Das Embargo gegen Russland verpufft

Der Ölpreis verliert trotz der jüngsten Sanktionen an Boden. Die Perspektiven für den Dieselpreis sind angesichts der nächsten Embargostufe Anfang Februar aber ungewiss. Im Schiffsverkehr aus dem Schwarzen Meer heraus gibt es unterdessen immer mehr Probleme aufgrund der Sanktionen.

Ein Öltanker ankert am 8. Dezember im Schwarzen Meer vor Kilyos nahe Istanbul und wartet auf seine Durchfahrt durch die türkischen Meerengen. (Foto: dpa/REUTERS/Mehmet Caliskan)

Als wäre gar nichts passiert: Die Öl- und Treibstoffmärkte haben sich von dem Embargo der EU- und G7-Staaten auf russische Rohöllieferungen auf dem Seeweg nicht beeindrucken lassen. Statt einer Verknappung der Vorräte herrscht kurzfristig weiterhin ein Überangebot. So gaben die Ölpreise seit Inkrafttreten der Sanktionen am 5. Dezember sogar deutlich nach.

Die Nordseesorte Brent verbilligte sich im Wochenverlauf um 11 Prozent. Nach einer leichten Erholung am Freitag ging es am vergangenen Montag weiter bergab. Gegen Mittag lag der Preis für den Februar-Kontrakt mit rund 75,50 US-Dollar pro Barrel um 1,7 Prozent unter dem Schlusskurs am Freitag. Die Sorgen um ein Abflauen der Weltwirtschaft und eine damit verbundene Nachfrageabschwächung für Rohöl erweisen sich stärker als die Angst vor einer Versorgungslücke.

Neben dem Importverbot in die EU- und G7-Staaten untersagt das Embargo auch russische Öllieferungen in Drittländer, es sei denn, bei solchen Geschäften wird eine Preisobergrenze von 60 Dollar/Barrel für russisches Öl eingehalten. Andernfalls dürfen die Ladungen nicht transportiert oder versichert werden. Tankerreedereien oder Transportversicherer machen sich sonst strafbar.

Russland betreibt eine "Schattenflotte" von Tankern

Russland lehnt die Preisobergrenze entschieden ab und ist bemüht, seine Lieferungen an strategische Partner wie China und Indien zu einem eigenen Preis, der näher am Weltmarktniveau liegt, aufrechtzuerhalten. Medienberichten zufolge hat sich Moskau eine „Schattenflotte“ von rund 100 Tankern gesichert, um das Transport- und Versicherungsembargo der westlichen Staaten zu unterlaufen.

Schwieriger dürfte es sein, gleichwertige Versicherungsdeckungen zu beschaffen. Vor allem die Haftungsrisiken für Umweltschäden durch Schiffshavarien sind kaum alternativ zu decken. Wichtigste Anbieter dafür sind die P&I Clubs, die sich in der International Group mit Hauptsitz in London zusammengeschlossen haben und Haftungsdeckungen in Milliardenhöhe anbieten. Alternativlösungen für große Tanker gibt es bislang nicht.

An den ersten schifffahrtspolitischen Reaktionen auf die Sanktionen lässt sich erkennen, dass dies der „Casus knacksus“ für russische Lieferungen sein könnte. Aus Sorge vor den Kosten einer Umweltkatastrophe infolge der Havarie eines mit russischem Öl beladenen Tankers ist die Türkei dazu übergegangen, uneingeschränkte P&I-Versicherungsnachweise aller Schiffe einzufordern, die ihre Gewässer befahren. Ein solches Versprechen will aber kein westlicher Versicherer geben, weil er sich sonst unter Umständen mit Ansprüchen konfrontiert sehen könnte, die aus sanktionierten und somit nicht gedeckten Transporten resultieren. Die Folge: Viele beladene Tanker konnten die türkischen Meerengen aus dem Schwarzen Meer kommend mangels der geforderten Nachweise nicht mehr passieren.

30

Tanker warten vor dem Bosporus auf die Passage durch die Meerenge.

Quelle: Angaben von Schiffsmaklern

Bis Ende vergangener Woche wuchs die Warteschlange vor dem Bosporus auf knapp 30 Tanker an, wie Schiffsmakler berichten. Eine Lösung war zu Wochenanfang noch nicht in Sicht.

Der Rückstau sorgt zudem dafür, dass gerade im Mittelmeer und dem Schwarzen Meer die Tonnage jetzt noch knapper wird. Das treibt die Charterraten weiter in die Höhe, „obwohl der Markt nicht gerade vor Aktivität sprüht“, erklärt Francesco Tassello, Tanker-Analyst bei dem britischen Makler Affinity Shipping. So kletterten die Spoteinnahmen der Suezmax- (160.000 tdw) und Aframax-Tanker in der Mittelmeer-Fahrt im Gegensatz zu den Ölpreisen vergangene Woche um je 11 Prozent nach oben.

Die Terminkurse für Rohöl (Brent) für 2023 lagen mit 76 bis 77 Dollar/Barrel zu Wochenanfang marginal über den Spotpreisen. Die Marktteilnehmer sind demzufolge relativ gelassen, was die weitere Entwicklung angeht. Andererseits ist der Rohölmarkt für seine Volatilität berüchtigt.

Die Lage kann sich jederzeit überraschend ändern. Was die Preise für Treibstoffe betrifft, könnte es schon zu Jahresanfang turbulenter werden, warnen einige Experten. Denn Anfang Februar tritt als Nächstes ein Embargo der westlichen Staaten auf russische Destillate in Kraft. Nicht auszuschließen, dass dies speziell die Preise für Diesel und Schiffstreibstoffe in Nordeuropa nach oben treiben wird. (jpn)

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