Chinesische E-Autos nehmen Kurs auf Europa

Auf deutschen Straßen fahren schon E-Autos aus China. Sie gelangen über die maritime Seidenstraße nach Europa. Künftig könnte der Schienentransport eine Alternative sein.

Beim Seetransport von
China nach Europa werden
die SUVs im RoRo-Schiff vor
Beschädigungen geschützt. (Foto: Aiways)

Wer genau hinschaut, kann auf deutschen Straßen zwischen immer mehr einheimischen E-Autos und Teslas schon vereinzelt chinesische Marken mit Elektroantrieb entdecken wie MG Roewe oder Lynk & Co. Auch Aiways, ein 2017 in Shanghai gegründeter Hersteller, strebt weiter auf den deutschen Markt. Seit 2020 gibt es in München eine Überseezentrale mit technischem Zentrum für Europa und Israel. Das Kraftfahrt-Bundesamt meldet von Januar bis Mai dieses Jahres 24 Neuzulassungen von Aiways-Pkw. Das auf dem europäischen Markt verfügbare SUV-Modell U5 wird in China gebaut – das Fahrzeugwerk steht in Shangrao (Provinz Jiangxi), die Batteriefabrik in Changshu (Provinz Jiangsu). „Für den Transport nutzen wir derzeit nur das Seeschiff“, sagt Alexander Klose, Geschäftsführer bei Aiways Automobile Europe. Das war nicht immer so.

Aiways

2017 gründeten die chinesischen Unternehmer Samuel Fu und Gary Gu das E-Auto-Unternehmen in Shanghai. Das Werk in Shangrao hat eine Jahreskapazität von 300.000 Fahrzeugen. Zum globalen Netzwerk gehören ein Forschungs- und Entwicklungs- sowie Designzentrum in Shanghai, eine Batteriefabrik in Changshu und das europäische Vertriebszentrum in München. Vor der Aiways-Gründung war Fu China-Chef von Volvo Cars, zuvor hatte er Führungspositionen bei Mercedes-Benz, Skoda und FAW-Volkswagen inne.

Seecontainer sind keine Option

2020/2021 ließ Aiways seine E-Autos aus China parallel über die Eiserne Seidenstraße bis Duisburg transportieren. Partner war China Railway Container Transport (CRCT), eine Tochter des chinesischen Staatsbahnkonzerns. Warum ist das derzeit keine Option? „Das hängt mit dem Angebot und den Kosten zusammen, auch mit der Dauer des Transports“, sagt Klose. Gemeinsam mit der chinesischen Geschäftsleitung hat er sich verschiedene Transportmöglichkeiten zwischen China und Europa angesehen – RoRo-Schiff, Containerschiff, Bahn, Lkw, Flugzeug. Am Ende blieben zwei „sinnvolle Alternativen“ übrig – Zug und RoRo-Schiff. Denn Seecontainer kommen für Aiways nicht infrage: „Der Container ist deutlich teurer. Wenn ich schon auf dem Schiff die längere Route nehmen muss, möchte ich das günstig haben“, betont der Branchenkenner.

Aiways verschifft fabrikneue E-Autos über Shanghai. Die rund 600 Kilometer vom Werk bis zum Hafen übernehmen chinesische Autotransporter. „Mit Abwicklung vorne und hinten“ könne der Seetransport bis zu 50 Tage dauern, hat Klose erlebt. In den europäischen Zielhäfen Bremerhaven, wo die BLG Logistics Group die Automobillogistik abwickelt, und Zeebrügge bei International Car Operators, einer Tochter der Reederei Nippon Yusen Kaisha (NYK), gab es während der Pandemie unterschiedliche Erfahrungen: „In Bremerhaven waren wir einmal mit 500 Fahrzeugen unter 30.000 Autos, die da rumstanden“, berichtet Klose. Das sei für alle Verlader „sehr schwierig“ gewesen, die Verweildauer im Hafen habe im Maximum zwei Monate betragen. „Zeebrügge hat für uns besser funktioniert“, meint er rückblickend. Warum? Der Manager vermutet, „dass wir einfach zu anderen Zeiten angekommen sind und daher nicht in diese extreme Überlastung des Hafens hineingeraten sind“.

