Johannes Berg: „Die Hamburger Start-up-Szene hat ein neues Stadion“
Was hat die Hamburger Start-up-Szene mit dem HSV und Borussia Mönchengladbach zu tun? Das verrät Johannes Berg, Geschäftsführer und Kapitän des Digital Hub Logistics in Hamburg, im DVZ-Interview.
DVZ: Herr Berg, am 8. November fand die Eröffnung des „neuen“ Digital Hub Logistics in der Hamburger Speicherstadt statt. Wie lautet Ihr Fazit?
Johannes Berg: Das war für mein ganzes Team und mich tatsächlich ein Tag, auf den wir stolz zurückblicken können. Zum einen, weil es quasi die Vision war, auf deren Verwirklichung wir die ganzen letzten vier Jahre hingearbeitet haben. Und zum anderen, weil an dem Tag auch technisch alles wunderbar funktioniert hat und die Gäste, glaube ich, alle sehr zufrieden und begeistert von dem neuen Speicher waren.
Wann wird der Umzug in den neuen Speicher abgeschlossen sein?
Der erste Teil ist schon Anfang Oktober vonstattengegangen. Aktuell haben wir nur zwei der insgesamt fünf Stockwerke in Betrieb genommen, was im Nachhinein ein Segen war, glaube ich. Auf den letzten Metern musste dann für die Eröffnung mal die eine oder andere Nachtschicht her, aber es hat alles gut geklappt. Der zweite Teil des Umzugs findet dann in der ersten Januarwoche statt.
Viele sehen Sie als das Gesicht des Hubs. Nehmen Sie das selbst auch so wahr?
Wenn man von außen draufschaut, dann ist das sicherlich so. Das hat wahrscheinlich damit zu tun, dass ich hier damals allein mit Karl-Heinz Piotrowski angefangen habe, als der Hub in seiner Größe eher klein war. Aber eigentlich ist es so, dass das Hub-Team den Hub trägt und nicht ich, das ist mir ganz wichtig zu betonen. Die hätten das alles hier auch ohne mich hingekriegt, ich aber nicht ohne sie. Und das wird auch für die Zukunft immer wichtiger. Die Unternehmenspartner, die ganze Logistik-Community und die Start-ups geben dem Hub ihr Gesicht und werden das auch in Zukunft immer stärker tun. Ich bin bis jetzt eher so der Kapitän gewesen und das auch weiterhin gerne, aber das Ganze muss sich auf mehrere Schultern verteilen. Je größer ein Unternehmen und Ökosystem wird, desto stärker muss eine Führungsmannschaft in den Vordergrund treten und weniger eine einzelne Person.
Sie sind nicht nur Kapitän, sondern auch „Sohn“ der Logistik-Initiative Hamburg, wie bei der Eröffnungsfeier zu hören war.
(lacht) Ja, meinen Eltern habe ich das noch gar nicht erzählt. Man kann diese Sohn-Analogie natürlich so interpretieren, dass man dem kleinen Jungen geholfen hat, laufen zu lernen. Und auch wenn der Sohn zwischenzeitlich mal pubertär und nicht ganz einfach zu erziehen war, hat das Team der Logistik-Initiative mich und den Hub immer unterstützt und mir vertraut. Ohne ihren Mut, den Hub zu gründen, gäbe es ihn so nicht. Dafür bin ich sehr dankbar!
In einem Interview im Jahr 2020 haben Sie die Hamburger Logistik-Start-up-Szene mit dem Fußballverein Borussia Mönchengladbach verglichen. Würden Sie das heute auch noch so unterschreiben?
