Bahn-Gewerkschaften: Weselskys überraschende Pläne

Die Bahn steckt bereits seit Wochen in einem zähen Tarifkonflikt mit der EVG, die mindestens 650 Euro mehr für die Beschäftigten herausholen will. Auch die Lokführer-Gewerkschaft GDL hat einen langen Forderungskatalog – für Aufsehen aber sorgen ganz andere Ideen.

GDL-Chef Claus Weselsky will mehr Lohn und weniger Arbeitszeit für Tausende Bahn-Beschäftigte erstreiten - und dann den Bahn-Unternehmen ihre Lokführer wegschnappen. In den anstehenden Tarifverhandlungen will die Lokführer-Gewerkschaft GDL ein monatliches Lohnplus von 555 Euro, eine Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden für Schichtarbeiter ohne anteilige Lohnsenkung und 3000 Euro als Inflationsausgleichsprämie durchsetzen. Der Tarifvertrag soll eine Laufzeit von maximal zwölf Monaten haben.

GDL will Lokführer-Leihfirma schaffen

Für Überraschung aber sorgt vor allem eine weitere Ankündigung des Gewerkschaftschefs: Die GDL habe unter dem Namen „Fair Train eG“ eine Genossenschaft gegründet, die mittelfristig als Leihfirma für Lokführer auftreten will. Kurzum: Die GDL will indirekt selbst zum Arbeitgeber werden und eine Berufsgruppe anstellen, bei der es bereits einen deutlichen Fachkräftemangel gibt – eine äußerst ungewöhnliche Konstellation. Zunächst aber soll diese Genossenschaft einen Tarifvertrag aushandeln – natürlich mit der GDL. Aber: Die Lokführer sollen in der Genossenschaft zu besseren Bedingungen angestellt und dann an Bahn-Unternehmen verliehen werden.

Ob die Genossenschaftsidee funktionieren wird, ist völlig offen. Entscheidend wird sein, ob genügend Lokführer bereit sind, bei der DB und anderen Bahnen zu kündigen, um bei der „Fair Train eG“ anzuheuern.

Die Verhandlungen zwischen der GDL und der Deutschen Bahn werden nach Ablauf der Friedenspflicht Ende Oktober beginnen. Weil die Gewerkschaft zuvor aber bereits mit anderen Bahn-Unternehmen über Tariferhöhungen verhandeln wird, hat sie die Forderung bereits jetzt vorgestellt. Diese begründete Weselsky vor allem mit dem Fachkräfte- und Nachwuchsmangel, der seiner Ansicht nach die Bahn-Branche ohne tiefgreifende Anpassungen hart treffen werde. „Wir haben Sorge dafür zu tragen, dass in unserem Bahn-System ausreichend Arbeitskräfte ankommen“, sagte er.

EVG und Bahn kommen sich näher

Im aktuellen Tarifkonflikt zwischen der Gewerkschaft EVG und der Bahn gibt es wieder etwas Bewegung – und damit die sehr große Wahrscheinlichkeit, dass zumindest in den nächsten sieben Tagen kein Warnstreik stattfindet. Vertreter der Deutschen Bahn und der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG wollen ab dem 12. Juni erneut über eine Tariflösung verhandeln. Ob es dann zu einer finalen Lösung kommen wird, ist allerdings noch offen. Zuletzt betonte die Gewerkschaft immer wieder das Motto „Wer verhandelt, streikt nicht“ - entsprechend sind erstmal keine Arbeitsniederlegungen mit Zugausfällen und Verspätungen zu erwarten.

Konstruktives Gespräch

Nach einigem Hin und Her in der vergangenen Woche trafen sich die Verhandlungsspitzen im aktuellen laufenden Tarifkonflikt von Bahn und EVG am Montag quasi geheim in Frankfurt am Main. „Das vertrauliche Gespräch verlief konstruktiv“, teilten beide Seiten anschließend mit. Das geplante Treffen am 12. Juni werde voraussichtlich in Berlin stattfinden.

Die Gewerkschaft verhandelt seit Ende Februar mit der Bahn und Dutzenden weiteren Eisenbahn-Unternehmen über höhere Löhne und Gehälter für insgesamt rund 230.000 Beschäftigte. Der Fokus liegt dabei auf den Verhandlungen mit der DB, dort arbeiten gut 180.000 dieser Beschäftigten. Die Gewerkschaft fordert von den Arbeitgebern einen Festbetrag von mindestens 650 Euro pro Monat mehr oder zwölf Prozent bei den oberen Lohngruppen. Die Laufzeit soll nach ihren Vorstellungen zwölf Monate betragen.

Die Bahn hatte bei Verhandlungen Ende Mai in Fulda stufenweise zwölf Prozent mehr bei den unteren Lohngruppen in Aussicht gestellt. Insgesamt zehn Prozent mehr sollen die mittleren Gruppen bekommen und acht Prozent die oberen. Die erste Erhöhungsstufe soll demnach noch dieses Jahr kommen. Hinzu kommt eine ebenfalls stufenweise Inflationsausgleichsprämie von insgesamt 2.850 Euro, die steuer- und abgabenfrei ab diesem Juli gezahlt werden könnte. Die Laufzeit soll 24 Monate betragen.

Die EVG lehnte dieses Angebot ab, die Bahn wollte daraufhin erstmal nicht weiterverhandeln. Die Einladung zum Gespräch am Montag nahmen die Konzern-Vertreter dann aber doch an. Andernfalls hätte die Gewerkschaft aller Voraussicht nach zu Warnstreiks aufgerufen. (dpa/ben)

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