In Zukunft will Aiways seine RoRo-Transporte „so breit wie möglich streuen“. Das bedeutet, weiterhin auch über südeuropäische Häfen wie Tarragona oder Marseille zu verschiffen, teilweise über den Transhipment-Hub Piräus. „Wir verschicken unsere Fahrzeuge ja quer durch Europa“, sagt Klose. Da mache es wenig Sinn, E-Autos für den spanischen oder italienischen Markt über Bremerhaven zu verteilen.

Inzwischen laufen Seetransporte zwar wieder rund, aber klingt das Versprechen von CRCT nicht verlockend? Die nach eigenen Angaben „einheitliche Serviceplattform von China Railway Express“ wirbt mit „Schnelligkeit, Pünktlichkeit, Sicherheit und Stabilität“ auf der Eisernen Seidenstraße zwischen China und Europa. „In normalen Zeiten“ sind die Transportkosten auf der Schiene laut Klose „ungefähr doppelt so hoch“ wie per Schiff. Dafür halbiere sich die Transitzeit auf „17 bis 18 Tage“, „wenn wirklich alles optimal laufen würde“. Aber Aiways machte 2020/2021 andere Erfahrungen.

Ein Ingenieur feilt im Designzentrum in Shanghai an einem Prototypen. (Foto: Aiways)
Aiways-Mitarbeiter in der E-Autofabrik in Shangrao. (Foto: Aiways)

Schäden durch Schienenstöße

Weil damals in China keine Elektrofahrzeuge verladen werden durften, mussten sie mit Lkw bis zur chinesisch-mongolischen Grenze gebracht werden, wo sie zwei Wochen auf den Zug warteten. Vor dem Ukraine-Krieg war die nördliche Route durch Russland erste Wahl. Aus Sicherheitsgründen kommt bei E-Autos im Wert von rund 45.000 Euro auf der Langstrecke nur Containertransport infrage, das ist zudem beim Umspuren leichter handhabbar. „Das nächste Problem war das Beladen von Containern speziell für den Zug“, erinnert sich Klose. Stöße belasten das Transportgut auf der Schiene sehr viel stärker als bei anderen Verkehrsträgern. Tatsächlich gab es Schäden, weil die ersten Aufbauten in den Stahlboxen nicht ausreichten. Weitere Hürde: In Polen seien die Container wegen Überlastung „in einem schwarzen Loch versunken“ – bis zum Weitertransport nach Duisburg habe es „fast einen Monat gedauert“.

Auch der chinesische Hersteller Nio exportiert E-Autos in Länder wie Deutschland. Die Neuwagen kommen als Seefracht nach Europa und werden dort per Lkw verteilt, erklärte Jan Krüger, der bei Nio Deutschland in Gräfelfing bei München die Flottenlogistik verantwortet, bei einer Podiumsdiskussion auf der transport logistic. Transporte auf der Eisernen Seidenstraße würden zur Leitphilosophie des Unternehmens für eine nachhaltigere Zukunft passen, aber „die Gesamtleistung der Schiene eignet sich noch nicht“ als 100-prozentige Alternative, so Krüger. Künftig kann er sich das aber als „sehr zuverlässige Lösung“ vorstellen.

Damit auch Aiways zwischen China und Europa wieder die Eiserne Seidenstraße wählt, müssten sich entscheidende Punkte verbessern. Klose benötigt vor allem einen sicheren Zeitvorteil: „Wenn wir die Fahrzeuge innerhalb von 20 statt 50 Tagen hier herbekommen würden, wäre das einen gewissen Mehraufwand wert.“ Angesichts steigender Zinsen sei es entscheidend, die E-Autos schneller zum Kunden zu bringen, um ihm einen Preisvorteil zu sichern. Batterien bedeuten inzwischen kein Transporthindernis mehr – Elektrofahrzeuge dürfen in China auf Waggons verladen werden. Klose erwartet „ein exponentielles Wachstum zwischen China und Europa per Schiene oder Schiff“. Im zweiten Halbjahr bringt Aiways seinen neuen SUV U6 in Deutschland und anderen europäischen Ländern auf den Markt. (cs)

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