Nord-Ostsee-Kanal: Ladungsmengen weiterhin rückläufig

Das transportierte Aufkommen ist das vierte Jahr in Folge gesunken. Eine Vielzahl von Baustellen, eine begrenzte Geschwindigkeit für Schiffe sowie steigende Kosten machen die Passage laut Kiel-Canal zunehmend unattraktiv. Die Interessenvertretung hat daher klare Forderungen an die Politik.

24.866 Schiffe haben den Nord-Ostsee-Kanal im vergangenen Jahr passiert. (Foto: IMAGO / imagebroker)

Das vierte Jahr in Folge ist das Ladungsaufkommen im Nord-Ostsee-Kanal (NOK) gesunken. Im vergangenen Jahr wurden gut 75,5 Millionen Tonnen Ladung über die Wasserstraße transportiert. Das sind rund 2 Prozent weniger als 2023. Die Zahl der Schiffe, die den Kanal passiert haben, ist auf 24.866 gesunken. Dafür werden die Schiffe immer größer. Die rechnerische Gesamtgröße eines Schiffes stieg von 5.476 auf 5.688 BRZ (Bruttoraumzahl).

Die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS) erklärt, dass sich der NOK nicht von der allgemeinen wirtschaftlichen und geopolitischen Situation entkoppeln lasse. Gemessen daran sei der Rückgang der Gütermengen in Höhe von 2 Prozent moderat, erklärt Heiko Böschen, Leiter der Unterabteilung Seeschifffahrt in der GDWS, und ergänzt: „Die Verkehrszahlen des Nord-Ostsee-Kanals spiegeln die veränderten europäischen und internationalen Rahmenbedingungen wider. Die aktuellen Krisen wirken sich auch auf die Handelswege, die Warenströme und Warenmengen aus.“

So seien zum Beispiel die Verkehre von und zu russischen Häfen noch weiter zurückgegangen. Vor dem Ukraine-Krieg 2021 waren es der GDWS zufolge noch 2.771 Schiffe von und zu russischen Häfen, die 14,2 Millionen Tonnen Ladung auf dem NOK transportiert haben, 2024 dagegen nur noch 694 Schiffe mit 2,3 Millionen Tonnen.

„Die Daten und Prognosen für das erste Quartal dieses Jahres sind noch einmal deutlich schlechter als im ersten Quartal 2024“, sagt Jens Knudsen, Vorstand der Initiative Kiel-Canal. Als Grund dafür nennt er vor allem die Streiks der Gewerkschaft Verdi, die den Kanal in den zurückliegenden Wochen tageweise lahmgelegt haben. Dadurch sei ein großer ökonomischer und ökologischer Schaden entstanden, kritisiert Knudsen.

Weiterhin Geschwindigkeitsbegrenzung

Die GDWS hebt hervor, dass die seit Sommer 2023 geltende einheitliche Geschwindigkeit von 12 Kilometern pro Stunde die Verkehrssicherheit im Nord-Ostsee-Kanal erhöht habe. Dadurch würden die Kanalböschungen weniger stark beansprucht. Auch Überholsituationen, die die Böschung besonders belasten und auch nautisch herausfordernd seien, würden entfallen. Infolge der Geschwindigkeitsbegrenzung erhöht sich die Passagezeit um durchschnittlich 45 bis 60 Minuten.

Als Entgegenkommen für die niedrigere Höchstgeschwindigkeit sind die Befahrensabgaben noch bis Mitte 2026 um 50 Prozent reduziert. Knudsen fordert, dass die Reduzierung verlängert werden müsse, solange die Einschränkungen anhalten. Die Arbeiten an den Böschungen sollen voraussichtlich bis 2026/2027 andauern, sagte der Leiter des Wasser- und Schifffahrtsamtes Nord-Ostsee-Kanal, Detlef Wittmüß. Er rechne damit, dass das Tempolimit in ein paar Jahren wieder auf 15 Kilometer pro Stunde angehoben wird.

Im vergangenen Jahr nahm der Bund 9,3 Millionen Euro an Befahrensabgaben ein. Das genannte Durchschnittsschiff (Mittelschiff) schlug dabei statistisch gesehen mit 1.149 Euro zu Buche. Hinzu kommen allerdings noch Kosten für Lotsen und Kanalsteuerer, macht inklusive Befahrensabgaben 4.400 Euro.

Aus Sicht von Knudsen ist die Geschwindigkeitsbegrenzung zwar alternativlos, macht die Passage durch den Kanal für Reedereien allerdings teurer und damit unattraktiver. Ab Mai dieses Jahres steht eine weitere Einschränkung bevor, wenn in Brunsbüttel routinemäßige Bauarbeiten an den Schleusentoren stattfinden. Dann steht nur eine große Kammer zur Verfügung. Auch dieses Vorhaben ist Knudsen zufolge alternativlos, werde aber dafür sorgen, dass Verkehre um Skagen abwandern. Zudem soll dann eine Schlepperannahmepflicht für das jeweils erste Schiffe gelten, das in den Kanal einfahren will. Das soll Unfällen an der dann einzig nutzbaren Schleusenkammer vorbeugen. Knudsen setzt sich dafür ein, dass die Kosten dafür möglichst gleichmäßig auf alle Schiffe umgelegt und nicht nur dem jeweils ersten Schiff in Rechnung gestellt werden.

Milliarden für die Instandhaltung

Positive Nachrichten gab es mit Blick auf die Sanierung und den Ausbau. Im vergangenen Jahr wurden fast 300 Millionen Euro in den NOK investiert. Mit dem Geld wurden unter anderem der Neubau der fünften Schleusenkammer in Brunsbüttel, der Ersatzbau der Levensauer Hochbrücke, der Neubau eines Torinstandsetzungsdocks und der Ausbau der Oststrecke finanziert. Als weiterer Bauschwerpunkt wird der Neubau der kleinen Schleusen in Kiel-Holtenau dazukommen, blickt die GDWS voraus.

Nach derzeitigem Plan soll die fünfte Schleusenkammer in Brunsbüttel Ende 2026 in Betrieb genommen werden. Nach früheren Angaben kostet die neue Kammer 1,2 Milliarden Euro. Im Fokus steht auch der Neubau der beiden Kleinen Schleusen in Kiel-Holtenau: Das auf 650 Millionen Euro bezifferte Projekt wird voraussichtlich bis weit ins kommende Jahrzehnt andauern. Mit den Investitionen soll die Attraktivität der künstlichen Wasserstraße für die Zukunft gesichert werden.

Knudsen zufolge, der hauptberuflich Geschäftsführer der Hafenagentur Sartori & Berger ist, dient ein großer Teil der Baumaßnahmen nur dem Erhalt des Kanals – nötig sei aber auch, dass die Kapazität der Wasserstraße erweitert werde. Das sei möglich durch den Ausbau des zweiten Teils der Oststrecke und der Vertiefung des Kanals auf gesamter Strecke um rund einen Meter. Dafür sei noch immer keine Finanzierung sichergestellt, mahnt er. „Das neue Finanzpaket der Bundesregierung muss das unbedingt abdecken.“

Er fordert zudem, dass als Reviersprache zur Abstimmung zwischen Schiffsbesatzung und Verwaltung an Land dringend Englisch eingeführt werden müsse. Dieser Schritt würde die Flexibilität erhöhen und dem Fachkräftemangel bei den Lotsen und dem nautischen Personal in der Verwaltung entgegenwirken. Wenn die Kommunikation vorrangig auf Englisch erfolgen könne, erleichtere das die internationale Personalsuche. (mit Material von dpa)

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