Bundestags-Verkehrsausschuss: Sachpolitik hinter verschlossener Tür
Vor der Tür des Sitzungssaals, in dem ab 9.30 Uhr der Verkehrsausschuss des Bundestags tagen wird, herrscht nur wenig Treiben. Eilig der eine, gelassenen Schrittes der andere, finden sich die Abgeordneten zu ihrer turnusmäßigen Sitzung ein. Es ist der 24. April 2024 und die siebte von 21 Sitzungswochen des Bundestags. Jeweils mittwochs kommen die Politiker zusammen, um über verkehrspolitische Themen zu beraten.
Ort des Geschehens ist das Paul-Löbe-Haus, vis à vis dem Kanzleramt, Sitzungssaal E 600. Gegenüber der Saaltür wartet ein Rollwagen mit Snacks, Kaffee, Saft, Brezeln und Sandwiches zur Stärkung und für die Spät-Frühstücker. Hinter einem Tresen wachen zwei Angestellte des Bundestags über Listen, in die sich jeder Abgeordnete eintragen muss. „Das ist ja Arbeit“, sagt eine der Frauen.
Der Verkehrsausschuss mit 33 Mitgliedern und ebenso vielen Stellvertretern ist das Herzstück der verkehrspolitischen Arbeit im Bundestag. Hier treffen die parteipolitischen Ansichten wie unter einem Brennglas aufeinander. Der Ausschuss berät unter anderem Gesetzesentwürfe, Unterrichtungen der Bundesregierung und Anträge, die ihm das Plenum überweist. Seine parlamentarische Kontrolle übt er aus, indem er sich vom Bundesverkehrsministerium informieren lässt. Darüber hinaus entscheidet er über öffentliche Anhörungen. Zu letzteren laden die Fraktionen Experten ein, die ihr Fachwissen von außen einbringen.
Staatssekretäre anwesend
Um 9:20 Uhr kommt Verkehrsstaatssekretär Oliver Luksic (FDP), zuständig für Güterverkehr und Logistik, ins Paul-Löbe-Haus, unterschreibt als Gast und geht in den Sitzungsaal. Sein Amtskollege, der Bahnbeauftragte der Bundesregierung Michael Theurer (FDP), hat drinnen schon Platz genommen und wartet auf den Beginn der Sitzung. In letzter Minute eilt auch Daniela Kluckert (FDP), ebenfalls parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) und zuständig unter anderem für Digitalisierung, herbei. Die Staatssekretäre sind das Bindeglied zwischen Bundestag und Ministerium und werden den Abgeordneten während ihrer etwa zweieinhalbstündigen Sitzung Rede und Antwort zu den aktuellen verkehrspolitischen Themen stehen.
Aus der halb geöffneten Tür raunt CDU-Verkehrsobmann Christoph Ploß noch schnell heraus: „Gleich stimmen wir über unseren Antrag zur Nationalen Hafenstrategie ab.“ Dann schließt sich die Tür. Es ist 9:30 Uhr, die Sitzung beginnt. Die Öffentlichkeit bleibt draußen. Journalisten holen sich ihre Informationen nach etwa zwei Stunden von den Abgeordneten. Unter anderem das Klimaschutzgesetz und die Fußball-EM 2024 stehen an jenem Tag im April 2024 auf der Tagesordnung. Der Antrag der Union zur Hafenstrategie wurde von den Koalitionsparteien übrigens abgelehnt. So ist das politische Spiel.
