Fehmarnbeltquerung: Unter dem Sund hindurch oder doch darüber hinweg?
Die Arbeiten an der festen Fehmarnbeltquerung zwischen Deutschland und Dänemark laufen auf Hochtouren. Nachdem die dänische Femern A/S den rund 18 Kilometer langen Tunnelgraben im Belt zwischen Fehmarn und Lolland fertig ausgehoben hat, stehen bald die ersten Tunnelsegmente aus der Fabrik in Rödbyhavn/Lolland zum Absenken bereit. Vier von 79 Segmenten sind fertig betoniert. Noch in diesem Jahr soll das erste vor Rödbyhavn im Belt verankert werden. Parallel sind die beiden Tunnelportale in Puttgarden auf Fehmarn und in Rödbyhavn weit fortgeschritten. Eines der größten Infrastrukturprojekte Europas ist auf dem Weg.
Seit März macht auch die Deutsche Bahn (DB) ernst. Sie hat auf Fehmarn im 11,5 Kilometer langen Bauabschnitt 6 mit dem Bau der 88 Kilometer langen deutschen Hinterlandanbindung begonnen. Dafür wurde zunächst das alte Gleis entfernt, das der neuen zweigleisigen, elektrifizierten Strecke Platz machen soll.
Die Stadt Fehmarn klagt gegen das Baurecht der DB. Der Hauptkonflikt zwischen Bahn und Inselgemeinde: die geplante Elektrifizierung der Fehmarnsundbrücke. Die Bahn sieht dies als Rückfalloption, falls der rund 1,7 Kilometer lange Fehmarnsundtunnel, durch den künftig der Straßen- und Schienenverkehr zwischen Deutschland und Dänemark laufen soll, nicht 2029 fertig wird. Der Baubeginn ist für 2026 geplant.
Dass Femern A/S die Deadline 2029 halten kann, ist wahrscheinlich. Bei der deutschen Hinterlandanbindung gibt es Zweifel. Der Plan B der DB, die Fehmarnsundbrücke, die eigentlich nach 2029 nur noch lokale und langsame Verkehre aufnehmen soll, nutzen zu wollen, verstärkt die Zweifel.
Jürgen Zuch, Regionalmanager der Gemeinden Fehmarn und Großenbrode für die Fehmarnbelt- und Fehmarnsundquerung, begründet seine Skepsis auch mit verspäteten Auslegungen der Planfeststellungsunterlagen: „Für den Fehmarnsundtunnel sollten die Unterlagen noch 2024 ausgelegt werden. Das ist jetzt auf das erste Halbjahr 2025 geschoben“, sagt Zuch.
Zweifel am Datum 2029
Dass die kleinere der beiden Tunnelbaustellen verschleppt werden könnte, macht dem Regionalmanager Bauchschmerzen: „Wir haben schon mit der Fehmarnsundbrücke, deren Sanierung noch Jahre dauern wird, einen echten Engpass. Hinzu kommen die Einschränkungen durch Sanierungsarbeiten an der A1 und natürlich die laufenden Arbeiten auf Fehmarn selbst.“ Zuchs Fazit: „An 2029 glaube ich nicht.“
Zweifel hat er auch daran, dass die Bahn sich bei Ziehen ihrer Sundbrücken-Option an die Zusage hält, dort keine Güterzüge mehr rollen zu lassen: „Können wir uns darauf verlassen?“ Deutsche Schienenstrecken sind „diskriminierungsfrei“. Das heißt, es gibt keine exklusiv für den Personenverkehr reservierten Trassen. Andererseits war seit Eröffnung der Jütland-Route 1997 kein Güterzug mehr über Fehmarn gerollt. Die DB betont, dass der Güterverkehr ausschließlich über die neue Strecke und durch den Sundtunnel laufen solle. Das Unternehmen verweist auf die Prognose des Bundes, wonach ab 2029 täglich 70 Güterzüge die neue Strecke passieren sollen.
