DVZ-Umfrage Güterbahnen: Schwieriges Umfeld
Der Schienengüterverkehr steht unter Druck. Es ist nicht nur die nachlassende Konjunktur, die Spuren in den Auftragsbüchern hinterlässt. Zudem müssen steigende Kosten verarbeitet werden: Es gilt zu verhindern, dass die ohnehin nicht üppigen Margen noch weiter abrutschen. Und mit dem Aus der Ampelregierung droht neues Ungemach. Die DVZ hat sich unter Güterbahnen umgehört – zu einem Zeitpunkt allerdings, als Neuwahlen noch nicht beschlossen waren.
Konjunkturelle Lage
Die wirtschaftliche Schwächephase in Deutschland macht sich auch bei den Güterbahnen bemerkbar. „Logistik folgt dem Kunden. Insofern ist die Lage für den Schienengüterverkehr ein Spiegel der aktuellen Situation unserer Industrie in Deutschland und Europa“, schildert Sigrid Nikutta, Vorstandsvorsitzende von DB Cargo, die aktuelle Lage für den Markt – und damit auch für ihr Unternehmen. Eine geringere Produktion sei derzeit aufgrund von Energiepreisen in den Branchen Stahl und Chemie zu beobachten – „wir befürchten das auch für 2025“, fällt ihr Ausblick wenig erfreulich aus.
Auch Ugo Dibennardo, CEO bei TX Logistik, zeigt sich skeptisch für 2024: „Beim Volumen wird die Trendkurve weiterhin eher flach verlaufen. Es gibt vereinzelte positive, aber auch negative Abweichungen in einzelnen Industrien und Verkehren“, sagt der Chef des zweitgrößten EVU in Deutschland. Neben der Konjunktur macht er unzuverlässige Infrastrukturen verantwortlich. Für 2025 rechnet er analog zur Wirtschaftsentwicklung, für die nur ein schwaches Plus vorausgesagt werde, gleichfalls nur mit einem geringen Wachstum. Einen positiven Effekt müsse es geben durch den Umstieg der Geschäftsmodelle auf klimafreundliche Verkehrsträger. Doch aufgrund der verschlechterten Marktbedingungen werde dieses eigentlich notwendige Umdenken nicht wie geplant 2025 stattfinden.
Die Hochwasserkatastrophe wird uns die Bilanz für 2024 verregnen. Clemens Först, Vorstandssprecher ÖBB Rail Cargo Group
Auf den Hafenhinterlandverkehr hat sich Metrans Rail (Deutschland) spezialisiert. Im Unternehmen rechnet man trotz eines sehr schwachen Januars für 2024 mit einer Steigerung des Gesamtvolumens zwischen 10 und 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. „Unsere neuen Destinationen Richtung Kornwestheim sind sofort stark gebucht worden“, nennt Roger Mahler, Geschäftsführer von Metrans Deutschland, eine Ursache. Die Kapazitäten Richtung Bayern und Leipzig sind genauso erhöht worden wie es Neuverkehre Richtung Enns (Österreich) und Kodersdorf (Sachsen) gab.
Die „absolut größte Bremse“
Für 2025 geht Mahler von einem Wachstum auf dem Niveau von 2024 aus. Als Treiber der Entwicklung sieht er die Unzuverlässigkeit von DB Cargo: „Die sorgt dafür, dass die dortigen Kunden zu den Privatbahnen abwandern“, sagt Mahler. Als die „absolut größte Bremse“ bezeichnet er die Entwicklung der Fahrtzeiten von Güterzügen in Deutschland: „Teilweise braucht ein Zug von Hamburg nach München 19 Stunden, was dem Einsatz von drei Lokführern auf dieser Strecke entspricht.“
Ebenfalls im Hafenhinterland tätig ist der Containercarrier auf der Schiene, Boxxpress. Doch anders als Metrans rechnet das Unternehmen für 2024 mit einem Minus von 15 Prozent. Als Ursache nennt Geschäftsführer Stefan Marx Veränderungen im Welthandel, die Schwächung der deutschen Wirtschaft und Performanceprobleme der Seehafenbetriebe. Für 2025 geht er mit einer Entwicklung leicht unter den absoluten Werten des Vorjahres aus. Als Bremser führt er neben der konjunkturellen Entwicklung für den Hinterlandverkehr die Bildung neuer Reedereiallianzen sowie die Performance der Seehafenterminals an, die den Bahnen Probleme bereiten.
Mit einem leichten Rückgang für 2024 rechnet Götz Jesberg, Geschäftsführer von Rheincargo. „Die Nachfrage ist gesunken, insbesondere im Bereich Mineralöl“, begründet er die Entwicklung. Für 2025 rechnet er mit einer Nachfrage auf gleichbleibendem Niveau. Ein Problem seien die gestiegenen Kosten, die nicht komplett an die Kunden weitergegeben werden könnten, weil ein solcher Schritt schnell zu einer rückläufigen oder stagnierenden Nachfrage führt.
