KI muss Probleme lösen
DVZ: Herr Schmid, wie würden Sie künstliche Intelligenz im Flottenmanagement definieren?
Wolfgang Schmid: Das entscheidende Merkmal einer künstlichen Intelligenz (KI) in diesem Bereich ist für mich eine Automatisierung des intelligenten Verhaltens. Der Kernaspekt dabei ist das maschinelle Lernen. Ich sehe darin den Unterschied zu herkömmlichen Optimierungsverfahren beim Flottenmanagement. Eine KI muss daher in der Lage sein, eine Aufgabenstellung zu verstehen und dafür dann eine Lösung finden.
Klingt erst mal sehr abstrakt.
Ist aber durchaus zu verstehen. Wir als Menschen kommen beim Flottenmanagement irgendwann in die Situation, dass wir die Datenmenge nicht mehr so schnell analysieren können wie ein Rechner. Das allein ist aber für mich noch keine KI, denn wir ziehen aus unserer Datenanalyse anschließend Schlüsse und setzen diese um. Dazu muss dann auch eine KI in der Lage sein. Sie muss einerseits die relevanten Fragen verstehen und andererseits aber auch die Daten und die Zusammenhänge. Daraus gilt es dann, Aufgaben und Problemstellungen zu lösen.
Telematik und künstliche Intelligenz lassen sich im Bereich des Fuhrparks nur schwer trennen. Welche Abhängigkeiten sehen Sie hier?
Es gibt große Abhängigkeiten. Grundsätzlich setzen sich beide nicht gegenseitig voraus. Sie funktionieren auch isoliert voneinander. Der Nutzwert ist jedoch am höchsten, wenn die Daten nicht manuell erfasst werden müssen. Nehmen wir als Beispiel die Routenplanung. Wenn ich mir überlege, was ich hier alles berücksichtigen kann, wird die Datenmenge so groß, dass der Flottenmanager es manuell einfach nicht mehr schnell erfassen kann. Hier müsste er dann irgendwann nach seinem Bauchgefühl handeln und Informationen weglassen. Mit einem Telematiksystem werden diese Daten auf Wunsch jedoch alle erfasst, und eine KI kann diese sammeln, analysieren und daraus Lösungen generieren.
Bei welchen Produkten sehen Sie den größten Bedarf an KI-Anwendungen?
Insgesamt betrifft es alle klassischen Telematikanwendungen, die sich auf die Bereiche Produktivität, Nachhaltigkeit, Sicherheit, Fahrerbezogenheit und Compliance beziehen. Am weitesten ist wohl aber die Routenoptimierung. Hier fließen Informationen zu Verkehrslage, Wettersituation, Lenk- und Ruhezeiten, Auftragsmanagement, Kundenrestriktionen, Verbrauch und vieles mehr ein. Das macht diese Funktionen so umfangreich. Es bedarf hier somit einer enormen Rechenleistung und entsprechender KI, um die Probleme zu lösen.
Gibt es weitere?
Hohe KI-Leistungen werden im Bereich Videotelematik benötigt. Sie unterscheidet sich von klassischen Dashcams, da sie datenschutzkonform arbeitet. Sie löscht immer nach acht bis zehn Sekunden die alten Aufnahmen, wenn kein Ereignis eintritt. Die Intelligenz dahinter besteht darin, zu erkennen, wann es zu einem Ereignis, wie einem (beinahe) Unfall kommt. Nur dann werden die Aufzeichnungen nicht gelöscht. Das ist defintiv KI.
Nach einer unternehmenseigenen Umfrage sind fast alle befragten Flottenmanager davon überzeugt, dass KI die Routenplanung verbessern kann. Was muss dann die KI können?
Sie muss definitiv besser sein als die reine Analyse. Lernen bedeutet aber, dass die Anwendung auch zu einem Ergebnis kommen kann, indem sie Daten immer wieder abgleicht. Das gilt für jeden Streckenabschnitt. So kann eine lernende KI die Ergebnisse immer wieder aktualisieren und künftig mit einbeziehen.
Hätten Sie ein verständliches Beispiel?
Nehmen wir an, der Transport findet im Winter statt. Eine KI, die anhand des Datums bestimmen kann, welche Straßen- und Wetterverhältnisse herrschen, wird eine ganz andere Berechnung anstellen als eine Optimierung, die nur von Durchschnittstemperaturen ausgeht.
