Rouvia: „Nachhaltigkeit wird nur berücksichtigt, wenn die Kosten stimmen.“
Transporte mit dem klassischen Diesel-Lkw verursachen rund 10 Prozent der globalen CO2-Emissionen. Trotzdem kann nach der von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) vorgestellten Verkehrsprognose von einer Wende zugunsten anderer Verkehrsträger in den kommenden Jahren keine Rede sein. Die angedachte Verkehrsverlagerung geht nur schleppend voran, multimodale Transportplanungen gelten als komplex und zeitaufwendig, die Vorteile rücken oft in den Hintergrund.
Eine Beobachtung, die auch Benjamin Noyan und Fuad Becirbasic, Gründer des Berliner Start-ups Rouvia, gemacht haben. Mit ihrem selbst entwickelten Frachtmanagementsystem wollen sie ein Umdenken in der Branche zugunsten des Intermodalverkehrs bewirken. Ziel der Plattform ist es, Landverkehrsträger nahtlos miteinander zu verbinden und Transportoptionen vergleichbar zu machen.
„So wollen wir die Vorteile nachhaltiger Transporte in den Vordergrund rücken“, betont Noyan, CEO von Rouvia. Innerhalb weniger Sekunden berechnet der Routen-Algorithmus des 2021 gegründeten Start-ups alle denkbaren Transportwege via Lkw, Bahn oder Binnenschiff – beruhend auf den Daten von mittlerweile 30.000 europaweit integrierten Frachtführern. Angezeigt werden sowohl freie Kapazitäten als auch Preise, Transportzeiten sowie das CO2-Einsparungspotenzial im Vergleich zum reinen Lkw-Transport.
Ein Geschäftsmodell, das bereits namenhafte Investoren aus der Branche angelockt und dem Jungunternehmen in einer Finanzierungsrunde Ende vergangenen Jahres 2,9 Millionen Euro frisches Kapital beschert hat. Zu den Geldgebern gehören neben dem Berliner Frühphaseninvestor Cavalry Ventures und dem auf Logistik spezialisierten Investor Dynamo Ventures aus Tennessee (USA) auch die Gründer von Flexport sowie Philipp Ortwein, Maximilian Schäfer und Markus Doetsch (Gründer von Instafreight), Jens Lapinski von Angel Invest, Ewald Kaiser (ehemaliger COO von DB Schenker), Nathan Zielke (ehemaliger Vorstand von SBB & Rail Cargo Austria) und Marian Pufahl (Direktor von Project44).
Kosten versus Nachhaltigkeit
Dass die Logistikbranche gerade in Zeiten der Corona-Pandemie und des Krieges in der Ukraine mit mehreren Krisen gleichzeitig zu kämpfen hat, ist allgemein bekannt. Der Haken: Bekämpft wird stets das Problem, das sich gerade besonders akut in den Vordergrund drängt.
„Nachhaltigkeit ist eine Aufgabe, die sich viele Logistiker und Spediteure groß auf die Fahne schreiben. Aber meistens wird das Thema nur berücksichtigt, wenn die Kosten stimmen“, beobachtet Noyan. Trotz des Klimawandels sei Nachhaltigkeit noch immer kein Entscheidungsmerkmal für die Transportplanung. „Haupttreiber sind derzeit die Kosten.“
Digitalisierung verschlafen
Damit das Geschäftsmodell von Rouvia funktioniert, ist das Start-up neben der allgemeinen Bereitschaft allerdings auch auf den Digitalisierungsstand in den Unternehmen angewiesen. Ein Thema, für das die Logistik immer wieder hart in der Kritik steht.
„Wir arbeiten nicht mit Partnern zusammen, welche die Integration unseres Systems nicht ermöglichen. Exceldateien, tonnenweise E-Mails und Fax-Sendungen bringen uns nicht weiter“, ist Noyan überzeugt. „Effizienzen lassen sich nur über den digitalen Austausch von Echtzeitdaten und automatisierte Prozesse generieren.“
Die Lösung des Jungunternehmens lässt sich in bestehende TMS-Systeme integrieren. Sobald ein Unternehmen die Dienstleistungen von Rouvia in Anspruch nimmt, werden auch Schnittstellen zu allen Operateuren auf der Schiene und in der Binnenschifffahrt aufgebaut, mit denen der neugewonnene Kunde zusammenarbeitet. So wächst die Datenmenge, auf deren Grundlage Transportoptionen berechnet werden, stetig an. Auch die Buchung kann per Mausklick direkt über die Plattform des Start-ups durchgeführt werden – sofern die technische Infrastruktur der jeweiligen Unternehmen dies zulässt. Auch auf Verspätungen oder Transportausfälle sollen die Kunden dank digitaler Warnungen spontan reagieren können, beispielsweise durch Alternativrouten und kurzfristige Umbuchungen.
„Die Schiene hat die Digitalisierungswelle verschlafen, weil die Operateure und die EVU nicht stark genug am Kunden gearbeitet haben. Gleiches gilt für die Schieneninfrastruktur“, kritisiert Noyan. Um das zu ändern, brauche es viel Geld und Fördermittel. Auch die Infrastruktur und die vorhandenen Kapazitäten seien für eine Verkehrsverlagerung im großen Stil nicht ausgelegt. „Die Politik will nachhaltige Transporte unbedingt fördern, aber ihre Taten stehen nicht wirklich hinter dieser Aussage.“
Große Pläne
Obwohl das Jungunternehmen derzeit noch daran arbeitet, den gesamten europäischen Markt zu erschließen, gehen die Pläne schon jetzt weit darüber hinaus. „Langfristig wollen wir auch Regionen wie beispielsweise Eurasien abdecken – sofern bis dahin die Datengrundlage stimmt“, so Noyan. Klar ist aber schon jetzt: Rouvia will ein reines Softwareunternehmen bleiben und Prozesse wie Zahlungsabwicklungen beim bilateralen Kontakt zwischen Spediteur und Frachtführer belassen.
„Die Politik will nachhaltige Transporte fördern, aber ihre Taten stehen nicht hinter dieser Aussage." Benjamin Noyan, CEO von Rouvia