Das habe ich gesagt? Gut, die letzte Saison von Borussia Mönchengladbach war jetzt eher durchschnittlich. Ich will mich auch nicht wieder auf Fußballvergleiche einlassen, an die ich mich nächstes Jahr nicht mehr erinnern kann. Aber ich denke, dass die Start-up-Szene in Hamburg dem derzeit eingeschlagenen Weg des HSV vielleicht gar nicht so unähnlich ist. Zum Beispiel durch die Art, wie sich Start-ups hier ausprobieren, sich Dinge trauen, auf junge Talente setzen und es auch mal hinnehmen, wenn man verliert, statt gleich den Trainer zu wechseln. Ich hoffe, dass die Aussage bei Veröffentlichung des Interviews noch stimmt (lacht). Auf jeden Fall hat die Logistik-Start-up-Szene hier in Hamburg ein Stadion, das in der 1. Liga spielt und um das uns so mancher in Deutschland beneidet – den Hub!
Wie sehr beeinflussen aktuelle Krisen die Hamburger Start-up-Szene?
Egal, wo ich bisher unterwegs gewesen bin, war durchweg eine sehr, sehr positive Stimmung nach dem Motto: Jetzt erst recht. Von daher ist die Stimmung seit dem 24. Februar gar nicht so viel schlechter geworden, als man das denken könnte. Ich glaube aber, dass die Vorzeichen für die kommenden Jahre nicht unbedingt rosig sind. Finanzierungen werden schwieriger. Irgendwann sind auch die ganzen Corona-Recovery-Fonds ausgezahlt, und viele Start-ups, die dadurch ihre Lebenszeit verlängert bekommen haben, stehen dann härter im Wind. Ich bin aber überzeugt, dass die richtig guten Start-ups weiterhin Geld kriegen werden. Aber so war es im Start-up-Bereich immer, und so sollte es auch bleiben: Survival of the fittest!
Ist es gerade ein schlechter Zeitpunkt, um zu gründen oder große Deals abzuschließen?
Ich bin da ein hoffnungsloser Optimist. Es gibt nie einen schlechten oder auch den perfekten Zeitpunkt. Klar ist das eine abgedroschene Plattitüde, dass es gerade in der Krise große Chancen gibt. Aber ich glaube, man sollte sich nicht davon leiten lassen, ob die Zeit gerade passend ist oder ob sie im letzten Jahr passender gewesen wäre. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt, und den Mutigen lächelt das Glück – um noch ein paar Plattitüden draufzulegen.
Was wünschen Sie sich von der Politik für die Start-up-Szene?
Ich bin ein bisschen davon abgekommen, anderen hinterherzulaufen und wie ein Evangelist meine Thesen des Innovationsmanagements in der Logistik zu verbreiten. Wir haben jetzt einen supertollen Ort für den Hub, mit Köpfen voller Ideen. Von der Politik wünsche ich mir in der Hinsicht einfach nur, dass sie klarer analysiert. Was für Initiativen machen Sinn? Nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich und technologisch. Wie kann man diese Initiativen gezielt unterstützen? Und wie schafft man ein Regelwerk, damit Start-ups in diesem unfassbar starken Kampf um Talente auch in Deutschland in der Lage sind, die kreativen Köpfe zu halten und zu gewinnen? Und für Hamburg wünsche ich mir tatsächlich etwas mehr FC-Bayern-Mentalität, um zurück zur Fußball-Analogie zu kommen: Wir dürfen uns nicht auf dem Erreichten ausruhen, sondern müssen gierig sein auf das, was noch kommt!
Das heißt, der Hub soll nach dem großen Wachstumssprung auf 3.200 Quadratmeter noch größer werden?
Ich glaube, vom Räumlichen her ist das jetzt vorerst mal die Endausbaustufe. Jetzt müssen wir schauen, wie wir noch mehr von der Quantität zur Qualität kommen: Wie können wir die Start-up-Betreuung noch gezielter mit Blick auf unser Investorennetzwerk ausbauen? An sich schaue ich aber nicht weiter als zwölf Monate in die Zukunft. Einer meiner ehemaligen Werkstudenten hat mal geflachst, irgendwann gäbe es dann das „Hub-Viertel“. So weit würde ich jetzt nicht gehen wollen (lacht), aber auf der anderen Seite haben vor vier Jahren auch viele Menschen bei der Vision eines ganzen Speichers den Kopf geschüttelt.