Maersk-Managerin: „2030 benötigen wir 5 Millionen Tonnen grünes Methanol“
In diesem Jahr erhält Maersk das erste mit grünem Methanol betriebene Containerschiff. Im Interview erklärt Berit Hinnemann, Head of Green Sourcing Strategy and Business Development, wie die Reederei ihre Klimaziele erreichen will.
DVZ: Frau Hinnemann, Maersk hat das Ziel ausgegeben, bis 2040 klimaneutral zu sein. Wo steht der Konzern heute auf dem Weg dahin?
Berit Hinnemann: Wir sind auf einem guten Weg. Wir haben auch mittelfristige Ziele für das Jahr 2030, dann wollen wir unter anderem jeden vierten Container klimaneutral transportieren, also 25 Prozent unserer Seefrachtladung. Mittlerweile haben wir 19 Schiffe bestellt, die mit grünem Methanol betrieben werden. Generell tut sich in allen Geschäftsbereichen aktuell sehr viel, um unsere Ziele zu erreichen.
Maersk hat sich im Jahr 2021 als eine der ersten Containerreedereien stark auf Methanol als Kraftstoff der Zukunft fokussiert. Wie sieht die Kraftstoffstrategie heute konkret aus?
Drei Kraftstoffe spielen für uns aktuell eine große Rolle. Das ist erstens Biofuel, was schon heute in unserer Flotte mit unserer bestehenden Infrastruktur verwendet wird. Damit bieten wir auch heute schon ein grünes Containerprodukt namens „Eco Delivery“ an. Für Biofuels sehen wir aber keine Skalierbarkeit gegeben. Die verfügbaren Mengen sind begrenzt. Zweitens setzen wir in der Tat stark auf das grüne Methanol, wofür wir die ersten Schiffe bestellt haben. Die technische Lösung existiert bereits, und es gibt erste Erfahrungen mit Methanol-betriebenen Schiffen. Der Motor ist verfügbar und auch vom Bunkern ist es machbar. Noch ist grünes Methanol nicht in großen Mengen verfügbar, aber daran arbeiten wir mit diversen Partnerschaften. Drittens sehen wir auch Ammoniak als möglichen Kraftstoff in der Zukunft, das dauert aber noch ein paar Jahre. Hier befinden wir uns noch in der Machbarkeitsphase. Der Motor ist voraussichtlich noch mehrere Jahre in der Entwicklung, zudem müssen noch einige Sicherheitsaspekte geklärt werden.
Lassen Sie uns einmal die einzelnen Kraftstoffe genauer anschauen. Ist Biofuel nur für die Übergangsphase wichtig, bis genug grünes Methanol und Ammoniak verfügbar sind, oder wird es auch langfristig im Kraftstoffmix bleiben?
Erstmal ist es für uns ein wichtiger Faktor in der Übergangsphase. Im Jahr 2022 haben wir 480.000 TEU mit Biofuel gefahren. Wir wissen für jeden Container, wie viel Kraftstoff wir brauchen, um ihn von einem Hafen zum anderen zu bewegen. Das können wir bis aufs Kilo genau ausrechnen. Im Gegensatz zu herkömmlichem Schweröl ist Biofuel immerhin zu 85 Prozent klimaneutral. Ob es langfristig im Mix bleiben wird, lässt sich heute noch nicht sagen. Auch hier gibt es immer wieder Entwicklungen und Innovationen, die wir beobachten. Sicher ist nur, dass Biofuel allein nicht die Lösung ist.
Sie haben gesagt, dass noch nicht genug grünes Methanol verfügbar ist, der Markt sich jedoch aktuell schnell entwickelt. Wie sieht es konkret aus?
Der Grund, warum wir die Schiffe bestellt haben, bevor das grüne Methanol in größeren Mengen verfügbar ist, war, dass wir eine Henne-Ei-Problematik gesehen haben. Ohne Abnehmer würde kein Produzent neue Produktionsstätten für grünes Methanol bauen. Deshalb müssen Abnahmeverträge geschlossen werden, damit Projekte entwickelt und finanziert werden können. Wir haben mittlerweile neun Partnerschaften zur Methanol-Produktion abgeschlossen und sind mit weiteren zukünftigen Partnern im Gespräch. Wir brauchen bekanntlich große Mengen von Methanol und sind daher auch sehr daran interessiert, weitere Partnerschaften zu entwickeln. Mit unseren Partnern arbeiten wir eng zusammen, um auch sehen zu können, was diese von uns brauchen, um die Projekte möglichst schnell zu realisieren. Hier sehen wir aktuell große Fortschritte. Der Markt entwickelt sich, die Projekte schreiten voran. Aber wir stehen natürlich noch am Anfang. Wir konnten in kurzer Zeit aber schon viel anschieben, einige große Projekte sind nun in der Entwicklungsphase.
Wie viel grünes Methanol ist denn aktuell verfügbar und welche Entwicklung erwarten Sie für die kommenden Jahre?
Wir haben die Verfügbarkeit von grünem Methanol im Jahr 2021 auf 30.000 Tonnen geschätzt. Das ist natürlich viel zu wenig, aber auch schon länger her. Neben unseren Projekten mit unseren Partnern sind auch mittlerweile andere Projekte in der Entwicklung. Aufgrund der Vielzahl an Projekten ist eine genaue Prognose der Marktverfügbarkeit heute leider nicht möglich. Wir wissen, dass wir uns durch unsere Partnerschaften über die nächsten Jahre bereits größere Mengen Jahresproduktion an grünem Methanol gesichert haben – mit weiteren Projekten in der Pipeline.
Ammoniak steckt noch in der Machbarkeitsphase. Wann könnten die ersten Containerschiffe damit betrieben werden? Schon in fünf Jahren oder eher in zehn Jahren oder noch später?