Verhaltene Wirtschaftsentwicklung 2025
„2024 wird geprägt sein von Faktoren wie industrieller Rezession und den Folgen der jüngsten Hochwasserkatastrophe in Europa“, sagt Clemens Först, Vorstandssprecher ÖBB Rail Cargo Group. Das Unternehmen hat sehr unter den Folgen der starken Regenfälle im Heimatland und Osteuropa gelitten. „Zu Beginn der Hochwasserkatastrophe mussten über 1.000 Züge storniert werden. Das wird uns leider auch die Bilanz verregnen“, sagt Först. Für 2025 erwartet er weiterhin eine verhaltene Wirtschaftsentwicklung, aber durchaus auch einige Chancen. So will RCG in den kommenden Jahren verstärkt mittelständische Kunden ansprechen, die Sendungsgrößen von einem Container bis hin zu einer Wagengruppe haben. Integrierte Tür-zu-Tür-Lösungen von der ersten bis zur letzten Meile sollen diese Klientel überzeugen, auf die Bahn zu wechseln. „Das kann intermodal geschehen oder auch als konventioneller Transport mit Umladung auf einen Lkw im Vor- und Nachlauf“, erklärt Först.
Bei der SBB Cargo International gibt es 2024 eine zweigeteilte Entwicklung. Einerseits verzeichnet das Unternehmen Rückgänge im KV wegen einer geringeren Nachfrage und einer größer werdenden Kostenschere im Vergleich zum Lkw, weshalb die Kilometerleistung um 13 Prozent gesunken ist. Andererseits entwickelten sich die Ganzzugverkehre positiv, und die Laufleistung stieg um 15 Prozent. Als Ursache für die rückläufige Entwicklung hat CEO Sven Flore Kostensteigerungen insbesondere im Bereich Infrastruktur ausgemacht. „Die Stornoregelungen haben bei den Marktteilnehmern nur noch für Unverständnis gesorgt“, nennt er ein Beispiel.
Um die Qualität auf einem für den Kunden erträglichen Niveau zu halten, müssten laufend zusätzliche Loks und Triebfahrzeugführer ins System eingespeist werden. „Das führt zu weiteren Kostensteigerungen bei recht hohen Lohnabschlüssen“, schildert Flore das Dilemma. Für 2025 rechnet er nur „mit einem marginalen Wachstum“. Um die Rückverlagerung auf die Straße zu verhindern, seien Verbesserungen bei der Infrastruktur unausweichlich. „Das Störgeschehen muss runter, die Stellwerke zuverlässig besetzt und das Baustellenchaos reduziert werden. Und wir müssen Kostenexplosionen bei Schienen- und Stromnetzbetreibern vermeiden“, so Flore.
Ebenfalls stark im Alpentransit tätig ist die BLS Cargo. Deren CEO, Dirk Stahl, beklagt die vielen Baustellen und Streckensperrungen: Zu den Ried- und Rheintalbahn-Sperrungen kamen die Auswirkungen der Gotthard-Teilsperre und Bauarbeiten auch südlich der Alpen in Italien. „Daher waren die Grundkapazitäten im Transitverkehr während längerer Zeit eingeschränkt, weshalb 2024 kein Wachstumsjahr ist“, sagt Stahl. Dennoch sei es dem Unternehmen gelungen, das Transportvolumen im ersten Halbjahr 2024 auf Vorjahresniveau zu halten. Mit einer Portion Optimismus blickt er auf das kommende Jahr: „Wir gehen davon aus, dass 2024 mit den zahlreichen Streckensperrungen ein besonders belastetes Jahr war, deutlich mehr als wir es für 2025 auf den für uns wichtigen Korridoren erwarten.“ Deshalb rechnet er beim Transportvolumen mit einem Aufholeffekt: „In Summe können die Effekte zu einem Wachstum bei BLS Cargo von etwa 10 Prozent gegenüber 2024 führen.“
Anforderungen an die Politik
Losgelöst von der Rezession und der Regierungskrise sehen sich die Güterbahnen einer Vielzahl branchenspezifischer Probleme gegenüber, bei der die Politik entweder eine große Rolle spielt oder Möglichkeiten hat, etwas zu verändern. Henrik Würdemann, Geschäftsführer der Captrain-Deutschland-Gruppe, beklagt, dass in den letzten Jahren die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene gegenüber der Straße deutlich gelitten hat. Mautabsenkung und kostenfreie Abstellanlagen hätten den Lkw begünstigt, während explodierende Preise für die Schienennutzung sich als ein gravierender Nachteil für den Schienengüterverkehr herausgestellt hätten. „Das Wichtigste ist, dass die Politik für ausreichende Kapazität, Qualität und dauerhaft wettbewerbsfähige Trassenpreise sorgt“, fordert Würdemann.
