75-jähriges Jubiläum: „Die DVZ erscheint heute jeden Tag“
DVV-Geschäftsführer Martin Weber und Verlagsleiter Oliver Detje sprechen im Interview mit DVZ-Chefredakteur Sebastian Reimann und Volontärin Amelie Bauer über die Marke DVZ, die Zukunft von Printmedien und die nächsten Megathemen.
DVZ: Corona-Pandemie, Krieg in der Ukraine, Inflation – wie geht es dem Verlag und der DVZ in diesen außergewöhnlich herausfordernden Zeiten?
Martin Weber: Dem Verlag geht es gut. Wir haben die Zeit in der Organisation ganz gut überstanden, da wir insbesondere relativ schnell auf mobiles Arbeiten umgestellt haben. Wirtschaftlich ist die Situation natürlich nicht einfach. Das Anzeigengeschäft und das Veranstaltungsgeschäft haben stark gelitten. Unser starkes Abo-Geschäft war dagegen sehr stabil. In dieser Ausnahmesituation hat die Funktion, die wir als Medienmarke DVZ haben, enorm an Bedeutung gewonnen. Gleiches gilt für die Themen, welche die DVZ behandelt.
Oliver Detje: Die DVZ als Medienmarke ist seit über 75 Jahren im Markt verankert. Jetzt könnte man natürlich die These aufstellen: Das ist ein olles, angestaubtes Fachmedium und das war’s – genau das Gegenteil ist der Fall. Das DVZ-Team hat es geschafft, dieses Medium up to date zu halten. Wir können auf allen Kanälen mitreden, Social Media spielt dabei eine ganz wichtige Rolle für uns, um Themen zu setzen. Und wir sind weiterhin mit dem Credo unterwegs: Da, wo DVZ draufsteht, muss Qualität drin sein. Aber es darf auch ein Preisschild dranhängen, denn Qualität gibt es nicht umsonst.
Wie sehen Sie die DVZ denn im digitalen Marktumfeld aufgestellt – auch mit Blick auf die Konkurrenz?
Detje: Ich glaube, dass wir aufgrund unserer Präsenz in den digitalen Medien und auf diesen Kanälen eine sehr gute, stabile Position haben. Die Wettbewerber kommen ja heute nicht mehr nur aus der Perspektive der klassischen Fachmedien. Wettbewerber ist heute jeder, der sich draußen in diesem mannigfaltigen Getöse der Information platziert. Aber am Ende des Tages ist es für die Mediennutzer von essenzieller Bedeutung, dass sie demjenigen, der diese Information aussendet, auch vertrauen können. Und da sind wir mit einem riesigen Vorteil ausgestattet.
Weber: Als die DVZ 1947 gegründet wurde, war sie fast die einzige Informationsquelle für Unternehmer in Transport und Logistik, da gab es kein Internet und keine Newsletter. Heute ist es genau umgekehrt. Informationen sind im Überfluss vorhanden. Die Aufgabe der DVZ ist es nun, ein Filter zu sein und unseren Lesern die für sie relevanten Informationen zu präsentieren und einzuordnen. Wir können mit der Schnelligkeit des Internets nicht konkurrieren. Wir sind aber die ersten, die eine Einschätzung über die Auswirkung eines Ereignisses für unseren Markt geben.
Detje: Und diesen Informationsvorsprung müssen wir dann an die Leser bringen, die am Ende des Tages selbst entscheiden, über welche unserer Medienkanäle sie diese Information beziehen. Damals ist die DVZ-Printausgabe dreimal pro Woche erschienen. Heute erscheinen wir jeden Tag. Jeden Tag auf allen digitalen Kanälen und einmal pro Woche noch mal on top in Print. Das alles verschmilzt ineinander und zahlt aufeinander ein.
Sie haben jetzt schon mehrfach die junge Zielgruppe angesprochen. Welche Veränderungen sehen Sie, wenn junge Menschen immer weniger zu Printzeitungen greifen, immer weniger Newsletter abonnieren? Da muss sich in der Medienwelt und auch bei der DVZ ja erheblich was verändern.
Weber: Unser Geschäftsmodell ist eigentlich ganz einfach: Wenn jemand Entscheidungen treffen muss, um seinen Job zu machen, dann braucht er Informationen. Wir liefern sie. Unser Job als Verlag ist es auch, die Informationen so aufzubereiten, dass sie an die Nutzungsgewohnheiten der Leser angepasst sind. Nicht nur bei der jungen Zielgruppe spielen die digitalen Formate eine immer größere Rolle. Entsprechend haben wir das Medienangebot rund um die Marke DVZ in den letzten Jahren weiterentwickelt. Wichtig ist es für uns auch, die jüngeren Zielgruppen mit unserer Marke in Kontakt zu bringen. Dazu sind wir sehr viel an Universitäten, Ausbildungsstätten und auch bei Karrieremessen präsent.