Es gibt zwar noch einige Unsicherheiten, aber wir erwarten, dass die ersten Containerschiffe mit Ammoniak-Antrieb Ende dieses Jahrzehnts kommen könnten. Die Motorentwicklung wird noch einige Jahre dauern, und dann wird auch einige Zeit getestet werden. Insbesondere die Sicherheitsfragen müssen in der Zwischenzeit geklärt werden. Ammoniak ist ein giftiges Gas, das muss entsprechend sicher gelagert werden. Was passiert, wenn Ammoniak entweicht? Auch aus Klima-Sicht die Frage: Wandelt es sich in Lachgas um? Diese und einige andere Fragen müssen wir beantworten, bevor wir Ammoniak anwenden können.
Warum spielt Wasserstoff in Ihren Überlegungen gar keine Rolle?
Für Containerschiffe sehen wir Wasserstoff nicht als Lösung, weil sowohl Liquid Hydrogen als auch Compressed Hydrogen sehr viel Platz erfordert, was zulasten der Ladekapazität des Schiffs gehen würde. Wenn überhaupt, wäre eine Lösung mit einer Brennstoffzelle denkbar. Da ist die Technologie wiederum noch nicht ausgereift. Wir schauen uns Wasserstoff aber weiterhin intensiv an. Bloß weil wir aktuell primär Biofuel, Methanol und Ammoniak im Fokus haben, bedeutet das nicht, dass wir uns keine anderen Treibstoffe anschauen. Für Containerschiffe wissen wir aber noch nicht, ob Wasserstoff machbar sein wird.
Könnte Wasserstoff auch zum Ende dieses Jahrzehnts im Einsatz sein?
Wir erwarten, dass das länger dauern würde, aber das ist schwer abzuschätzen, denn dann müssten auch die Brennstoffzellen vorhanden sein. Das Bunkern muss geklärt werden, weil dann weniger Treibstoff an Bord wäre. Kleinere Tanks und häufigeres Bunkern wären ein ganz neuer Ansatz im Gegensatz zu heute, wo man Tankkapazitäten auf eine komplette Rundreise in einem Fahrtgebiet auslegt. Da würden sich viele Fragen stellen: Was für Brennstoffzellen braucht man? Wie oft muss man bunkern? Möglicherweise würde das für kleine Containerschiffe funktionieren, aber wir stehen hier noch ganz am Anfang.
Ist irgendein Anwendungsfall für Elektromotoren in der Containerschifffahrt denkbar?
Wir halten das nicht für wahrscheinlich. Die Studien, die wir hierzu gemacht haben, haben ergeben, dass die Batterien an Bord so viel Platz wegnehmen würden, dass es für Containerschiffe nicht machbar ist.
In diesem Jahr erhalten Sie bei Maersk das erste Methanol-Schiff. Insgesamt sind 19 Schiffe mit dieser Antriebstechnologie bestellt. Bei einer Flotte von mehr als 700 Schiffen ist das noch immer ein sehr kleiner Anteil. Wie schnell kann die Flotte umgerüstet werden?
Diese 19 Methanol-Schiffe sind nur der Startschuss und Teil unseres Flottenmodernisierungsplans. Alle künftigen Neubauten von Maersk werden Dual-Fuel-Antriebe haben, also mit grünem Treibstoff betreibbar sein, damit wir unser Net-Zero-Ziel im Jahr 2040 und unsere Zwischenziele für 2030 erreichen.
Wie wichtig sind Umrüstungen von vorhandenen Schiffen für die grüne Transformation der Flotte?
Umrüstungen sind ebenfalls ein wichtiger Teil unserer Dekarbonisierungsstrategie. Hier gibt es aber keine Pauschallösung, jedes Schiff muss einzeln betrachtet werden. Wie ist die verbleibende Lebensdauer? Welche Umrüstung ist erforderlich? Bei Neubauten sind die Mehrkosten im Endeffekt geringer, als wenn im Nachhinein umgerüstet wird. Aber wir schauen uns immer genau an, ob eine Umrüstung Sinn macht. Im Hintergrund wird hier auch bei Maersk intensiv an neuen, innovativen Lösungen gearbeitet. Da wird es bis 2030 sicher noch einige Fortschritte geben.
Welche weiteren Maßnahmen können neben alternativen Kraftstoffen in der Schifffahrt für eine Reduktion der Emissionen sorgen?
Da gibt es eine Vielzahl weiterer Möglichkeiten, an denen wir arbeiten. Slow steaming etwa oder auch Effektivitätsverbesserungen bei den Schiffen selbst, aber auch in unserem Netzwerk. Durch bessere Abläufe sind noch sehr relevante Effizienzsteigerungen möglich. Im Bereich Tech und IT passiert aktuell sehr viel. Ein weiterer wichtiger Aspekt sind Innovationen in der Schiffstechnik. Auch das Schiffsdesign hat einen großen Einfluss auf den Kraftstoffverbrauch. Unsere neuen Methanol-Schiffe haben ein völlig neues Design. Das Wichtigste für uns ist aber die Verfügbarkeit von grünem Methanol. Um unsere Ziele zu erreichen, benötigen wir im Jahr 2030 um die 5 Millionen Tonnen jährlich.
Wo sehen Sie heute die globale Containerschifffahrt insgesamt auf ihrem Weg in eine grüne Zukunft?
Wir konzentrieren uns bei Maersk auf unsere eigenen Ziele und machen da in allen Bereichen gute Fortschritte. Wir begrüßen es zugleich sehr, dass mittlerweile auch andere große Containerreedereien Methanol-Schiffe bestellt haben. Das trägt dazu bei, dass sich schnell ein Markt entwickelt. Wir leisten hier unseren Beitrag und tun alles, um unsere Klimaziele zu erreichen.