„Abgesehen von dem üblichen Hickhack zwischen den Parteien sind die Beratungen immer sehr sachlich“, sagt Udo Schiefner (SPD), Vorsitzender des Verkehrsausschusses, im Gespräch mit der DVZ. Er leitet die Ausschusssitzungen: „Ich sehe es als meine Aufgabe, die Sachlichkeit und den ordentlichen Umgang miteinander sicherzustellen.“
Die Arbeit im Verkehrsausschuss beginnt allerdings nicht erst mittwochs um 9:30 Uhr. Jeweils am Donnerstag zuvor kümmert sich Schiefner mithilfe des Ausschusssekretariats um die Tagesordnung, um mitberatende Ausschüsse und deren Voten zu Themen, die besprochen werden sollen. Am Montag einer Sitzungswoche erfolgen Abstimmungen der zuständigen Fraktionsreferenten, Obleutebesprechungen und die Erstellung von Sprechzetteln für den Vorsitzenden. Am Dienstag tagen die Arbeitsgruppen der Fraktionen. Mittags bespricht sich Schiefner mit den Obleuten aller Fraktionen zum Verlauf der anstehenden Verkehrsausschusssitzung. Sollte es inhaltliche Wünsche geben, nimmt das Ausschusssekretariat sie in die Tagesordnung auf. Darüber hinaus verschickt es Anträge von Fraktionen und Berichte des BMDV zu den einzelnen Punkten.
Sitzungsablauf ist festgelegt
In der Ausschusssitzung selbst gibt das Format den Takt vor. Die Abgeordneten beginnen mit: „Vor Eintritt in die Tagesordnung“. Sie erörtern zunächst den Ablauf der Sitzung und stimmen über einzelne Punkte ab. Dann wird die Tagesordnung Punkt für Punkt abgearbeitet. Berichte des Bundesverkehrsministeriums, Anträge der Fraktionen, Vorschläge der Europäischen Kommission, Gesetzesentwürfe und sogenannte Selbstbefassungen stehen an jenem Tag im April an.
Für jedes Fachthema gibt es einen Berichterstatter. Er erklärt den Sachstand in zwei Minuten, danach darf er drei Minuten eine Bewertung abgeben. Die SPD als größte Koalitionspartei darf anfangen, die Union als größte Oppositionspartei folgt. Und dann geht es weiter, immer im Wechsel und nach Fraktionsstärke. Die Staatssekretäre stehen Rede und Antwort.
Das Format schützt, sagen Schiefner und sein Koalitionskollege Valentin Abel (FDP) übereinstimmend. Bestrebungen, die Sitzungen öffentlich zu machen, lehnen beide ab. Einerseits könne offener gesprochen werden und zudem biete der Ausschuss so keine Plattform für Abgeordnete, um sich über die sozialen Medien zu profilieren. „Die Summe der Bösartigkeiten ist kleiner als im Plenarsaal“, so Schiefner. „Ich behandele alle Parteien gleich und erwarte, dass alle respektvoll miteinander umgehen.“
Als Oppositionspartei hat die Union es schwer, findet Michael Donth, Abgeordneter der CDU und für die Schienenpolitik seiner Partei zuständig. „Unsere Anträge kommen gar nicht durch“, ärgert er sich. Und er stelle fest, dass er viele Unterlagen erst sehr spät bekomme. Dass das Bundeschienenwegeausbaugesetz nun im Vermittlungsausschuss ist, wundert den CDU-Abgeordneten nicht. Schließlich habe die Ampelregierung die Länder nicht richtig einbezogen.
Nach zwölf Tagesordnungspunkten schließt Schiefner die Sitzung. Ab 13:00 Uhr warten das Plenum und die Regierungsbefragung. Das ist der Auftakt zu jeder Sitzungswoche. Und was bleibt für den Ausschuss im Nachgang noch zu tun? Stellungnahmen werden für die federführenden Ausschüsse erstellt, vom Vorsitzenden unterzeichnet und versandt. Zu federführenden Vorlagen sind nach der Beratung die Beschlussempfehlung und ein Bericht anzufertigen. Zudem wird ein Protokoll der Sitzung erstellt. Auch wenn die Sitzungen nicht öffentlich sind und es wohl auch nie werden, ist das Protokoll mittlerweile auf der Ausschussseite abrufbar – allerdings mit einem Jahr Verzögerung.