Krieg trifft deutsche Autoindustrie

Die Branche rechnet mit weiteren Beeinträchtigungen bei der Produktion von Fahrzeugen in Deutschland. Wie der Verband der Automobilindustrie (VDA) am Mittwoch mitteilte, könne der Umfang aktuell noch nicht beziffert werden. Mehrere deutsche Autohersteller hatten bereits von Produktionsunterbrechungen berichtet.

Mercedes-Benz-Werk Moscovia: In der Region Moskau produziert der Autobauer seit 2019 für den lokalen Markt. (Foto: Mercedes-Benz Group)

Die Folgen des Ukraine-Kriegs könnten die deutsche Autoindustrie schwer treffen. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) erklärte am Mittwoch, ein verlässlicher Ausblick sei schwierig: „Fest steht aber: Es wird zu weiteren Beeinträchtigungen bei der Produktion von Fahrzeugen in Deutschland kommen.“ Grund ist, dass wichtige Teile fehlen und es zu einer Knappheit bei Rohstoffen kommen könnte. Mehrere deutsche Autohersteller hatten bereits von Produktionsunterbrechungen berichtet.

So stehen in den BMW-Werken München, Dingolfing und Steyr sowie in den Mini-Werken in Oxford und in den Niederlanden nächste Woche die Bänder still, weil Kabelbäume aus der Ukraine fehlen, wie ein Sprecher des Autokonzerns am Mittwochabend in München sagte. Von Problemen hatte zuvor auch der VW-Konzern berichtet.

Mercedes-Benz arbeite unter anderem mit Zulieferern in der Ukraine zusammen, die verschiedene Komponenten lieferten, teilte der Autobauer mit. „Wir beobachten die Situation genau und sind in engem Kontakt mit unseren Lieferanten, um gemeinsam intensiv an Lösungen zur Absicherung unserer Lieferketten zu arbeiten.“ Dazu gehöre unter anderem auch die Verlagerung von Produktionsumfängen an andere Standorte der Zulieferer. Zudem werde von der kommenden Woche an vorübergehend die Schichtplanung in einzelnen Werken angepasst. Ausfälle sollten „bestmöglich“ vermieden werden, teilte das Unternehmen am Mittwochabend mit und betonte: „Derzeit laufen unsere Werke weltweit.“ Mercedes-Benz stellt seine Exporte nach Russland sowie die Fertigung dort zunächst ein, hatte der Autobauer außerdem mitgeteilt.

„Die Hersteller und Zulieferer arbeiten mit Hochdruck daran, die Ausfälle und Behinderungen in den Lieferketten zu kompensieren und Alternativen hochzufahren“, so der VDA. „Eine Fortsetzung der Produktion an alternativen Standorten liegt im Interesse der Kunden, der Beschäftigten, der Unternehmen und eines starken Wirtschaftsstandorts Deutschland und Europa.“

Die Kriegshandlungen Russlands führten zur Unterbrechung von Lieferketten, teilte der Verband mit. Der Transport sei eingeschränkt, die Produktion in Zulieferbetrieben falle aus. Kurzfristig ergebe sich eine Reduzierung der Zulieferung von Kabelbäumen. „Bei den Kabelbäumen handelt es sich um ein komplexes und teils für jedes Fahrzeugmodell individuell angefertigtes Bauteil. Hier gibt es kaum Lagerbestände.“ Neben Tunesien versorge vor allem die Ukraine europäische Hersteller mit diesem Bauteil. Die Produktion könne nicht kurzfristig umdisponiert werden.

Zwei Leoni-Werke stehen still

Der Nürnberger Autozulieferer Leoni versucht, den durch die Schließung zweier ukrainischer Werke bedingten Produktionsausfall auszugleichen. „Wir arbeiten – in enger Zusammenarbeit mit unseren Kunden und Lieferanten – mit Hochdruck daran, die Folgen der momentanen Produktionsunterbrechungen in unseren beiden Werken in Stryi und Kolomyja, ausgelöst durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, für alle Beteiligten bestmöglich zu beherrschen“, teilte das Unternehmen am Mittwoch mit. In den beiden derzeit stillstehenden Werken sind normalerweise 7.000 Mitarbeiter im Einsatz.

Die Produktionsausfälle in der Ukraine bei Leoni und mehreren anderen Zulieferern hätten Folgen für die Verfügbarkeit von Teilen insbesondere in der europäischen Autoindustrie. Unter Berufung der ukrainischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft Ukraineinvest seien in dem Land 22 ausländische Unternehmen ansässig, die in 38 Fabriken Teile für die Autoindustrie fertigten. Darunter befänden sich neben Leoni auch weitere Hersteller von Bordnetzsystemen.

Der VDA rechnet außerdem langfristig mit einer Knappheit und einem Preisanstieg bei Rohmaterialien. Dies betreffe vor allem die Rohstoffe Neongas, Palladium und Nickel. Die Ukraine sei einer der wichtigsten Neon-Lieferanten. „Wir erwarten Auswirkungen auf die europäische Halbleiterproduktion, da Chips bereits jetzt Mangelware sind. Bei der Halbleiterproduktion kommen Hochleistungs-Laser zum Einsatz, die unter anderem das Edelgas benötigen.“

Zum anderen könnte Palladium aus Russland für Katalysatoren fehlen. Etwa ein Fünftel des nach Deutschland importieren Palladiums komme aus Russland. Ein wichtiger Rohstoff zur Produktion von Lithium-Ionen-Batterien sei Nickel. „Damit ist dieser Rohstoff unersetzbar für den Hochlauf der Elektromobilität“, so der Verband. Russland sei unter anderem ein wichtiges Förderland für Nickelerz.

Die deutschen Autohersteller und Zulieferer unterhalten laut VDA über 40 eigene Fertigungsstandorte in Russland und 6 in der Ukraine. Zudem gebe es weitere internationale Werke, die Komponenten zuliefern.

Außerdem hieß es, Lieferketten zum Beispiel nach und aus China gerieten unter Druck, weil auch die Landwege durch die Krisenregion einen Transport zunehmend ausschließen. Auswirkungen der westlichen Finanzsanktionen gegen Russland würden auch die Autoindustrie betreffen, so der Verband. Die handelspolitischen Auswirkungen für die Branche seien noch nicht genau abzusehen. (dpa/cs)

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