Gate41 Logistics: Die Idee einer logistischen Manufaktur
Der Traum von der Selbstständigkeit ließ sich in der Spedition in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts noch vergleichsweise einfach erfüllen. Leitende Mitarbeiter von Speditionen kündigten und gründeten ihre eigene Firma – meist wurden ein oder zwei Kunden des bisherigen Arbeitgebers „mitgenommen“ und bildeten den Grundstock für ein neues Unternehmen. Die notwendigen Investitionen waren überschaubar. Dies ist heutzutage deutlich schwieriger – allein die IT verschlingt gleich zu Beginn schon oft einen sechsstelligen Betrag. Doch möglich ist es immer noch, wie das Beispiel von Thomas Heyer zeigt.
Der heute 54-Jährige hatte den unbedingten Willen, sich selbstständig zu machen. Da er es allein nicht schaffen konnte, suchte er sich einen Partner. Mit der in seinem niederrheinischen Heimatort Nettetal ansässigen Spedition Gebr. Sauels fand er einen. Gemeinsam gründeten sie 2014 Sauels Logistics Services (SLS), an der Heyer mit 40 Prozent beteiligt ist. Der große Vorteil: „Wir konnten Gebr. Sauels quasi als Sprungbrett und Produktionspartner nutzen – und hatten Zugriff auf die IT, Administration und einen Fuhrpark. Dadurch konnten wir uns von Anfang an auf das konzentrieren, was uns wichtig war: auf den Vertrieb und das Entwickeln von Lösungen für unsere Kunden.“
Wichtig ist ihm dabei, dass es sich bei Gebr. Sauels und SLS um zwei völlig eigenständige Firmen handelt – „wir können die physische Abwicklung über Sauels machen, müssen es aber nicht“. SLS selbst hat keine eigenen Assets wie einen Fuhrpark.
Individualität als Geschäftsansatz
Heyer versteht die bisherige SLS – sie tritt vom 1. Juni an als Gate41 Logistics am Markt auf – als logistische Manufaktur: „Der Schlüssel zum Erfolg ist die Individualität für jeden Kunden. Wir brennen für die Aufgaben und bringen das auch rüber. Wir leben die Idee einer logistischen Manufaktur“, versichert er glaubhaft.
Der Spediteur unterstreicht diesen Ansatz mit einem Beispiel. Ein Unternehmen aus der Fotoindustrie hatte den Transport von Fotoentwicklungsanlagen und Zubehör von London zu den Zentrallagern der großen Drogerieketten ausgeschrieben. Diese wurden zuvor als Komplettladungen direkt verladen – egal wie hoch die Auslastung war. Heyer bot an, die Ladungen über sein Lager in Nettetal zu ziehen und dort nach Empfänger aufgeteilt zuzustellen. Eine Idee, auf die Mitbewerber offenbar nicht kamen. „Das dürfte dem Kunden etwa 250.000 Euro pro Jahr gespart haben.“
Bis zu 15 Sammelcontainer pro Woche
Wichtiges Standbein sind Sammelcontainer, die SLS in China und Indien organisiert. Im Auftrag der Kunden werden Waren vom Produktionsort abgeholt, in mehreren chinesischen Häfen sowie im indischen Navasheba gebündelt und per Container nach Rotterdam verschifft. Per Bahn werden die Boxen dann nach Venlo transportiert, die letzten 20 Kilometer bis Nettetal werden über die Straße abgewickelt. Inzwischen werden mit Hilfe von verschiedenen Agenten in Asien zwischen 10 und 15 Sammelcontainer pro Woche abgefertigt.
Zudem hat SLS innerhalb eines Jahres ein nennenswertes Kontraktlogistikgeschäft aufgebaut. Dazu hatte Heyer zunächst 4.000 Quadratmeter Lagerfläche in einer Anlage im benachbarten Schwalmtal angemietet, gut zwölf Monate später lastet er sämtliche 18.000 Quadratmeter in dieser Anlage allein aus. Inzwischen liebäugelt Heyer mit einer Ansiedlung im geplanten Logistikpark auf dem alten britischen Militärflughafen in Niederkrüchten-Elmpt.
Der Erfolg seines Ansatzes zeigt sich nicht nur in seiner Kundenliste; auf dieser stehen Marktführer aus dem Bereich Solarmodule sowie namhafte Hersteller der Sportartikelindustrie. Er macht sich auch in verschiedenen Kennzahlen bemerkbar. Aus den 4 Mitarbeitern des Jahres 2014 sind inzwischen über 50 geworden, der Jahresumsatz schnellte von 3,4 auf rund 40 Millionen Euro. Den Überschuss beziffert er auf „einen kleinen einstelligen Millionenbetrag“.
Mit dem neuen Brand Gate41 Logistics – die 41 steht für das Postleitzahlgebiet rund um Nettetal – will Heyer dokumentieren, dass sich das Unternehmen deutlich globaler aufstellen will. Potenzial sieht er im Geschäftsfeld Fulfillment, aber auch in der Luftfracht. Zwar ist der erste Versuch, ein Büro am Stuttgarter Flughafen zu betreiben, gescheitert, aber grundsätzlich hält er an dem Gedanken fest.
Sparten werden zu Tochtergesellschaften
Zudem will Heyer die einzelnen Geschäftsfelder in eigenständige Einheiten ausgliedern – zum einen, um künftig die Flexibilität sicherzustellen, zum anderen, um attraktivere Jobs bereitstellen zu können. „Es ist schon eher ein Reiz, als Geschäftsführer agieren zu können denn als Bereichsleiter“, glaubt er. In einem ersten Schritt plant er die Gate41 Air & Ocean für Anfang 2023. Die Gate41 Fulfillment dürfte schon bald folgen.
Dass Heyer grundsätzlich Durchhaltevermögen hat, beweist sein Faible für Ausdauersport. Bereits dreimal hat er am Ironman in Roth teilgenommen – 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und anschließend einen 42,195 Kilometer langen Marathon laufen. Die Ausdauer und der Wille, nicht aufzugeben, kommen ihm auch bei seiner Selbstständigkeit zugute. „Ein Scheitern war in meinem Plan nicht vorgesehen, aber dass es so schnell aufwärts geht, habe ich nicht gedacht.“