In Teilzeit Logistiker werden

Um Ausbildungswillige anzulocken, müssen sich Logistikunternehmen etwas einfallen lassen – zum Beispiel, indem sie auf die besonderen Herausforderungen junger Alleinerziehender eingehen. Die Zufall Logistik Group hat die Ausbildung in Teilzeit ausprobiert.

Um Ausbildungswillige anzulocken, müssen sich Logistikunternehmen etwas einfallen lassen – zum Beispiel, indem sie auf die besonderen Herausforderungen junger Alleinerziehender eingehen. Die Zufall Logistik Group hat die Ausbildung in Teilzeit ausprobiert. (Foto: iStock (M))

Manchmal geht es einfach nicht in Vollzeit. Etwa für Menschen, die sich um Kinder beziehungsweise pflegebedürftige Personen kümmern oder die körperlichen Einschränkungen unterliegen. Das gilt allerdings nicht nur für Berufstätige, sondern ebenso für Auszubildende. Schließlich lassen sich auch im dualen System betriebliche Arbeitszeiten oft nur schwer mit der Kinderbetreuung vereinbaren.

Bereits 2005 hat daher der Gesetzgeber im Zuge der Novellierung des Berufsausbildungsgesetz (BBiG) die Möglichkeit zur beruflichen Ausbildung in Teilzeit rechtlich verankert. Während in der Vergangenheit allerdings nur Kindererziehung, Pflege und vergleichbar schwerwiegende Gründe die Möglichkeit zur Teilzeitausbildung eröffneten, wurde diese im Zuge des Berufsbildungsmodernisierungsgesetzes im Jahr 2020 deutlich gestärkt und attraktiver ausgestaltet.

Keine reine Ausnahmelösung

Statt einer Ausnahmelösung für einen kleinen Adressatenkreis wurde beispielsweise eine Gestaltungsoption für alle Auszubildenden geschaffen, indem in der gesonderten Regelung des Paragrafen 7a BBiG die Notwendigkeit eines „berechtigten Interesses“ des früheren Paragrafen 8 Absatz 1 Satz 2 BBiG entfällt. Die Neuregelung öffnet die Teilzeitberufsausbildung seitdem auch für Personen, die nicht die bisher anerkannten Gründe anführen können, etwa Menschen mit Behinderung oder mit einer Lernbeeinträchtigung, aber auch Geflüchtete, die ihre Familie durch eine die Ausbildung begleitende Erwerbstätigkeit unterstützen wollen oder müssen.

(Foto: Zufall Logistics)

Der Weg von Anastasia Mittler

Die Suche nach einem Ausbildungsplatz war für Anastasia Mittler als Alleinerziehende gar nicht so einfach: „Ich hatte mich im Internet umgeschaut und wusste daher, dass es Teilzeitausbildungen gibt. Allerdings war kein Unternehmen aus der Logistik dabei, obwohl ich doch da arbeiten wollte“, erinnert sie sich. Weil sie aber dachte, dass das auch dort gehen müsste, bewarb sie sich bei Zufall einfach auf gut Glück auf einen entsprechenden Ausbildungsplatz. Von 2018 an absolvierte Mittler ihre Ausbildung zur Kauffrau für Spedition und Logistikdienstleistung in Teilzeit und schloss diese 2021 ab. „Den Willen dazu, sich das Wissen anzueignen, braucht man natürlich schon“, so die 32-Jährige, die deshalb statt der Gute-Nacht-Geschichte ab und zu ihrem Kind die Incoterms auf ihren Karteikarten vorlas. Etwas Umstellung bedurfte es auch bei den Kollegen: „Anfangs mussten sich die Abteilungen erst daran gewöhnen, dass mein Ausbildungstag nur sechs Stunden dauerte“, sagt sie.

Wenig bekannte Alternative

Dass diese Möglichkeit besteht, wissen allerdings nicht immer alle Beteiligten. So hatte sich bei der Zufall Logistics Group 2018 eine junge, alleinerziehende Frau auf einen Ausbildungsplatz als Kauffrau für Spedition und Logistikdienstleistung beworben. „Unser damaliger Personalleiter fragte sich, ob die Belastung nicht zu groß wäre, und bot ihr an, die Ausbildung in Teilzeit zu absolvieren“, berichtet Silke Göbel, Teamleiterin für das Bewerbermanagement/Aus- und Weiterbildung und Ausbilderin.

Dass sich diese Frau nach zweieinhalb Jahren dazu entschied, ihre Logistikausbildung abzubrechen und in einem anderen Unternehmen als Bürokauffrau fortzusetzen, änderte bei Zufall nichts. Als Anastasia Mittler sich 2019 als Alleinerziehende explizit auf einen Teilzeit-Ausbildungsplatz bewarb, war dies kein Hindernis. Und seit August 2022 gibt es mit Selina Osmanoska eine weitere Auszubildende in Teilzeit. Hier war es das Unternehmen, das der aufgrund einer Erkrankung im Rollstuhl sitzenden Schülerin dieses Teilzeitmodell vorschlug.

