BVL-Chef sieht Lieferketten „im dramatischen Wandel“
In seiner Eröffnungsrede zum Deutschen Logistik-Kongress sprach Prof. Thomas Wimmer von einer Zeit der Zukunftsängste, der Irrationalitäten sowie der zunehmend nationalen Egoismen. Chinas Rolle als Fabrik der Welt sieht er „nachhaltig gefährdet“, gerade auch wegen der strikten No-Covid-Politik des Landes. „Immer mehr Firmen wandern nach Südostasien in die ASEAN-Staaten aus“, konstatierte der Vorstandsvorsitzende der Bundesvereinigung Logistik (BVL).
Warenströme und Wertschöpfungsketten seien im dramatischen Wandel. „Und auch in Europa befinden wir uns in einem Wandel“, ergänzte er mit Blick auf Russlands Angriffskrieg. Der Krieg bedeute Schreckliches für die direkt Betroffenen in der Ukraine, aber sei auch eine Zeitenwende für alle europäischen Staaten.
„Friendshoring of Knowledge“
„Logistik ist das Rückgrat unserer freien und freiheitlichen Gesellschaft“, betonte Wimmer weiter. Es sei wichtig, sich in solchen Situationen auszutauschen. Deshalb rief er auf zu einem „Friendshoring of Knowledge“. Mit dem Begriff Friendshoring ist derzeit in der Supply-Chain-Welt eigentlich gemeint, Lieferketten in vertrauenswürdige Länder zu verlagern, die bestimmten Prinzipien und Regeln folgen – quasi als Ergänzung zum Reshoring, bei dem es um das Zurückholen von Produktionskapazitäten geht. Wimmer nannte die Zahl von insgesamt 120 „Inspiratoren“, also Fachleuten, die in Vorträgen, Diskussionen und Sessions bis zum Freitag in Berlin Wissen und Erkenntnisse vermitteln werden.
Mit Bezug auf das diesjährige Kongressmotto „Supply Chains matter!“ sagte Wimmer: „Verfügbarkeit ist die neue Währung, Flexibilität geht vor Kosten, Dual und Multiple Sourcing sind die Gebote der Stunde, manche sagen: koste es, was es wolle.“ Und weiter: „Ernsthafte Nachhaltigkeit spielt eine immer größere Rolle – in unserem täglichen Tun, in den Strategien, aber auch in der Wahrnehmung von Politik und Gesellschaft.“
Startschuss für digitalen Lieferschein
Der BVL-Chef ging auch auf ein Projekt ein, das die BVL gemeinsam mit der Standardisierungsorganisation GS1 Germany vorangetrieben hat: den digitalen Lieferschein. Man habe bereits 40 Partner an Bord, weitere kommen dazu, sagte Wimmer. Im Sommer 2021 sei der entworfene digitale Lieferschein in der Praxis bereits erfolgreich erprobt wurden. „Am 30. Oktober 2022 werden wir nun live gehen“, kündigte der Vorstandsvorsitzende der BVL in Berlin an.