Female Leadership: „Ich hatte nie eine weibliche Führungskraft“

Frauen in Leitungspositionen sind auch in der Logistikbranche stark unterrepräsentiert. Festgefahrene Rollenbilder und fehlender Mut stehen dem Wandel im Weg, zeigte eine Podiumsdiskussion auf dem Logistics Summit.

Die Paneldiskussion zum Thema Female Leadership in der Logistikbranche auf dem Logistics Summit in Düsseldorf. (Foto: Ulrich Schepp / Jan Kulke / Logistics Summit)

Die Top-Etagen deutscher Unternehmen sind nur wenig divers. In den 100 umsatzstärksten Familienunternehmen sind die Führungskräfte zu 87 Prozent männlich und zu 89 Prozent deutsch, zeigt eine Studie der deutsch-schwedischen Allbright Stiftung von Anfang März 2024. Der Frauenanteil liegt demnach bei nur 13 Prozent. Auch in der Logistikbranche fehlen noch die nötigen Rahmenbedingungen für vielfältigere Führungsteams, machte eine Podiumsdiskussion auf dem Logistics Summit vergangene Woche in Düsseldorf zum Thema Female Leadership in der Branche deutlich.

Die zentrale Botschaft der Veranstaltung: Nicht nur die Unternehmen sind in der Verantwortung, daran etwas zu ändern, sondern auch die Frauen selbst. „Eine Führungskraft kann nicht sehen, was man selbst will und welche Ziele man hat. Man muss aktiv kommunizieren, wo man hin möchte, und eine gute Führungskraft findet dann einen gemeinsamen Weg“, ist Antje Becker, Senior Projektleiterin Logistik Prozesse bei der Rewe Group, überzeugt.

 

„Führungskräfte können nicht sehen, was man selbst will.“ Antje Becker, Rewe Group

Was fehle, sei oft der Mut, „einfach mal zu machen“, sagte Michelle Manon Friedrich, die den Aufbau eines nachhaltigen Start-ups für die Zufall Logistics Group verantwortet. „Proaktiv hätte ich mich nie auf eine Führungsrolle beworben. Nun merke ich aber, dass ich das ganz gut kann.“

Frauen stehen in der Verantwortung, für ihren Karriereweg mehr in die Sichtbarkeit zu treten, ergänzte Sonja Escherich, Senior Supply Chain Manager bei UPM Biochemicals. Für eine Führungsposition brauche es aber auch die nötigen Unterstützer.

„Ich hatte noch nie eine weibliche Führungskraft, es gab also keine Vorbilder für mich. Aber es gab ganz tolle männliche Führungskräfte, die gesagt haben: Du kannst das, wir glauben an dich. Und jetzt bin ich das weibliche Vorbild, und davon brauchen wir noch viel mehr“, erzählte Natalie Stich, Werkleiterin bei EBM-Papst. Gerade junge Frauen brauchen Vorbilder, an denen sie sich orientieren können, um Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu gewinnen. Aber auch untereinander sollten sich Frauen in der Logistikbranche mehr fördern und besser vernetzen, so die Meinung der Podiumsteilnehmerinnen.

Rollen neu denken

Gesellschaftlich verankerte Rollenbilder haben jedoch nach wie vor einen entscheidenden Einfluss auf die Vielfalt in Unternehmen. Frauen leisten im Durchschnitt täglich 44 Prozent mehr unbezahlte Sorgearbeit als Männer, heißt es im Zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung. Gemeint sind damit unter anderem der Haushalt und die Kindererziehung. Aufgaben, die oft wie selbstverständlich in der Verantwortung von Frauen gesehen werden.

Diese Erfahrung musste auch Natalie Stich machen, als ihr Mann nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes zu Hause blieb, während sie selbst wieder arbeiten ging: „Als mein Sohn vier Jahre alt war, wurde ich in einem Vorstellungsgespräch gefragt: Wer passt denn auf Ihr Kind auf, wenn Sie jetzt hier eine Führungsposition übernehmen?“

„Nur weil ich eine Frau bin, heißt es nicht, dass ich ein Kind möchte.“ Michelle Manon Friedrich, Zufall Logistics Group

Eine Stigmatisierung, die schon lange vor der möglichen Geburt eines Kindes beginnt, weiß Friedrich: „In einem früheren Job hat mir einmal ein Herr auf einer Veranstaltung gesagt: Ich würde dich ja einstellen, aber warte mal, du bist 32. Dann machst du das vielleicht zwei Jahre und danach bist du schwanger. Das geht ja dann nicht“, erinnert sie sich. „Und der Mann war nur zwei Jahre älter als ich.“

Unternehmen sollten mit gutem Beispiel vorangehen und Elternzeit für Väter nicht nur unterstützen, sondern zur Normalität machen, sind sich die Podiumsteilnehmerinnen einig. Auch die Flexibilisierung der Arbeitszeiten kann helfen, Beruf und Familie besser zu vereinbaren. Gleichzeitig sollten Frauen nicht unter einen pauschalen Gebärverdacht gestellt werden.

„Nur weil ich eine Frau bin, heißt es ja nicht, dass ich auch ein Kind bekommen möchte“, betonte Friedrich und ergänzte unter Applaus aus dem Publikum: „Ich fände es schön, wenn irgendwann die Chefs oder Chefinnen mal Panik bekommen würden, wenn sie junge Männer einstellen, weil die ja Väter werden könnten.“

Strukturen hinterfragen

In der Diskussion wurden vor allem zwei Dinge deutlich: Sowohl die Unternehmen und ihre Führungskräfte als auch die Frauen selbst stehen in der Verantwortung, das Thema Diversity weiter voranzutreiben. Aber: „Es gibt bereits viele tolle Männer, die uns Frauen auf unserem Karriereweg unterstützen“, resümiert Moderatorin Lena Weigele. „Es muss normaler werden, dass Frauen in Führungspositionen sind, um die Strukturen für entsprechende Karrierewege zu schaffen.“

Denn auch wenn man es als Frau endlich in die lang ersehnte Führungsposition geschafft hat, heißt das noch lange nicht, dass die Akzeptanz von allen Seiten gegeben ist. „Bei einem Vorstellungsgespräch mit einem potenziellen neuen Mitarbeiter fragte er mich am Ende plötzlich: Und wer ist jetzt mein Vorgesetzter? Für ihn war es gar nicht denkbar, dass ich seine Vorgesetzte bin, auch wenn er es nicht böse gemeint hat“, erinnert sich Theresa Gress, Leiterin für Logistikdaten und -systeme bei Schaeffler.

Für die Zukunft lohnt es sich, bestehende Strukturen zu hinterfragen. Zum Beispiel, ob Führung immer Vollzeit sein müsse, warf Becker in den Raum. So könne die Branche auch für junge Menschen wieder attraktiver werden.

Offen blieb am Ende der Diskussionsrunde eine Frage aus dem Publikum: Warum sitzen eigentlich keine Männer auf einem Panel zum Thema Diversity?

Das Publikum hört aufmerksam zu. (Foto: Ulrich Schepp / Jan Kulke / Logistics Summit)
Auf der Messe drehte sich alles um Zukunftsthemen wie Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Automatisierung. (Foto: Ulrich Schepp / Jan Kulke / Logistics Summit)
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