Bluebox Systems: Tracking über den Wolken
Visibility-Plattformen haben in den vergangenen Jahren einen Boom erlebt. Beflügelt wurde dies durch geopolitische Spannungen, die sich auf die weltweiten Lieferketten teilweise massiv ausgewirkt haben.
„Dass Supply Chains nicht reibungslos funktionieren, ist seit einiger Zeit ein Dauerthema. Auf der anderen Seite werden sie aber immer wichtiger für den Geschäftserfolg von Unternehmen. Von daher wird auch das Thema Transparenz immer wichtiger“, beobachtet Martin Schulze, CEO des Bonner Start-ups Bluebox Systems. Vor rund eineinhalb Jahren hat das Jungunternehmen das Echtzeit-Trackingtool „BlueBoxAir“ auf den Markt gebracht.
„Viele Player haben sich auf die Seefracht und den Landverkehr gestürzt, weil das die größeren Märkte sind. Wir haben uns daher gezielt auf den Luftfrachtmarkt konzentriert, auch wenn er technisch und inhaltlich recht komplex ist“, sagt der 49-Jährige.
Zu den Kunden des Jungunternehmens gehört neben Siemens Digital Logistics und Transporeon auch Hellmann Worldwide Logistics. Der Logistikkonzern bietet die Lösung des Start-ups mittels White-Label-Lösung als „SmartAir!“ seinen Kunden an. Diese können mit Hilfe der Software und auf der Basis von GPS-Koordinaten Informationen über Verspätungen, gefährdete Verbindungen sowie sämtliche Zwischenstopps und Verladezeiten der Frachtsendung einsehen. Auch Reportings können per Klick erstellt werden – beispielsweise Emissionsberichte oder Vergleiche von Handelsrouten, um CO₂-bewusstere Unternehmensentscheidungen treffen zu können.
Mit Beginn des neuen Jahres haben sich die Regeln für die Offenlegung von CO₂-Bilanzen verschärft. Obwohl die Luftfahrt beim weltweiten Verbrauch von fossilen Brennstoffen nur einen Anteil von rund 2,5 Prozent am CO₂-Ausstoß hat, liegt der Ausstoß pro transportierter Tonne erheblich höher als bei anderen Verkehrsträgern.
„Nachhaltigkeit ist auf jeden Fall ein Thema, mit dem sich die Luftfahrtbranche weiter beschäftigen muss“, ist Schulze überzeugt. „Die größte Herausforderung auf technologischer Basis ist jedoch, dass es im Gegensatz zu anderen Verkehrsträgern nicht wirklich viele Alternativen gibt – abgesehen von Sustainable Aviation Fuels (SAF). Und auch bei Investitionen in die Flotten dauert es Jahrzehnte, bis spürbare Auswirkungen möglich sind.“
Dennoch sei die Luftfracht nach wie vor das schnellste und sicherste Mittel, um wertvolle und kritische Güter weltweit zu transportieren, und damit nicht einfach so ersetzbar. „Das Ziel kann ja nicht sein, dass wir keinen Fernhandel mehr betreiben. Wir müssen schauen, wie wir das Ganze auf nachhaltige Art und Weise tun können, auch wenn es anstrengend und teuer wird“, argumentiert Schulze.
Emissionen transparent machen
Um Unternehmen bei ihrer CO2-Bilanz zu unterstützen, können über die API-basierte Plattform des Start-ups auch Emissionen getrackt und miteinander verglichen werden – unter anderem auf Basis des genutzten Flugzeugtypen und dessen Verbrauchswerten. Zudem werden Aspekte wie Transportrouten mit möglichst wenigen Zwischenstopps zur Verbesserung des CO2-Fußabdruckes sichtbar gemacht. Die Nutzung synthetischer Kraftstoffe kann wegen fehlender Daten allerdings noch nicht in die Berechnung einbezogen werden. Die Software-as-a-Service-Plattform (SaaS) des Start-ups greift mittlerweile auf die Daten von mehr als 130 Airlines und 1.600 Flughäfen zu. Welche Datenquelle im Fall widersprüchlicher Informationen Priorität hat, entscheiden Algorithmen.
„Eine besonders große Herausforderung ist nach wie vor die verfügbare Datenqualität. Der Luftfrachtmarkt ist zwar deutlich kleiner als die Seefracht, dafür gibt es dort mehr Player, deren Daten integriert werden müssen“, berichtet Schulze. Zudem sei die Branche immer noch sehr manuell geprägt, es fehle an Standardisierung und zentralen Datenquellen.
Durch eine Partnerschaft mit der Schweizer Non-Profit-Organisation Myclimate sollen Unternehmen ihre errechneten CO2-Emissionen zusätzlich durch Kompensationsmaßnahmen wie Aufforstungen von Wäldern „ausgleichen“ können. Maßnahmen wie diese standen in der Vergangenheit jedoch häufig in der Kritik, den Anschein zu erwecken, Unternehmen oder Privatpersonen könnten so trotz eines hohen CO2-Ausstoßes als „klimaneutral“ gelten.„Natürlich wäre es wünschenswert, wenn man CO2-Ausstöße komplett vermeiden könnte. Das ist in der Transportbranche jedoch nicht möglich, dort kann man aktuell nicht klimaneutral sein. Auch durch Programme wie Myclimate lässt sich das nicht kompensieren“, erklärt Schulze. „Darum spricht das Unternehmen auch von einem Klimaschutzbeitrag und nicht von CO2-Kompensation, was ich persönlich richtig finde.“ Es sei Teil eines Maßnahmenkatalogs und eine Möglichkeit, seinen Beitrag zu leisten. Langfristig werde es im Luftverkehr andere Möglichkeiten geben, die Emissionen zu reduzieren – allerdings nicht ohne neue technologische Entwicklungen.
Wachstum angestrebt
In Kooperation mit dem amerikanischen Softwareunternehmen Vizion bietet Bluebox Systems mittlerweile auch eine Echtzeitapplikation für Seefracht-Logistikdaten an und steht damit in Konkurrenz zu Unternehmen wie Project44 oder Fourkites.„Im Laufe des Jahres planen wir ein gemeinsames Frontend für die See- und Luftfracht“, sagt Schulze. Finanziert wird das Start-up derzeit über die Mittel seines Mutterunternehmens Business Code. Das Softwareunternehmen wurde 1999 gegründet und beschäftigt fast 40 Mitarbeitende. Für das weitere Wachstum überlegt Schulze, einen externen Investor für Bluebox Systems mit an Bord zu holen.”
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