Eine Aussage bei Ihrer Umfrage besagt, dass fast die Hälfte der Befragten hohe Kosten als eine der größten Hürden für die Implementierung von KI-Anwendungen betrachtet. Welche Argumente sollten die Zweifler überzeugen?
Wir als Telematikanbieter haben unsere Anwendungen immer sehr stark über die Produktivität getrieben. Das hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend geändert. Insbesondere die Fahrerperspektive ist wichtiger geworden. Ich sehe über die vergangenen zehn Jahre fast eine Umkehr. Die Fahrer möchten in erster Linie einen guten Job machen. Sie sind daher grundsätzlich bereit, die Daten zu teilen, wenn sie sich davon Vorteile versprechen. Das trifft zum Beispiel zu, wenn eine perfekte Routenplanung dazu führt, dass sie früher und sicherer nach Hause kommen. Auch eine automatische Abfahrtkontrolle fällt in diesen Bereich. So erreicht eine solche Anwendung eine hohe Akzeptanz zur Datenerfassung.
Heißt das, dass die Kosten einer Implementierung nicht nur mit der Wirtschaftlichkeits-Brille betrachtet werden sollten?
Genau. KI-Anwendungen decken so viele Bereiche ab, um den Arbeitsalltag für den Disponenten und den Fahrer zu erleichtern, dass ein Return-on-invest (ROI) nicht nur auf einer reinen Kalkulationsbasis berechnet werden kann. Sie sorgen damit auch dafür, dass die Mitarbeiter einfach zufrieden sind.
Kommen wir zurück zur technischen Seite. Um möglichst exakte Aussagen treffen zu können, bedarf es belastbarer Daten. Wie lösen Sie diese schwierige Aufgabe?
Hier greifen Qualitätsverfahren, die umgesetzt werden müssen. Sie sollen ein möglichst breites Bild liefern. Allein zu sagen, das ist KI, gewährleistet das noch lange nicht. Hier greift wirklich der alte Grundsatz: „Shit in, Shit out!“ Daher ist hier auch eine reale Datenbreite notwendig.
Kann man denn die Daten prüfen?
Ja, auf jeden Fall. Wir haben hier beispielsweise eigene Datenanalysten im Haus, die einkommende Daten prüfen und gewichten. Es gibt hier aber keine Allgemeingültigkeit.
Spielt die Hardware bei Ihnen überhaupt noch eine Rolle?
Ja, auf jeden Fall. Neben all den OEM-Systemen, die wir auch in unsere Lösungen einbinden können, grenzen wir uns mit unseren eigenen Systemen nicht nur von Mitbewerbern ab. Wir können so das Anwenderspektrum erweitern und bleiben unabhängig. Denken Sie nur an gemischte Flotten. Hier können wir das schwächste Glied mit eigener Hardware austauschen. Uns ist es einfach wichtig, dass die Daten valide sind. Nur so lässt sich auch ein vollständiges Reporting erstellen.
Zum Thema Datensicherheit. Wie gelingt es Ihnen, dass die Daten auf sicheren Wegen zu den Partnern gelangen beziehungsweise Sie sichere Informationen erhalten?
Das beginnt schon bei einem eigenen Datencenter. Bei uns stehen sie alle in Europa. Hinzu kommt, dass wir mit unseren eigenen Boxen und natürlich mit den eigenen Protokollen arbeiten. Es geht sogar so weit, dass wir in bestimmten Bereichen Geschäfte dann einfach ablehnen, wenn wir bezüglich Sicherheit Zugeständnisse machen müssten.
Bei der Übertragung der Daten vom Fahrzeug zur Zentrale: Lassen sich die Verbindungen auch hacken?
Ich würde hier nie nie sagen. Aber „Security by Design“ und alle weiteren implementierten Sicherheitsmaßnahmen unserer Hard- und Software genügen höchsten Sicherheitsstandards. Datenschutz und Datensicherheit haben bei Webfleet oberste Priorität, was wir auch seit Jahren mit der ISO27001-Zertifizierung nachweisen.
Was denken Sie, wann ist der Punkt gekommen, an dem ein Flottenmanagement ohne KI nicht mehr wirtschaftlich sein wird?
Das lässt sich so nicht beantworten. Es hängt vom erwarteten Nutzwert ab. Es wird auch in zehn Jahren Fuhrparks geben, die auch gut ohne KI arbeiten können. Es ist eher wahrscheinlich, dass der Wettbewerbsdruck weiter zunimmt und es immer aufwendiger wird, den Verzicht auf diese Wettbewerbsvorteile durch andere Maßnahmen zu kompensieren. (jh/ben)