Allerdings ist die Teilzeitausbildung noch kein festes Element im Angebot des Logistikdienstleisters, sondern eine individuelle Regelung. „Wir entscheiden von Fall zu Fall“, berichtet Karin Hintz, Abteilungsleiterin Human Ressources und verantwortlich für die Ausbildung am Standort Haiger. Teilzeit ist im Unternehmen nicht unüblich. „Ich selbst arbeite vier Tage pro Woche“, sagt Göbel. Und Hintz räumt gleich noch ein Vorurteil aus: „Die Befürchtung, dass Alleinerziehende häufiger ausfallen, hat sich nicht bewahrheitet.“

Einige Dinge gelte es jedoch zu bedenken, merkt Göbel an. So könnten Ausbildungsveranstaltungen nur vormittags stattfinden, und auch ganztägige Weiterbildungen müsse man entsprechend organisieren. Teilzeit lasse sich zudem nicht in allen Berufsfeldern ohne weiteres umsetzen: „Im gewerblichen Bereich ist das für uns derzeit schwer vorstellbar.“ Insgesamt aber fällt das Resümee positiv aus: „Auch wenn das Modell sicher nicht das Problem des Fachkräftemangels lösen wird, sollte es bekannter werden“, sagt Göbel.

(Foto: Zufall Logistics)

Der Weg von Selina Osmanoska

„Als ich mich bei der Zufall Logistics Group für einen Ausbildungsplatz als Kauffrau für Spedition und Logistikdienstleistung bewarb, wusste ich gar nicht, dass ich die Ausbildung auch in Teilzeit machen kann“, berichtet Selina Osmanoska, die aufgrund einer Erkrankung im Rollstuhl sitzt. „Und auch in meinem Umfeld war das so.“ Hier war es das Unternehmen Friedrich Zufall, welches ihr diesen Weg vorschlug. Bei Osmanoska sei es vor allem darum gegangen, ihr aufgrund des Handicaps eine zeitliche Erleichterung zu verschaffen, erklärt Göbel. „Und trotz Bürokratie war dann die behördliche Unterstützung durch das zuständige Integrationsamt sehr gut.“

Über das Angebot musste Osmanoska nicht lange nachdenken: „Ich habe mit der Familie darüber gesprochen und mich dann schnell entschieden.“ Große Unterschiede im Vergleich zu den Vollzeit-Azubis hat die 19-Jährige bisher nicht festgestellt: „Die Inhalte werden anderen genauso beigebracht wie mir.“

Bessere Work-Life-Balance

Bei der Koordinierungsstelle Weiterbildung und Beschäftigung (KWB) in Hamburg, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Teilzeitausbildung als alternatives Ausbildungsmodell in Hamburg bekannter zu machen und auszuweiten, positioniert man sich sehr deutlich: „Wer heutzutage immer noch nicht in Teilzeit ausbildet, wird künftig starke Probleme haben, Ausbildungsplätze überhaupt noch besetzen zu können. Die Teilzeitausbildung ist familienfreundlich, modern und steigert die Arbeitgeberattraktivität“, stellt KWB-Projektleiterin Christine Robben fest, und geht noch einen Schritt weiter: „Work-Life-Balance ist einer der wichtigsten Faktoren für junge Menschen, die in den Beruf einsteigen, unabhängig davon, ob sie Familienverantwortung haben oder nicht.“

Das Potenzial der Teilzeitausbildung schätzt man bei der KWB sehr hoch ein, da es seit 2020 auch für Menschen mit besonderen individuellen Lebensumständen und Verpflichtungen offen sei. Zudem habe eine Teilzeitausbildung einige Vorteile für die Unternehmen. So seien die Teilzeitauszubildenden erfahrungsgemäß besonders motiviert und engagiert und brächten ein gewisses Maß an Lebenserfahrung mit. Zudem könne das Angebot einer Teilzeitausbildung gerade kleineren Unternehmen helfen, das Nachwuchsproblem in den Griff zu bekommen. (ben)

Eckpunkte

  • Eine Ausbildung in Teilzeit qualitativ gleichwertig gegenüber einer in Vollzeit absolvieren.

  • Während der Berufsschulunterricht und Lehrgänge in Vollzeit stattfinden, kann die Arbeitszeit im Betrieb um maximal 50 Prozent reduziert werden. Meist sind es 20 bis 35 Wochenstunden.

  • Die Teilzeitregelung kann sich dabei auch auf einen bestimmten Zeitraum beschränken oder nach Ausbildungsbeginn durch Vertragsänderung vereinbart werden.

  • Die Ausbildungsdauer wird zeitlich gestreckt, aber auf höchstens das Eineinhalbfache. Eine Verkürzung ist möglich.

  • Die Ausbildungsvergütung wird anteilig gekürzt.

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