Vom Feld bis ins Regal mit einem Carrier
DVZ: Herr Jobmann, die Seefrachtmärkte spielen aufgrund der Krise im Roten Meer seit ein paar Wochen verrückt. Wie ist die Lage im Reefer-Segment?
André Jobmann: Wir verschiffen sehr viel tiefgefrorene Ladung wie French Fries nach Mittelost. Da stellen wir jetzt eine Verknappung an Stellplätzen und Equipment fest. Es reicht aber noch aus, um den Bedarf am Markt zu decken. Wir sehen, dass die Kunden jetzt im Übergang zu den längeren Transitzeiten einmalig mehr Volumen verschiffen, um die Bestände in den Zielländern stabil halten zu können. Was das große Fruchtgeschäft aus Südafrika und Lateinamerika heraus betrifft, sehen wir noch keine Auswirkungen. Wir stellen uns aber auf mögliche Equipment-Engpässe ein.
Größere Engpässe als normalerweise in der Peak Season?
Unter Umständen ja. Vielleicht kommen wir aber noch über die Hochsaison in wichtigen Regionen der südlichen Halbkugel hinaus, bevor der Zustrom von Reefer-Equipment absackt. Das wird sich eher im zweiten oder dritten Quartal bemerkbar machen, wenn die große Zitrussaison (Südafrika, Südamerika) schon abgefahren ist. Bei der Traubensaison in Indien stellen wir jetzt fest, dass Lieferungen teilweise auf Luftfracht umgestellt werden. Das liegt aber nicht an fehlendem Equipment, sondern daran, dass die Ware eine zu geringe Haltbarkeit für den längeren Seeweg um Südafrika hat.
Für welche anderen Produkte kann es wegen längerer Transitzeiten eng werden?
Solche mit kurzer Haltbarkeit wie Blaubeeren oder Avocados. Viele Perishables sind aber sehr robust und haltbar, denken Sie an Kernobst wie Äpfel, die auch ein großes Volumen ausmachen. Dort sehe ich kein Problem. Wir reden ja nur über zwei bis drei Wochen zusätzliche Transitzeit, nicht über Monate. Ich erwarte deshalb auch nicht, dass die Verzögerungen große Schäden nach sich ziehen.
Und inwieweit sind die Engpässe im Panamakanal ein Problem für die Warenströme von der Westküste Südamerikas?
Die Containerschifffahrt genießt im Panamakanal Priorität und bei uns insbesondere auch das Reefer-Containergeschäft. Selbst wenn wir die Schiffe nicht voll abgeladen durch den Panamakanal fahren können, werden die Reefer aufgrund der Zeitsensitivität bevorzugt behandelt. Wir sehen da momentan keine großen Schwierigkeiten. Auch die neu eingerichtete Landbrücke per Schiene durch Panama hilft uns dabei.
Maersk will sich auch in der Reefer-Logistik zu einem End-to-End-Dienstleister mausern. Wie wollen Sie Kunden überzeugen?
Es geht darum, die Komplexität zu verringern und die Effizienz in den Supply Chains zu steigern. Heute geht eine Blaubeere durch die Hände von fünf oder sechs verschiedenen Dienstleistern, bevor sie im Regal landet. Innerhalb dieser Kette geht viel Transparenz verloren. Folglich müssen die Bestände höher als erforderlich gefahren werden. Unsere Antwort darauf ist, die gesamte Kette von „Farm-to-Shelf“ aus einer Hand anzubieten. Das bringt dem Kunden volle Übersicht und erlaubt es ihm, Angebot und Nachfrage optimal zu synchronisieren.
Sie bauen weltweit eigene Kühllager auf, so auch den Coldstore in Rotterdam, der bald in Betrieb gehen soll. Welche Vorteile eröffnen sich dadurch?
Da gibt es drei Vorteile. Erstens: die Nähe zum Seehafen. Der Coldstore wird direkt neben dem Terminal sein, so dass der Transfer der Container nur Minuten dauern wird. Das ermöglicht mehr Flexibilität im Import und im Export. Die Ware kann dann ja direkt im Seehafen schon in die Verteilung gegeben werden. Zweitens profitieren die Kunden von geringeren Kosten für die mittlere und die letzte Meile, weil sie auf den Nachlauf im Container verzichten und mit den Waren direkt die einzelnen Lager oder sogar Filialen anfahren können. Und drittens: Es reduzieren sich Schnittstellen und der Kunde erhält Kostensicherheit über die ganze Kette. Statt einzelner Einkaufspreise für Seefracht, Trucks und Lager bekommt er eine Rate pro Palette ab Farm bis ins Regal des Distributionszentrums. Langfristig wollen wir sogar die Anlieferung zur Filiale anbieten.
Wie wird die Einteilung im Coldstore Rotterdam aussehen?
In unserer Planung sehen wir vor: 40 Prozent Pharma, 30 Prozent Chilled/Frische (Frucht), der Rest Protein/Fleisch und Fisch für den Export.
Wird Rotterdam das Gateway für den gesamten Kontinent, oder folgen noch weitere Coldstores beispielsweise in Bremerhaven oder Wilhelmshaven?
Wir konzentrieren uns mit dem Coldstore Rotterdam nur auf lokales Geschäft. Die Anlage wird gar nicht groß genug sein, um Ware aus anderen Häfen aufzunehmen. Das Volumen, das Maersk heute schon in Rotterdam umschlägt, wird ausreichen, um den Coldstore gut auszulasten. Es ist Teil unserer Strategie, das Netzwerk von Coldstores auf ganz Europa auszudehnen. Da würden dann Antwerpen, aber auch sicher Bremerhaven zu den weiteren Kandidaten gehören. (cs)