Personalleiter über Nachwuchs: Viele haben falsches Bild von Logistikjobs

Seit mehr als 30 Jahren ist Dirk Fuhrmann schon für den schwäbischen Logistikdienstleister Craiss tätig. Im Interview spricht er über die aktuellen Herausforderungen in der Nachwuchsgewinnung.

Personalleiter Dirk Fuhrmann legt Wert darauf, dass Auszubildenden bei Craiss auf Augenhöhe begegnet wird. (Foto: Craiss)

DVZ: Herr Fuhrmann, kürzlich haben Sie bekanntgegeben, dass Craiss nach fünf Jahren wieder eigene Berufskraftfahrerinnen und -fahrer ausbildet. Was hat Sie zu dieser Entscheidung bewogen?

Dirk Fuhrmann: Am Transportmarkt ist ein Bedarf an Berufskraftfahrerinnen und -fahrern. Sofern es den Unternehmen nicht gelingt, zusätzliche Kräfte auszubilden, erfolgt lediglich ein Abwerben des Personals, ohne dass dem Markt zusätzliche Kapazitäten zur Verfügung stehen. Darum bilden wir unsere Berufskraftfahrer selbst aus, so dass wir, sobald sie ausgelernt haben, direkt auf ihre volle Unterstützung im Tagesgeschäft zählen können.

Kann die Erhöhung von Ausbildungskapazitäten im Kampf gegen den Fachkräftemangel einen entscheidenden Beitrag leisten?

Auf jeden Fall. Dadurch, dass in den nächsten Jahren die Generation der Babyboomer aus dem aktiven Arbeitsleben ausscheidet, fehlen dem Arbeitsmarkt mehr Fachkräfte. Jeder zusätzlich besetzte Ausbildungsplatz ist daher wichtig.

Wie sehr belastet die Suche nach qualifizierten Arbeitskräften schon jetzt die Logistikbranche?

Wie in allen Bereichen der Wirtschaft ist auch die Logistikbranche aktuell vom Fachkräftemangel betroffen. Die Suche nach qualifizierten Arbeitskräften verlangt von allen Beteiligten mehr Ressourcen und Kreativität bei der Suche. Viele Berufe der Logistik- und Speditionsbranche sind auch nicht auf dem Radar der Schülerinnen und Schüler. Noch dazu kommen oft falsche Vorstellungen von dem Berufsbild, vor allem in Bezug auf den Berufskraftfahrer.

Das Unternehmen

Craiss wurde 1931 im schwäbischen Mühlacker gegründet und verfügt heute über 21 Standorte in sieben Ländern. Mit 1.000 Mitarbeitenden, 500 Fahrzeugeinheiten und 250.000 Quadratmeter Lagerfläche zählt das Unternehmen zu den größten mittelständischen Logistikern Deutschlands. Craiss ist sowohl im klassischen Transportsegment als auch in der Kontraktlogistik aktiv.

Welches Bild hat der Nachwuchs denn?

Mit Spedition und Logistik verbinden viele Jugendliche, lange Arbeitszeiten, eintönige Jobs und wenig Zeit daheim – was so einfach nicht stimmt. Wir bieten unterschiedliche und vielfältige Jobs. Wenn man will, kann man an anderen Standorten eingesetzt werden. Es besteht aber genauso die Möglichkeit, abends wieder daheim zu sein. Leider kommen wenige Schülerinnen und Schüler von sich aus auf die Idee, sich über die Berufe dieser Branche zu informieren. Daher sind oft mehr Ressourcen und Kreativität gefragt in der Gewinnung und Ansprache der jungen Talente.

Zum diesjährigen Ausbildungsstart konnten Sie vier Nachwuchskräfte für Ihren Hauptsitz Mühlacker gewinnen. Wie zufrieden sind Sie damit?

Wir sind mit der Nachwuchsgewinnung für unseren Hauptsitz sehr zufrieden. 2023 hatten wir einen außergewöhnlich starken Jahrgang mit neun Auszubildenden in verschiedensten Berufen. Dieses Jahr haben wir uns auf die Kaufleute für Spedition und Logistikdienstleistung und die Berufskraftfahrer fokussiert. Hier konnten wir jeweils zwei Auszubildende gewinnen, was unsere Erwartungen tatsächlich mehr als erfüllt hat. Wir sind vor allem sehr stolz, dass wir direkt im ersten Jahr (nach der langen Ausbildungspause) zwei Berufskraftfahrer gewinnen konnten.

Mittlerweile beschäftigen Sie einen eigenen Fahrtrainer, der die Vorbereitungen für den Führerschein der Klasse CE leitet. Welche Vorteile sehen Sie darin?

