Was sich durch die neuen Zollverfahren für die Luftfracht ändert

Zum 1. März 2023 wird das EU-Einfuhrkontrollsystem ICS2 für Luftfrachtsendungen aus Drittländern eingeführt. Die DVZ erklärt, was Marktteilnehmer zu erwarten haben.

Zum 1. März 2023 wird das EU-Einfuhrkontrollsystem ICS2 für Luftfrachtsendungen aus Drittländern eingeführt. Die Regelung ermöglicht Sicherheitschecks
durch den Empfangs-Zoll, bevor die Sendung
im Ursprungsland verladen wird. (Foto: dpa/photothek/Ronny Hartmann)

In den USA und Kanada sind Zoll-Checks vor Luftfrachtverladungen (Pre-Loading) aus Drittstaaten bereits seit längerem bewährte Praxis. Nun zieht die EU nach. Zum 1. März 2023 wird das neue EU-Einfuhrkontrollsystem ICS2 für Luftfrachtsendungen aus Drittländern eingeführt. Es beinhaltet eine verbesserte und frühzeitige Gefahrenabwehr und Risikoanalyse durch den Zoll. Sie setzt schon vor der Verladung in das Flugzeug im Ursprungsland an.

„Damit ist der Weg frei für Sicherheitsschecks durch den Empfangszoll, bevor die Sendung überhaupt in die Nähe eines Flughafens im Abgangsland gelangt. Auch für die Spediteure bedeutet dies ein zusätzliches Level an Sicherheit“, ordnet Lothar Möhle, Geschäftsführer der Iata-Interessengruppe Cargo IQ ein.

Bereits infolge der Terroranschläge des 11. September 2001 wurde für die Anmeldung von Waren vor EU-Eintritt für alle Verkehrsträger das Vorab-Frachtmeldeverfahren ICS1 einführt, das die Sicherheit verbesserte. Doch die Praxis zeigte, dass das System weiterhin Lücken aufwies. Diese soll das ICS2-Verfahren schließen, das das bisherige System komplett ablöst. Es wird in drei Phasen eingeführt. Zum 1. März 2021 starteten die Kurier- und Expressdienste, ab 1. März 2023 kommt die Luftfracht dazu, ein Jahr später folgen die Verkehrsträger See, Straße und Schiene.

Neuer Pre-Zoll-Check

Für Luftfrachtspediteure lohnt es sich auf jeden Fall, sich mit den neuen Abläufen zu beschäftigen. Denn während in der Vergangenheit nur Fluggesellschaften Waren vorab anmelden durften, können ab sofort auch andere Beteiligte wie Spediteure oder Importeure Sendungsdaten an das EU-Einfuhrkontrollsystem übermitteln. Das kann operationelle Vorteile bringen.

Der Anmeldeprozess ist künftig zweistufig aufgebaut. Neu hinzugekommen ist eine Nachricht (Pre-Loading) mit einem reduzierten Datensatz, die so frühzeitig wie möglich abzugeben ist, spätestens vor der Verladung auf das Flugzeug. In diesem Zuge wurde das Multiple Filing eingeführt, als eine Option, damit der Spediteur diesen ersten Teildatensatz selbst übermitteln darf. Die zweite Meldung (Pre-Arrival), welche den MAWB-Datensatz enthält, wird, wie in der Vergangenheit auch, von der Airline spätestens vier Stunden vor Ankunft der Sendung in der EU versendet.

Fabian Heilmann von Kühne + Nagel in Frankfurt am Main berichtet über die Vorbereitungen: „Wir werden das Multiple-Filing-Szenario nutzen, um operativ flexibel zu sein und gleichzeitig eine hohe Datenqualität an die Behörden zu liefern. Außerdem ist es unser Anspruch, die sensitiven Kunden- und Sendungsdaten mit möglichst wenigen Parteien in der Supply Chain zu teilen.“

In Bezug auf die operativen Anforderungen wolle das Unternehmen durch die Teilnahme am Multiple Filing sicherstellen, dass die Risikobewertung zum frühestmöglichen Zeitpunkt in der Supply Chain erfolgt und somit ein großes Zeitfenster für die Beantwortung von Rückfragen zur Verfügung steht, noch bevor die Sendungen disponiert und verbaut werden.

Ein EU-Einfallstor statt 27 nationale Tore

Mit der Einführung von ICS2 ändert sich auch der Meldeweg. Künftig werden die Nachrichten und Daten zentral an eine von der EU-Kommission entwickelte gemeinsame Teilnehmerschnittstelle gesendet, dem Shared Trader Interface (STI). Das bedeutet für die Wirtschaftsbeteiligten, dass sie für die Frachtvorabinformationen mit dem STI nur noch ein Einfallstor nutzen, statt wie bisher an das jeweils betreffende EU-Land einzeln melden zu müssen.