Detje: Dabei kommt auch unsere Marke Blue Rocket mit ins Spiel. Denn mit der entsprechenden Webseite und dem DVZ-Instagram-Kanal können wir die jungen Leute noch mal in einer anderen Tonalität ansprechen. Wichtig ist dafür natürlich, dass wir in der Redaktion nicht nur Menschen haben, die über 30, über 40 sind. Dort arbeiten auch Digital Natives, die die richtigen Akzente setzen.
Also würden Sie der These widersprechen, dass Printzeitungen dabei sind auszusterben?
Detje: Definitiv. Sind sie nicht.
Das Angebot der DVZ ist schon heute deutlich breiter und digitaler. Aber welche Geschäftsmodelle sind in Zukunft denkbar?
Weber: Neben unseren journalistischen Inhalten werden wir in Zukunft das Angebot an datengetriebenen Informationen ausbauen. Wir werden beispielsweise Datenbanken mit Markt- und Wettbewerbsinformationen anbieten. Der Leser bekommt dann alles aus einer Hand. Das Datencenter auf der DVZ-Homepage ist ein erster Schritt in diese Richtung.
Detje: Ein weiterer Trend wird sein, dass wir unterschiedliche Stakeholder-Zielgruppen in einem Prozess zusammenbringen und versuchen, den Informationsaustausch zwischen ihnen zu maximieren. Dabei können wir unsere Marktkenntnis, unsere Neutralität und unsere Unabhängigkeit einbringen und zugleich möglicherweise Türen für die Logistik öffnen.
In welchen Bereichen kommt dies vor allem zum Tragen?
Detje: Das gilt insbesondere für die mittel- und langfristigen Themen, die uns auf der Metaebene begleiten. Also etwa Nachhaltigkeit, Urbanisierung, Digitalisierung oder auch die Veränderung unserer Arbeitswelt. Das sind alles Themen, welche die Stakeholder nur dann bewältigen können, wenn sie kooperieren. Und dafür müssen sie die Position des anderen verstehen. Genau aus diesem Grund haben wir beispielsweise mit der DVZ die Aktion „What Cities Want“ ins Leben gerufen. Wir sehen, dass sich unsere Städte verändern. Wir wissen auch, dass die Logistik in diesem urbanen Raum mit dem Wirtschaftsverkehr, der Versorgung des Einzelhandels und dem E-Commerce wichtig ist. Gemeinsam mit anderen Stakeholdern wie dem Deutschen Städte- und Gemeindebund gilt es herauszuarbeiten, welche innovative Rolle die Logistik in Zukunft spielen kann.
Welches ist aus Ihrer Sicht neben Digitalisierung und Co. das nächste Megathema in der Logistik?
Weber: Spannend ist die Frage, wie sich die globalen Supply Chains weiterentwickeln werden. Wird der Maßstab weiter global sein oder regional geclustert? Dies hat Auswirkungen sowohl auf der Beschaffungsseite, als auch auf der Absatzseite.
Detje: Bei der Frage nach der Zukunft des Global Sourcing spielen natürlich auch wieder Digitalisierung und Nachhaltigkeit eine Rolle. Erstere ermöglicht es überhaupt erst, eine größere Transparenz über die weltumspannenden Lieferketten zu bekommen. Bei der Nachhaltigkeit stellt sich die Frage, ob der Verbraucher künftig seine Äpfel nur noch aus dem Alten Land beziehen möchte und nicht mehr aus Neuseeland. Ich glaube, die Konsumenten werden auch künftig Waren aus anderen Teilen der Welt beziehen wollen. Die Aufgabe der Logistik wird es dann sein, dies nachhaltig zu gestalten. Und das kann sie. Der Knackpunkt wird allerdings sein, ob Industrie und Handel und am Ende auch wir Verbraucher bereit sind, diese Leistungen zu bezahlen.
Zum Schluss würden wir gern noch wissen, welche Geschichte Sie gern einmal in der DVZ lesen würden.
Weber: Mich würde interessieren, was Klaus-Michael Kühne bei seinen derzeitigen Investitionen antreibt. Dabei meine ich nicht den HSV. Wie schätzt er die Entwicklung der nächsten Jahre in der Logistik und der Weltwirtschaft ein?
Wir werden ihn fragen.
Detje: Mich fasziniert die Logistik der Chips, die in Taiwan hergestellt werden. Ich glaube, 65 oder 70 Prozent aller Chips weltweit werden dort hergestellt. Zudem steht Taiwan im Zentrum eines strategischen Konflikts zwischen China und den USA. Wie schaffen es Logistikdienstleister in diesem schwierigen Umfeld, die Versorgung der Welt überhaupt noch nachhaltig sicherzustellen? Das sollte die DVZ-Redaktion einmal recherchieren.