Ein starkes politisches Commitment, den Schienengüterverkehr zu transformieren und zu stärken, fordert Ugo Dibennardo von TX Logistik von der Politik. Konkret bedeutet das, zielgerichtete Investitionen wie den Netzwerkausbau, in das European Train Control System (ETCS), aber auch eine länderübergreifende Steuerung und Planung. Neben grundsätzlichen Verbesserungen wie dem Abbau von bürokratischen Hemmnissen, spricht sich Jesberg von Rheincargo dafür aus, dass die Politik einen fairen Wettbewerb auf der Schiene für nicht bundeseigene Bahnen ermöglicht.
Die Politik muss aus Sicht von Mahler (Metrans) für kalkulierbare und belastbare Trassenpreise für mehrere Jahre sorgen. Es dürfe keine Bevorzugung für den Regionalverkehr mehr geben. Mahler spricht sich zudem für mehr Transparenz im DB-Konzern aus, was die Zahlungsströme betrifft. „Es kann nicht sein, dass der Schienengüterverkehr für Bahnsteige bezahlt“, nennt er ein Beispiel. Deshalb führt für ihn kein Weg daran vorbei: „Wir brauchen eine Trennung von Netz und Betrieb, die Zerschlagung des integrierten Konzerns und somit der Finanzkreisläufe in der DB AG.“
Berechenbare Planung bei ETCS
Bei Stefan Marx von Boxxpress lauten die Forderungen ähnlich: Um die Wettbewerbsfähigkeit des KV zu gewährleisten, müsse die Trassenpreisförderung im Schienengüterverkehr bis zur generellen Überarbeitung der Trassenpreissystematik sichergestellt werden. Zudem müsse final geklärt werden, wie das ETCS implementiert und gefördert werde. Hier sei eine „berechenbare Planung“ erforderlich, sagt Marx.
Mit der europäischen Brille guckt Clemens Först von ÖBB Rail Cargo Group auf das Thema Bahn und Politik. „In Europa muss beim Modalanteil noch einiges passieren, denn der Güterverkehr ist ein Teil des Klimaproblems und die Bahn ein Teil der Lösung“, lautet seine Analyse. Österreich und die Schweiz würden zeigen: Ein Schienenanteil deutlich über dem europäischen Schnitt ist möglich. „Das wollen wir für ganz Europa“, lautet seine Forderung.
Wir brauchen eine Trennung von Netz und Betrieb und die Zerschlagung des integrierten Konzerns. Roger Mahler, Geschäftsführer Metrans Rail (Deutschland)
Als Mitglied von Rail Freight Forward – einer Koalition europäischer Güterbahnen mit dem Ziel, den Modalanteil in Europa bis 2030 auf 30 Prozent zu heben – nennt er drei Voraussetzungen, wie dieses Ziel erreicht werden kann: Erstens müssten Eisenbahnverkehrsunternehmen ihre Hausaufgaben machen, um schneller, moderner und kundenzentrierter zu werden. Zweitens brauche es faire Wettbewerbsbedingungen und eine Kostenwahrheit zwischen Schiene und Straße. „Und drittens ist eine europaweit koordinierte, leistungsfähige Infrastruktur erforderlich“, sagt Först.
Sven Flore von SBB Cargo International fordert von der Politik eine stärkere Unterstützung für die Güterbahnen. „Analog zur Lkw-Maut sollte die Politik bei den Trassenpreisen eine Preissicherheit über fünf Jahre schaffen und diese in ein faires Verhältnis zur Straße setzen.“ Er weist auf eine weitere Ungleichbehandlung hin: „Ein Lkw zahlt auch keine Stornokosten, wenn er nicht fährt.“ Sagen die Güterbahnen hingegen eine gebuchte Trasse ab, sei dafür eine Zahlung fällig.
Zudem wünscht er sich eine massive Verteuerung für Lkw-Fahrten über 150 Kilometer, falls die Ladung auf der Bahn transportiert werden könne – ein Wunsch, dessen Umsetzung nicht absehbar ist. Viel wahrscheinlicher scheint hingegen eine Fondslösung zur Finanzierung der Infrastruktur, für die Flore sich starkmacht.
Keine einseitigen Förderungen
Nach Ansicht von Dirk Stahl von der BLS Cargo muss die Politik sich stärker als bislang um die Sanierung der Infrastruktur kümmern. Die EU-Mitgliedsstaaten sollten ihren Fokus darauf legen, das TEN-T-Netz gemäß aktualisierter Richtlinie fertigzustellen. „Die Gewährleistung der zentralen Infrastrukturparameter, also 740 Meter Zuglänge, 4 Meter Eckhöhe und 22,5 Tonnen Achslast, ist für die Zukunft des europäischen Schienengüterverkehrs zentral“, sagt der CEO.
Bei dem European Rail Traffic Management System (ERTMS) fordert er die Festlegung auf einem europäischen Level. Die ERTMS-Finanzierung sei vor der Finanzierung neuer Projekte wie der DAK zu priorisieren. Als dritten Punkt wünscht er sich diskriminierungsfreie Förderungen. Reduzierte Trassenpreise, die nicht auf spezielle Produktionsformen oder auf die indirekte Finanzierung von Staatsbahnen ausgerichtet seien wie die Einzelwagenförderung, seien zu bevorzugen.