der Logistik vornimmt, ist der Wirtschaftsbereich deutlich weniger stark geschrumpft als die Experten geschätzt hatten. Das Minus wird nur mit 2 Prozent zu Marktpreisen angegeben. Fraunhofer SCS hatte in der Top-100-Marktstudie vom Oktober 2020 einen Rückgang von 4 bis 5 Prozent prognostiziert. Die Logistikweisen hatten Anfang 2021 minus 6 Prozent vorhergesagt, im Herbst 2020 sogar minus 7 Prozent.
Kille, bei den Logistikweisen zuständig für die Methodik, führt die große Differenz zum von Fraunhofer berechneten Nominalwert vor allem auf die Preiserhöhungen zurück. „Die Mittelfristprognose des Bundesamts für Güterverkehr hatte mit einem Minus bei der Verkehrsleistung von fast 8 Prozent gerechnet. Bei solchen Einbrüchen geht man normalerweise von Preisrückgängen aus“, sagt der Professor. Aber auch die kräftige Erholung in der Industrie sei damals nur schwer vorhersehbar gewesen. Kille: „Nach dem Einbruch im zweiten Quartal war so schnell nicht mit einer Besserung zu rechnen.“
Die Folgen der Pandemie und Lieferengpässe bremsen derzeit das Wachstum. Führende Wirtschaftsforschungsinstitute hatten vorigen Donnerstag ihre Konjunkturprognose für dieses Jahr deutlich nach unten korrigiert. Sie rechnen mit einem Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts von nur noch 2,4 Prozent (2020: minus 4,6 Prozent). Im Frühjahr hatten sie noch 3,7 Prozent erwartet. 2022 falle der Aufschwung dann kräftiger aus: Die Institute rechnen mit einem Plus von 4,8 Prozent. In ihrer Frühjahrsprognose waren sie von 3,9 Prozent ausgegangen.