Unseren Fahrtrainer beschäftigen wir schon seit vielen Jahren. Unsere letzten Berufskraftfahrer-Auszubildenden hat er auch mit viel Leidenschaft und Können sicher auf die Straßen gebracht. Die Vorteile, die uns ein eigener Fahrtrainer bietet, sind folgende: Wir sind nicht auf einen externen Trainer und dessen Verfügbarkeit angewiesen. Unser Fahrtrainer ist auch Fahrlehrer und kann somit alle Inhalte der Fahrschule vermitteln. Außerdem kann unser Ausbilder individuell auf die Stärken und Schwächen unserer Auszubildenden eingehen und sie bestmöglich fördern und unterstützen. Am Ende der Ausbildung hat unser Fahrtrainer die Auszubildenden perfekt auf ihren Arbeitsalltag bei der Craiss Generation Logistik vorbereitet, und sie können direkt in das Berufsleben starten.

Welche Faktoren halten Sie für entscheidend, um junge Menschen für Logistik und das eigene Unternehmen zu begeistern?

Die Spedition und Logistik sind absolut systemrelevant. Dieser Aspekt ist vielen jungen Menschen nicht bewusst. Außerdem bietet sie so viel mehr als stupides Fahren von A nach B: Die Touren müssen geplant, Lager müssen organisiert, der Kontakt zu den Kunden muss gehalten werden. Ohne das steht alles still. Diese Vielfältigkeit muss man den Schülerinnen und Schülern vermitteln, was wir in jedem einzelnen unserer Ausbildungsberufe als Ziel haben: Die Auszubildenden sollen einen Weitblick dafür erhalten, was Logistik und Spedition alles bedeutet. Und dafür stehen wir mit unserer Ausbildung. Außerdem kann Arbeit Spaß machen, es können Freundschaften entstehen, man kann sich weiterentwickeln. Der Weg ist nach der Ausbildung nicht zu Ende. Und dafür stehen wir: Vertrauen, Leidenschaft und Persönlichkeit. Vertrauen in unser Können, Leidenschaft bei unserer Arbeit und die Persönlichkeit eines jeden Einzelnen. Das ist uns wichtig und damit begeistern wir junge Talente.

Viele Berufe der Logistik sind nicht auf dem Radar der Schüler. Dirk Fuhrmann

Welche Vorteile sehen Sie darin, eine Ausbildung in einem Familienunternehmen zu machen?

Bei Craiss ist man nicht nur eine Nummer im System. Man gehört zu einer großen „Familie“, den Craissianern. Wer sich anstrengt und eine Leidenschaft für das entwickelt, was er tut, bekommt so viel zurück. Hier ist nichts festgeschrieben. Wenn man sich entwickeln möchte, hat man die Möglichkeit. Wir unterstützen uns gegenseitig, halten zusammen und begegnen uns auf Augenhöhe. Die Auszubildenden gehören genauso ins Team wie der Facharbeiter, der Ausbilder oder der Geschäftsführer. Durch unsere Größe können wir den Auszubildenden einen sehr guten Gesamtüberblick bieten. Auch das sehe ich als Vorteil eines Familienunternehmens beziehungsweise eines Mittelständlers. Unsere Auszubildenden sind nach ihrer Ausbildung Spezialisten in ihren Berufen mit dem gewissen Weitblick. Wir können Vielfältigkeit und Abwechslung bieten.

Gibt es auch Nachteile?

Natürlich. Wir orientieren uns mit unserer Dienstleistung sehr stark am Markt. Je nach Marktsituation müssen wir schnell reagieren und unsere Ressourcen anpassen.

Nachwuchskräfte sollten idealerweise auch langfristig im Unternehmen bleiben wollen. Wie wollen Sie das sicherstellen?

Wir setzen auf unsere Vielfältigkeit, das Miteinander und den Zusammenhalt. Wir legen Wert darauf, dass unsere Auszubildenden einen größtmöglichen Einblick in unsere verschiedenen Dienstleistungen Transportmanagement und Kontraktlogistik erhalten. Außerdem stärken wir den Zusammenhalt unter den Auszubildenden und auch mit den Ausbildern regelmäßig mit Teamaktivitäten. Sei es ein gemeinsamer Ausflug oder ein Projekt, das die Azubis eigenverantwortlich stemmen.

Und kommt das an?

Unsere Auszubildenden melden uns zurück, dass sie sich gut aufgehoben, respektiert und als Teil des Teams fühlen. Es ist uns wichtig, dass sie sich wertgeschätzt und nicht nur als „billige Arbeitskraft“ fühlen. Durch regelmäßige Feedback-Gespräche mit den Ausbildern und auch der Ausbildungsbetreuung entsteht ein Rahmen für die Auszubildenden, in dem sie ihr Lob und ihre Kritik äußern können. So bekommen wir ein Gefühl für unsere Auszubildenden und können auch auf ihre Bedürfnisse reagieren.

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