KN-Chef: „Wenn wir es richtig machen, werden wir noch unverzichtbarer“

Mit generativer KI werde immens viel möglich sein, ist Kühne + Nagel-CEO Stefan Paul überzeugt. So wie die Autoindustrie mit der Elektrifizierung habe die Logistikbranche in Sachen Digitalisierung zwar „die eine oder andere Entwicklung“ unterschätzt. Es sei aber noch nicht zu spät.

Kühne + Nagel-CEO Stefan Paul bei seiner Rede auf dem Deutschen Logistik-Kongress am Donnerstag in Berlin. (Foto: Dierk Kruse)

Stefan Paul, der CEO von Kühne + Nagel (KN), betonte am Donnerstag auf dem Deutschen Logistik-Kongress, wie wichtig es sei, sich als Logistiker intensiv mit künstlicher Intelligenz (KI) auseinanderzusetzen. Er zeichnete dabei ein grundsätzlich optimistisches Bild für die Branche. Denn die Anwendung von KI werde zunehmend einfacher, was auch bei der digitalen Transformation helfe. Zugleich müssten in der Logistik immer komplexere Anforderungen erfüllt werden. Dafür brauche es auch in Zukunft Spezialisten.

Zudem ermögliche es die Cloud, die Wertschöpfungskette immer besser zu vernetzen und völlig neue Dienstleistungen zu schaffen. „Und mit unserer Kompetenz können wir Logistiker der Mastermind dieses Systems sein“, sagte Paul. Die Cloud und KI seien unabdingbar für die Zukunft der Logistik. Sprachmodelle wie ChatGPT könnten den Menschen seiner Einschätzung nach nicht ersetzen, „wohl aber signifikant entlasten“.

Autofan Paul nutzte in seiner Keynote das Bild des Elektromotors. „Die Logistik muss sich wie ein E-Motor in die Abläufe der digitalen Wirtschaft einfügen.“ So wie die Autoindustrie mit der Elektrifizierung habe die Logistikbranche in Sachen Digitalisierung zwar „die eine oder andere Entwicklung“ unterschätzt. Es sei aber noch nicht zu spät. Die Logistik kann seiner Ansicht nach eine Schlüsselrolle beim nachhaltigen Umbau zu einer digitalen Wirtschaft übernehmen.

KI und hier vor allem die Sprachmodelle à la ChatGPT könne heute riesige, in einer Cloud vorhandene Datenmengen in sehr kurzer Zeit auswerten und neue Inhalte erzeugen. „Bei Kühne + Nagel bringen wir derzeit 2 Millionen Gigabyte in die Cloud“, sagte der CEO. Dieses Projekt werde drei bis fünf Jahre dauern.

„Unserer Branche fehlt ein Tesla“

„Der logistische E-Motor funktioniert nur in einer vollständig digitalen Wirtschaft, in der nicht nur die Werkzeuge digitalisiert sind, sondern in der die Daten, Strukturen und Prozesse komplett transformiert sind“, sagte Paul in seiner Rede vor den Kongressteilnehmern weiter. Mit Blick auf seine Branche stellte er fest: „Wir haben digitale Werkzeuge, sind aber noch nicht gut genug, in der Transformation. Wir können heute alle mehr oder weniger die zig Touchpoints einer See-, Luft- oder Landfracht managen. Aber zu oft geschieht das noch in dezentralen sogenannten On-Premises-Datenbanken.“

Pauls Ansicht nach hinkt der Logistiksektor in Sachen integriertem Datenmanagement in der Cloud einigen anderen Branchen noch hinterher. Auch wenn sich in den vergangenen Jahren einige disruptive Player in der Logistik versucht hätten: „Unserer Branche fehlt ein Tesla“, sagte der KN-Chef. „Hätte Elon Musk statt Mondraketen Container zu seinem zweiten Hobby gemacht, wären wir heute womöglich weiter.“

Jetzt gebe es aber einen Schub oder, um im Bild zu bleiben: Der E-Motor der Logistik bekommt noch mehr PS. Und das „E-Auto der Logistik“ wird Paul zufolge mittels KI über Sprache, Sensorik und Robotik noch einfacher zu bedienen sein. „Die Entwicklung des digitalen Ökosystems der Logistik ist nicht aufzuhalten“, betonte der Manager in Berlin.

Chance auf neue Geschäftsmodelle

Es reiche eben nicht mehr, nur die IT zu verbessern, Aufträge zu digitalisieren und Fracht digital zu steuern. „Vielmehr müssen wir alle Daten einheitlich in der Cloud haben und neue Systeme zur Anwendung bringen, damit der E-Motor der Logistik in der digitalen Wirtschaft auf Hochtouren läuft.“ So wie ChatGPT einen veritablen Hype in der Öffentlichkeit erlebe, „müssen wir in der Logistik vielleicht eine Art LogGPT an die Hand bekommen“. Damit meint Paul aber nicht ein einzelnes LogGPT, sondern das gesamte Ökosystem, das durch KI ermöglicht werde – mit den Daten der Absender und Empfänger, der Fracht und der Routen, „damit wir idealerweise vor dem Kunden wissen, was er wann transportieren will“. Die Zeit der Insellösungen sei jedenfalls vorbei.

„Wenn wir die gesamte Palette von den Chatbots bis hin zur Robotik richtig einsetzen, schaffen wir neue Geschäftsmodelle und gewinnen Zeit, die wir unseren Kunden widmen können“, sagte der KN-Chef weiter. Paul zitierte in dem Zusammenhang eine Zahl von der Unternehmensberatung McKinsey. Demnach beläuft sich der potenzielle Wert von neuen generativen KI-Anwendungen für die Transport- und Logistikbranche auf bis zu 1 Billion US-Dollar pro Jahr.

„Wenn wir es richtig machen, dann werden wir in der Wertschöpfungskette noch unverzichtbarer“, ist der CEO überzeugt. Anders als in anderen Branchen werde der Mittelsmann in der Logistik auch künftig gebraucht. „Das bedeutet aber auch, dass wir in Sachen Logistik der Mastermind des Ökosystems bleiben sollten.“ Die Logistiker wüssten immer noch am besten, dass bei einem Transport nie alles wie geplant laufe. „Manche Probleme sind bekannt, andere neu. Es werden daher immer Logistiker benötigt, die in Netzwerken denken.“

Persönliche Netzwerk bleibt wichtig

Trotz der rasanten Fortschritte bei dem Thema KI ist Paul aber davon überzeugt, dass der Mensch nach wie vor die Fäden in der Hand behalten werde. Und ohne das persönliche Netzwerk gehe es auch künftig nicht. Dies sei es letztlich gewesen, das die Welt während der Corona-Pandemie am Laufen gehalten habe. Denn völlig unvorhersehbare Schockereignisse ließen sich nur dann managen, wenn man die Menschen an den Schaltstellen kenne, sich vertraue und gemeinsam improvisiere.

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