Supply Chains: Nur Firefighting reicht nicht

Lieferketten sollen resilienter werden. Während einige Unternehmen noch auf Puffer setzen, gehen es andere bereits strategischer an.

Von links: Journalistin Ursula Weidenfeld diskutierte am Mittwoch in Berlin mit Armin Köller (Metro Logistics), Christine McKechnie (Coupa Software), Marie Niehaus-Langer (EOS) und Klaus Buchwald (Infineon). (Foto: Dierk Kruse)

In einer Podiumsdiskussion auf dem Deutschen Logistik-Kongress ging es am Mittwoch in Berlin unter anderem um das Thema Resilienz, also wie Lieferketten widerstandsfähiger gegen Störungen gemacht werden können. Armin Köller, CEO von Metro Logistics Germany, hält es für wichtig, nicht nur Firefighting zu betreiben, sondern auch zu versuchen, nachhaltige Lösungen zu entwickeln. So sieht es auch Klaus Buchwald, Vice President Operations beim Halbleiterhersteller Infineon. Zum einen gehe es zum Beispiel um alternative Lieferanten oder eben gewisse Überkapazitäten an Stellen, wo keine zweite Lieferquelle vorhanden ist. Zum anderen gelte es aber natürlich auch, die Fähigkeit zu entwickeln, auf Störungen reagieren zu können. „Denn man kann einfach nicht alles vorhersehen oder sich auf jedes Szenario vorbereiten“, sagte Buchwald.

Als Beispiel nannte er den im März verhängten Corona-Lockdown in Shanghai. Alle Lieferpartner in China müssten ihren Fertigungsauftrag im SAP-System finalisieren, indem sie ins Lager in Shanghai liefern. Während des Corona-Lockdowns war dieses Lager aber nun plötzlich nicht mehr verfügbar. So musste sich laut Buchwald eine Gruppe von Spezialisten zum einen darum kümmern, dass die Waren rein buchungstechnisch nicht mehr in Shanghai abgeschlossen werden können, sondern in den Lagern in Singapur und in Frankfurt/Main. Zum anderen galt es, den Luftfrachttransport an diese Standorte zu organisieren. Dieses Firefighting sei wichtig. Es sei aber eben auch wichtig, aus solchen Situationen längerfristig etwas zu lernen, also Krisen auch zu reflektieren, „um letztlich in der Robustheit noch eine Stufe höher zu gehen“, sagte der Infineon-Manager.

Einen Trend zur Deglobalisierung beobachtet Buchwald in seiner Branche bisher nicht. Er sehe aber ein Bedrohungspotenzial in einem möglichen Konflikt zwischen China und Taiwan, und zwar für die gesamte Wirtschaft. Daher sei es richtig und wichtig, Halbleiterprodukte wieder verstärkt in Europa und den USA zu produzieren. Auch Köller sieht im Geschäft des Großhandelskonzerns Metro derzeit keine dramatischen, sondern lediglich punktuelle Veränderungen in den Lieferketten. Der eine oder andere Standort fällt als Herstellerland weg, aus wirtschaftlichen oder auch aus ethischen Gründen, wie er sagte. „Aber schaue ich in unser Produktportfolio von mehr als 100.000 Artikeln, ist vielleicht eine Zahl im einstelligen Prozentbereich betroffen.“

Für Kontraktlogistiker unattraktiv

Metro Logistics bietet seine Dienstleistungen inzwischen auch außerhalb des Konzerns an. Gefragt gewesen seien zuletzt allerdings vor allem Überlaufflächen, also Pufferflächen für eine Laufzeit von sechs bis neun Monaten. Das sei aber kein attraktives Geschäft für einen Kontraktlogistiker, merkte Köller an.

Der Cloud-Softwareanbieter Coupa arbeitet viel mit Kunden aus den Branchen Elektronik und Bekleidung zusammen. Die Firmen dort hätten aktuell noch immer mit der Verfügbarkeit von Lagerflächen zu kämpfen, sagte Coupa-Managerin Christine McKechnie. Andere Branchen wie die Pharmaindustrie zum Beispiel redeten bereits mehr darüber, wie man künftig besser vorbereitet sein kann auf Störungen. Dies betreffe dann die gesamte Lieferkette inklusive des Transports. Es gehe sehr viel um zusätzliche Optionen. Als Beispiel nannte McKechnie eine vermehrte China-plus-eins-Strategie in der Beschaffung.

Infineon-Manager Buchwald beschreibt die Situation bei seinen Kunden so: „Der Bedarf an Lagerkapazitäten ist zwar gestiegen, aber gleichzeitig wird immer noch der ‚goldenen Schraube‘ hinterhergelaufen. Wenn von 100 Teilen nur 99 auf Lager liegen, kann das Endprodukt trotzdem nicht produziert werden.“

An der Runde nahm auch Marie Niehaus-Langer, CEO des Unternehmens EOS teil. Electro Optical Systems ist ein Anbieter für industriellen 3D-Druck. „Kunden von uns investieren zunehmend in digitale Ersatzteillager“, sagte sie. Dieser Trend habe während der Pandemie noch einmal an Fahrt gewonnen. In Sachen Resilienz betonte sie: „Wir brauchen alle eine gewisse Agilität im Unternehmen und in den Köpfen.“ Ob Unternehmensführung oder Mitarbeiter: Veränderungen müssten für alle okay sein. „Idealerweise folgt alles einem Plan. Aber das ist nicht die Realität“, fügte sie hinzu.

Voraussetzung: Demokratie

Der Angriff Russlands auf die Ukraine habe bei EOS bewirkt, dass das Unternehmen nun geopolitische Dynamiken sehr ernst nehme, betonte Niehaus-Langer zudem. 3D-Druck ist eine Dual-Use-Technik. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass sie auch für militärische Zwecke genutzt wird. Das Unternehmen wolle daher konsequent nur Aufträge von Kunden aus Ländern annehmen, in denen es ein demokratisches Grundverständnis gibt. Das setze allerdings voraus, dass Vertriebsmitarbeiter intensiv geschult werden, weshalb EOS eine Initiative „Know your customer“ auf den Weg gebracht habe.

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