Damit entfällt die jeweilige systemseitige Anbindung an einzelne EU-Mitgliedsstaaten. Rein operativ bleibt aber in der Regel der EU-Staat für die Sicherheitskontrolle verantwortlich, in dem die Ware zum ersten Mal in die EU eintritt.

„Durch die zentrale Bereitstellung der Informationen haben wir künftig eine optimierte Möglichkeit der Kooperation mit den Risikoanalyseeinheiten anderer Mitgliedsstaaten, der Schweiz und Norwegen. Vorliegende Erkenntnisse zu bekannten Beteiligten können nun sendungsbezogen und rein IT-gesteuert in Echtzeit untereinander ausgetauscht werden“, nennt Monika Prosten vom Zollkriminalamt, einen Hauptvorteil.

Dies stelle einen immensen Mehrwert dar, insbesondere weil Deutschland sehr häufig lediglich als Transitland fungiere, der tatsächliche Empfänger der Waren aber in einem anderen Mitgliedsstaat ansässig sei. Mit den großen Express-Carrier-Europa-Hubs von UPS in Köln/Bonn und DHL in Halle/Leipzig sowie der Luftfrachtdrehscheibe Frankfurt entfällt ein großes anzumeldendes Sendungsvolumen in der EU auf den Deutschen Zoll. Durchschnittlich gehen dort für die Luftfracht nach eigenen Angaben zwischen 3,2 und 4 Millionen elektronische summarische Eingangsanmeldungen monatlich ein.

Was Marktteilnehmer beachten müssen

Der deutsche Zoll gibt Empfehlungen, wie sich die Meldeverpflichteten am besten vorbereiten. Unternehmen, die ihre Meldungen bisher über die bekannte nationale Kommunikationsschnittstelle des IT-Verfahrens Atlas-EAS ESumA im Luftverkehr abgegeben haben oder erstmals (Teil-)Datensätze übermitteln, müssen ihre technische Anbindung ändern. Die Umstellung hat dabei innerhalb des gesetzlichen Umstellungsfensters vom 1. März bis 2. Oktober 2023 zu erfolgen. Vor der Produktivsetzung der Systeme muss durch einen Konformitätstest gegenüber der EU-Kommission nachgewiesen werden, dass die Systeme der Meldeverpflichteten und die Kommunikationsschnittstelle funktionieren.

Mehr Informationen auf der Webseite der europäischen Kommission: dvz.de/meldepflichten

Anforderung an die Datenqualität

Für die Meldung der Daten wurde ein einheitliches elektronisches Format mit dem Namen Entry Summary Declaration (ENS) festgelegt, das keine Abweichungen zulässt. Folglich steigt die geforderte Genauigkeit der Angaben, zum Beispiel bei der Warennummer, dem HS-Code. Bisher mussten entweder die Warenbeschreibung oder mindestens vier Ziffern für die Eingangsmeldung angegeben werden, künftig sind sechs Ziffern des HS-Codes verpflichtend zu übermitteln.

„Wichtig ist, dass Speditionen, Importeure und Verlader sich frühzeitig vorbereiten, und die relevanten HS-Codes auf HAWB-Ebene sowie eine klare Beschreibung der Waren bereitstellen“, sagt Jan-Wilhelm Breithaupt, Vice President Global Fulfillment Management von Lufthansa Cargo, und ergänzt, „wir sind IT-technisch bereit, nach dem neuen ICS2-Verfahren zu arbeiten und werden das neue Meldesystem, wie von der EU gefordert, vom ersten Tag an, also dem 1. März 2023, nutzen.“ Dementsprechend sei es wichtig, dass auch die Kunden in der Lage sind, die geforderten Daten bereitzustellen.

Zusätzlich empfiehlt Ulrich Wrage, Vorstand des Softwarehauses Dakosy, frühzeitig zu prüfen, inwieweit sich Geschäftsprozesse ändern und Mitarbeiter geschult werden müssen. „In der Praxis übernehmen wir bereits für Airlines die ICS-Meldung. Für diese kümmern wir uns um den neuen Meldeweg und gegebenenfalls eine Anpassung der Schnittstellen. Wir können auch Speditionen über unsere Zollsoftware anbinden und haben für diese neben einer EDI-Schnittstelle parallel eine ICS2-Webanwendung umgesetzt“, so Wrage. (ol)

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