Eine zweite Debatte um die Hinterlandanbindung hat sich seit Jahren in den Badeorten der Lübecker Bucht zwischen Timmendorf und Neustadt und neuerdings in Bad Schwartau entwickelt. Die Badeorte hatten sich zunächst darum gesorgt, dass „Güterzüge am Strand“ entlang der alten „Bäderbahn“ fahren würden. Nachdem der Bund, das Land Schleswig-Holstein und die Deutsche Bahn die Hinterlandanbindung aus den Badeorten in die Nähe der Autobahn A1 verschwenkt und eine Stilllegung der alten Trasse angekündigt hatten, wuchs insbesondere in Timmendorf die Angst, abgehängt zu werden. Überlegungen, die alte Trasse anderweitig, etwa mit einer Regio-S-Bahn, zu nutzen, brachte Konkurrenz der DB in Gestalt der „Norddeutsche Eisenbahn Niebüll GmbH“ (NEG) ins Spiel. Angesichts des laufenden Stilllegungsverfahrens wäre die DB zu einem Verkauf verpflichtet gewesen.
Anfang Juni die Reaktion der Bahn: Sie stoppte das Stilllegungsverfahren. Gleichzeitig bleibt es bei dem Plan, die Badeorte nach 2029 durch Haltepunkte an der neuen Strecke anzuschließen. „Aber wir sind offen für neue Konzepte und Ideen“, sagt Bahnsprecher Peter Mantik. Die Infrastruktur, etwa auch eine neue Weiche bei Ratekau, die Alt- und Neubaustrecke verbinde, bleibe erhalten.
In Bad Schwartau sind es die Verkehrsführung durch die Stadt und die erforderlichen Lärmschutzmaßnahmen, die seit Monaten die Gemüter erhitzen. Die Bahn betont, dass der Lärmschutz maximal umgesetzt würde; die Schwartauer befürchten bis zu 8 Meter hohe Schutzwände.
Scandlines will komplett emissionsfrei fahren
Allen Arbeiten zum Trotz bedient die Fährgesellschaft Scandlines weiter die Verbindung zwischen Puttgarden und Rödbyhavn. Die Fahrgastzahlen waren 2023 um 3 Prozent gestiegen, das Frachtvolumen gegenüber dem Rekordjahr 2022 um 7 Prozent gesunken. Seit einigen Monaten verkehren die Fähren „Schleswig-Holstein“ und „Deutschland“ im Hybridmodus aus Diesel und elektrischem Strom; künftig soll die Überfahrt zu 80 Prozent elektrisch erfolgen. Noch 2024 wird die rein elektrische Frachtfähre „Futura“ den Dienst im Fehmarnbelt aufnehmen.
Scandlines will den dann komplett emissionsfreien Fährverkehr auch nach 2029 aufrechterhalten. Das Unternehmen stützt sich auf ein Gutachten, dass 40 Prozent des Frachtvolumens auch nach der Eröffnung des Tunnels auf der Fähre bleiben. Scandlines will zudem preiswerter als der Tunnel sein. Die Lkw-Fahrer können durch die 45-minütige Überfahrt ihre Ruhezeiten einhalten und zudem duschen und essen. Und für Touristen beginne der Urlaub mit einem „maritimen Erlebnis“, argumentiert Scandlines. Das Unternehmen stellt zudem angesichts des Krieges in Osteuropa die Bedeutung einer starken Verbindung zwischen Mitteleuropa und Skandinavien heraus. Ein Argument, das selbstverständlich auch auf die neue feste Querung zutrifft.
Dass die Logistikbranche sich längst auf die neuen Gegebenheiten einstellt, zeigt der Boom an Gewerbeparks entlang der neuen festen Verbindung. Zuletzt hatte die Inselkommune Lolland die Planungen in Maribo nochmals deutlich erweitert. Jürgen Zuch spricht angesichts der Gewerbeflächen in Lensahn und Gremersdorf davon, dass dies verdeutliche, „was geschehen wird“. Auch das direkt am Sund gelegene Großenbrode plane ein neues Gewerbegebiet: „Aber das ist ‚on hold‘, solange die Bauarbeiten bei uns laufen.“