Exporteure müssen sich auf harte Zeiten einstellen
Der Shanghai Index SCFI lieferte bereits am 26. März mit einem Anstieg der Index-Spotrate für die Relation Shanghai/Nordeuropa um 2 Prozent auf 3.742 Dollar/TEU erste Anzeichen einer Frachtverteuerung. Florian Braun, Leiter des europäischen Ocean-Expertenteams der Flexport, ist sich sicher, dass die Raten sowohl im westgehenden Importverkehr- als auch im ostgehenden Exportverkehr auf der Asien-Europa-Route weiter anziehen werden.
Bei der Container-Verfügbarkeit in Fernost rechnet er mit einer merklichen Verschärfung in den Kalenderwochen 15 und 16 aufgrund ausbleibender Schiffsankünfte im Rückverkehr von Europa nach Asien. „Die Nachwirkungen dieses Ereignisses werden für Monate zu spüren sein“, so Braun.
Häfen geraten unter Druck
Mehrere Seehafenspediteure in Bremen und Hamburg berichten, dass die Linien als Reaktion auf die Suezkanalsperrung ihre für April bereits veröffentlichten Export-Raten wieder zurückgezogen und erhöht hätten. „Die Erwartung war zuerst, dass die Raten unverändert bleiben. Jetzt liegen Steigerungen von bis zu 200 Dollar pro FEU auf dem Tisch“, erklärt ein Frachteneinkäufer, der nicht namentlich auftauchen möchte, gegenüber der DVZ.
„Das große Thema ist jetzt die Lage an den Terminals“, erklärt Otto Schacht, Leiter des globalen Seefrachtgeschäfts bei Kühne + Nagel. „Viele Schiffe, die normalerweise eine Woche versetzt ankommen, werden zur gleichen Zeit in europäischen Häfen eintreffen. Das wird die Häfen vier bis sechs Wochen beschäftigen.“ Den Effekt auf die Raten mag Schacht zu diesem Zeitpunkt noch nicht quantifizieren. Allerdings sei der Druck auf der Nachfrageseite enorm, weil viele große Kunden in Industrie und Handel dabei sind, ihre Lagerbestände grundsätzlich aufzustocken, was den Verschiffungsmengen zusätzlichen Auftrieb verleihe. „Zuvor waren die Bestände über Jahre sehr knapp gehalten worden“, so Schacht.
Silke Fischer, Produktleiterin für Seefracht bei Leschaco in Bremen, hält auch Auswirkungen auf die Raten in anderen Trades für wahrscheinlich, wenn sich die Equipment-Engpässe wie durch einen Dominoeffekt ausbreiten, etwa auf das Transatlantik-Fahrtgebiet. „Das Geschäft nach Nordamerika hat zuletzt bereits angezogen.“ Davon wäre vor allem kurzfristiges Geschäft (sogenannte Tarifladung) betroffen. Die für Leschaco wichtigen Kontraktraten, die gerade erst verhandelt worden waren, dürften aber eingehalten werden. „Nur die erhöhten Bunkerkosten kommen wohl zum Tragen“, so Fischer.
Intermodalkapazitäten werden knapp
Für europäische Exporteure würden die kommenden zwei Wochen sehr schwierig aufgrund verschärfter Engpässe nicht nur bei Schiffsabfahrten, sondern auch bei Stellplätzen in den Terminals und sogar bei Lagerflächen für versandfertige oder schon in Containern gestaute Exportware im Inland. „Im Hinterland weiß man schon seit Wochen nicht mehr, wo man mit den vollen Containern hin soll“, sagt Fischer.
Außerdem würden die Intermodalkapazitäten (Schiene, Bahn, Truck) knapper, weil größere Mengen in immer kleineren Zeitfenstern an den Seeterminals angeliefert werden müssten. Jetzt drohten die Häfen vollends zuzulaufen. Es würden deshalb verstärkt Lösungen für die Zwischenlagerung von Containern möglichst in Hafennähe benötigt. Für Gefahrgutladung seien entsprechende Kapazitäten besonders knapp. (ol)