Ein Jahr Ukraine-Krieg: Wie Logistiker die Lieferketten aufrechterhalten

Am Freitag jährt sich der russische Überfall auf das Nachbarland. Die DVZ hat bei Logistikern, die in der Region noch aktiv sind, nachgefragt, wie es trotz des andauernden Konfliktes gelingt, Transporte zu organisieren und die Logistik abzuwickeln.

Am Freitag jährt sich der Überfall Russlands auf die Ukraine. Die DVZ hat sich daher unter Logistikern umgehört, inwieweit es noch möglich ist, Transporte von und nach der Ukraine abzuwickeln und logistische Dienstleistungen vor Ort anzubieten.

Raben musste das Netz ausdünnen

Unter „deutlich erschwerten Bedingungen“ betreibt die Raben Group ihr Stückgutnetz in der Ukraine. Mal falle der Strom aus, mal müssten die Mitarbeiter aufgrund eines Sirenenalarms in die Bunker, mal sei die Infrastruktur nur eingeschränkt nutzbar, beschreibt Unternehmenschef Ewald Raben die nicht planbaren Bedingungen. Dies alles führe dazu, dass sehr flexibel reagiert werden müsse und die eigentlichen Laufzeiten von 24 bis 72 Stunden nicht immer eingehalten werden könnten.

"Einige Produktionsstandorte sind aufgrund von Angriffen nicht mehr aktiv." Ewald Raben, CEO der Raben Group

Schon 2014 hatte Raben im Zuge des Konflikts im Donbass die Niederlassung in Donezk schließen müssen. Nach Beginn des Kriegs mussten zwei weitere Depots aufgegeben und die Ostukraine vom Netz genommen werden, sagt Raben. Inzwischen besteht es aus sechs eigenen Niederlassungen sowie acht Dienstleistern in der Verteilung. Von den noch 450 Raben-Beschäftigten seien derzeit etwa 50 beim Militär tätig, einige Fahrzeuge mussten ebenfalls abgegeben werden.

Zudem sei das Aufkommen zurückgegangen. Dies betreffe vor allem hochwertige Lebensmittel, aber auch verschiedene Industriegüter – denn „einige Produktionsstandorte sind aufgrund von Angriffen nicht mehr aktiv“, so Raben. Den Umsatzverlust durch den Krieg beziffert er auf 40 Prozent.

Fiege kämpft mit Fahrerknappheit

Der Grevener Logistiker Fiege berichtet, dass internationale Transporte deutlich komplizierter und teurer geworden seien. Es würden so gut wie keine Lkw-Fahrer aus der EU in die Ukraine fahren; die Transporte würden größtenteils von ukrainischen Unternehmen übernommen. Zudem gebe es vor Ort viele Einschränkungen für die Fahrer, beispielsweise wenn sie das Land verlassen wollen. Ein Lösungsansatz sei es daher, Fahrer mit doppelter Staatsbürgerschaft einzusetzen.

Auch Fiege hat einen Mengenrückgang verbucht. Im ersten und zweiten Quartal 2022 sei dieser gravierend gewesen, in der zweiten Jahreshälfte hätten sich die Volumina nach dem Rückzug der Russen zumindest in der Region Kiew stabilisiert.

Hellmann nutzt Starlink

Der Osnabrücker Logistiker Hellmann beschäftigt in der Ukraine 35 Mitarbeitende in zwei Niederlassungen und ist seit Mai vergangenen Jahres „zumindest eingeschränkt wieder operativ tätig“, sagt Piotr Zaleski, Regional CEO East Europe. Dabei leide die Logistik aber darunter, dass vor allem in der Ostukraine sowie in den wieder befreiten Gebieten die Infrastruktur, einschließlich der Umschlag- und Distributionsstrukturen, stark beschädigt oder sogar völlig zerstört sei.

Zusätzlich erschwert werde die Situation durch Stromausfälle sowie Störungen des Mobilfunknetzes und des Internets, so der Manager. Hellmann arbeite daher mit großen Speicherbatterien und Generatoren und nutze das Starlink-Satellitensystem von Unternehmer Elon Musk für die Kommunikation.

Eine weitere Herausforderung seien die Transportversicherungen. Ukrainische Unternehmen könnten derzeit nur lokale Versicherer finden, die keinen Zugang zu internationalen Rückversicherern haben. Gütertransportpolicen seien entsprechend teuer – bei gleichzeitig geringeren Haftungshöchstsummen seitens der Versicherer. Infolgedessen seien Import- und Exportaktivitäten auf allen Verkehrsträgern dauerhaft gehemmt. Dies ist umso betrüblicher, da laut Zaleski „immer mehr Kunden Warenlieferungen in die Ukraine aufnehmen möchten“.

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