Pro und Kontra: Stärker auf alternative Kraftstoffe statt auf E-Lkw setzen

Einige deutsche Parteien werben im Europawahlkampf damit, die gerade von der EU beschlossenen CO₂-Flottengrenzwerte für Pkw, Vans, Lkw und Busse direkt wieder zu ändern. Ziel ist es, mehr Einsatzmöglichkeiten für Verbrennungsmotoren zu erhalten. Die Forderung wird in der DVZ-Redaktion unterschiedlich gesehen.

Ob E-Lkw die in sie gesetzten Hoffnungen erfüllen können, wird in Politik und Wirtschaft kontrovers diskutiert. (Foto: picture alliance/dpa | Uli Deck)
Sven Bennühr: Redakteur für Nfz-Technik und Technik

Pro: Bei der Einstufung von biogenen Kraftstoffen und E-Fuels muss es eine grundlegende Änderung geben

Es wird eng mit der Energiewende im Straßengüterverkehr. Zwar haben die europäischen Nutzfahrzeughersteller ihre Hausaufgaben gemacht, aber der Aufbau der für den Betrieb lokal emissionsfreier Lkw notwendigen Infrastruktur läuft viel zu langsam. Schließlich will niemand Milliarden in Ladesäulen, Stromnetze oder auch Wasserstofftankstellen investieren, wenn die dann kaum jemand nutzt. Bei den Fuhrunternehmen sieht es ähnlich aus: Sie investieren in alternative Antriebe erst dann, wenn die Energie- beziehungsweise Kraftstoffversorgung gewährleistet ist.

Eine einseitige Empfehlung, man möge sich auf emissionsfreie Lkw konzentrieren, ändert wenig an den Tatsachen – und ist im Grunde genommen kontraproduktiv. Schließlich würde dann nicht nur der Diesel zum Auslaufmodell, auch die bereits heute einsetzbaren biogenen Kraftstoffe wie Bio-LNG und HVO wären davon betroffen. Damit allerdings ginge ein beachtliches CO₂-Minderungspotenzial verloren, denn bei beiden Varianten verringern sich die Emissionen im Vergleich zum Diesel um mindestens 80 Prozent.

Aber es gibt einen Ausweg aus dem Dilemma: Die Rückkehr zum in der jüngeren Vergangenheit oft kritisierten Ansatz der Technologieoffenheit – allerdings unter anderen Voraussetzungen. Klar ist, dass es langfristig zu einer Abkehr von fossilen Brennstoffen kommen muss, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Der Wandel wird durch die CO₂-Maut und den Emissionshandel forciert, die den Diesel-Lkw über seine steigenden Total Cost of Ownership immer unattraktiver machen.

Eine grundlegende Änderung muss es hingegen bei der Einstufung von biogenen Kraftstoffen oder E-Fuels geben. Diese werden in der CO₂-Flottengrenzwertverordnung nach dem CO₂ beurteilt, das vom Lkw ausgestoßen wird. Unberücksichtigt bleibt dabei, dass bei eben diesen Kraftstoffen bereits in der vorgelagerten Prozesskette CO₂ in den nachwachsenden Rohstoffen gebunden wird. Hier wäre eine realistische Einstufung sinnvoll.

Dann würde nicht nur die Umwelt profitieren, auch die Fuhrunternehmen wären entlastet: Sie bekämen mehr Optionen, ohne ihren gewohnten und bewährten Fahrzeugpark grundlegend verändern zu müssen. Das würde dazu führen, dass immer mehr Fuhrunternehmer ihre Flotten auf umweltschonende Kraftstoffe umstellen.

Die aber stehen nur begrenzt zur Verfügung, und daher müssten nach und nach auch emissionslose Lkw in Dienst gestellt werden. Der gemächlichere Umstieg würde den Energieversorgern mehr Zeit und Spielraum verschaffen, die Netze und Ladeinfrastrukturen aus- und ein Wasserstofftankstellennetz aufzubauen. Eine Win-win-win-Situation für alle Beteiligten.

Frank Hütten, EU-Korrespondent der DVZ

Kontra: Ohne einen großen Anteil E-Lkw wird es beim Klimaschutz im Straßengüterverkehr nicht gehen

Unternehmen, die vor der Frage stehen, auf welche Antriebsarten und Kraftstoffe sie in Zukunft setzen sollen, fordern von der Politik immer wieder Planungssicherheit. Diese haben Europäisches Parlament und EU-Staaten mit den CO₂-Flottengrenzwerten nach langer Diskussion geschaffen.

Man kann die Entscheidung für falsch halten, dadurch de facto ab 2035 keine neuen Pkw und Vans mit Verbrennungsmotoren mehr zuzulassen und bei schweren Nutzfahrzeugen ab 2040 höchstens noch 10 Prozent der CO₂-Emissionen von 2019 zu akzeptieren. Die gerade beschlossenen Gesetze aber direkt wieder über den Haufen zu werfen, bevor sie Wirkung zeigen können, würde auf jeden Fall die Planungssicherheit untergraben.

Lkw-Hersteller setzen darauf, dass sie durch die gesetzlichen Vorgaben viele neue Käufer für E-Lkw finden werden, und sie haben entsprechende Produktionspläne. Was die Ladesäulen angeht, so bauen potenzielle Investoren ebenso auf den Kundenzuwachs, damit sich die Infrastruktur auch rechnet.

Es kommt jetzt darauf an, im Markt das Vertrauen zu stärken, dass Elektromobilität im Straßengüterverkehr funktionieren kann. Dazu müssen die Zahlen von E-Lkw und Ladesäulen in den kommenden Jahren rasch steigen, auch damit sich durch Skaleneffekte verträgliche Preise bilden. Wenn viele Transportunternehmen noch jahrelang zögern, weil die Politik die Debatte von vorne beginnt, bremst das die Entwicklung.

Eine Überprüfung der Lkw-Grenzwertverordnung ist im Gesetz ohnehin für spätestens 2027 vorgeschrieben. Sollte sich zeigen, dass die E-Lkw sich nicht bewähren oder weiter kaum gekauft werden, weil der Infrastrukturaufbau nicht vorankommt, könnten die EU-Gesetzgeber immer noch reagieren, etwa mit einer Abschwächung der Grenzwerte.

Moderne Biokraftstoffe und E-Fuels sollten die Gesetzgeber nicht ausschließen, sie sind zumindest für den Klimaschutz in der Bestandsflotte von großer Bedeutung. Ihr Einsatz dort könnte durch die Anrechnung auf die Zielvorgaben der EU-Lastenteilungsverordnung gefördert werden und durch neue Energiesteuerregeln, über die die EU-Finanzminister seit 2021 diskutieren. Vielleicht ließe sich auch noch mehr Förderung über die Lkw-Maut oder die Emissionshandelsregeln machen.

Aber können Biokraftstoff und E-Fuels die Lösung des Klimaschutzproblems im Schwerverkehr sein? Das Potenzial von Biotreibstoffen gilt als begrenzter als das von Ökostrom. Und von letzterem wird für E-Fuels viel mehr benötigt als beim direkten Einsatz in batterieelektrischen Fahrzeugen. Ohne einen großen Anteil E-Lkw wird es nicht gehen.

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