„In der Schwergutbefrachtung können alle zufrieden sein“

BBC-Chartering-CEO Ulrich Ulrichs spricht über die interessantesten Entwicklungen im Projektgeschäft sowie die Effekte der Krise im Roten Meer auf die Branche und gibt Einblick in die Flottenstrategie des weltgrößten Projekt-Tramp-Carriers.

„Die Welt scheint sich auf die Lage im Roten Meer eingestellt zu haben. Der Druck, zu einer Lösung zu kommen, ist nicht mehr so groß“, sagt Ulrich Ulrichs. (Foto: Michael Hollmann)

DVZ: Die Boomjahre der Pandemie mit astronomisch hohen Frachtraten liegen hinter Ihnen. Wie hat sich der Markt für BBC Chartering jetzt eingependelt?

Ulrich Ulrichs: Insgesamt sehr gut, obwohl es 2023 deutlich runterging. Die Erträge haben sich von einem sehr hohen Niveau ausgehend normalisiert. Im Vergleich zu den Jahren vor 2021 und 2022 stehen wir aber immer noch besser da. Eigentlich können alle Beteiligten in der Schwergutbefrachtung zufrieden sein.

War die Marktabkühlung in der Schwergutschifffahrt stärker als erwartet? Eigentlich sollten die Projektverladungen mit Blick auf die Transformationen im Energiesektor und der Industrie doch weiter boomen.

Aus meiner Sicht war die Kurve nach unten nicht überraschend, weil der Markt vorher stark überhitzt war. Das hatte mit Angebot und Nachfrage für Tonnage in unserem ureigenen Segment nicht viel zu tun. Der Boom schwappte aus dem Containersegment über, wo Kunden panisch nach Kapazität suchten. Plötzlich waren dann auch Mehrzweckfrachter für Containergeschäft interessant. Das war eine vorübergehende Welle, die wir gern mitgenommen haben mit bestimmten Schiffstypen, mehr aber auch nicht.

Was sind aus Ihrer Sicht aktuell die interessantesten Entwicklungen im Projektgeschäft?

Die Entwicklungen im gesamten Energiesektor gehen über die erneuerbaren Energien hinaus. Es herrscht wieder eine große Aktivität im Öl- und Gassektor, der nach wie vor Brot und Butter für unser Marktsegment ist. Die Welt hat großen Energiehunger, der durch die fossilen Brennstoffe weiter mit gedeckt wird. Wir stellen das durch verstärkte Verladungen von Röhren und entsprechenden Maschinen und Anlagenteilen fest. Auch im Bergbau wird investiert, um die Nachfrage nach bestimmten Metallen wie Kupfer, Aluminium oder Lithium für die Batterieproduktion bedienen zu können. Das zieht dann für uns weitere Ladungsmengen in Südamerika, Südostasien und Australien nach sich. Zusätzlich sehen wir seit vergangenem Jahr eine hohe Nachfrage durch Ladungen aus dem RoRo-Sektor, wie Trailer, LKW und Baumaschinen, weil dort die Kapazitäten so knapp sind.

Ulrich Ulrichs

Der 52-jährige Manager ist seit 2019 Geschäftsführer bei BBC Chartering. Davor war er lange Jahre bei der Rickmers-Linie in Hamburg tätig, zuletzt als CEO. Von 2000 bis 2005 arbeitete er für den Carrier AAL (seinerzeit: Austral Asia Line) in Shanghai und in Brisbane. Ulrichs erwarb sein Diplom als Wirtschaftsingenieur im Studiengang Seeverkehrs- und Hafenwirtschaft am Standort Elsfleth der Fachhochschule Oldenburg. Der gebürtige Lüneburger ist verheiratet und hat eine Tochter.

Stellen Sie sich da auf viele Aufträge aus dem Nahen Osten ein, dem Zentrum für Groß- und Megaprojekte im Energie- und Infrastrukturbereich?

Meine Erfahrung sagt mir, dass man solche Ankündigungen für Megaprojekte immer mit einer Portion Vorsicht genießen sollte. Es kommt immer wieder zu Verschiebungen und Verzögerungen, so dass die Wahrscheinlichkeit eher gering ist, dass es zu einer immensen Ballung von Nachfrage kommt, die einen Gamechanger für den gesamten Markt darstellt. Oftmals weiß man zu Beginn eines Projekts auch noch gar nicht genau, welche Schiffstypen und Verkehrsträger zu welchen Anteilen genau benötigt werden. Man sollte also nicht in Euphorie verfallen. Gleichwohl ist es insgesamt positiv zu bewerten, dass dort Großprojekte geplant sind. Ich rechne eher mit graduellen Verbesserungen für uns, die sich dadurch ergeben, dass vor allem große Mehrzweckfrachter und kleine Bulker die Grundlast für diese Projekte abfahren und dann unseren kleinen Schwergutschiffen weniger Konkurrenz in den Haupthäfen machen. Eine ganz andere Sache, die uns seit letztem Jahr positiv auffällt, ist die Zunahme der Exportmengen aus den Ländern des Persischen Golfs. Metalle, Anlagenteile, Gebrauchtanlagen und so weiter. Früher war das ein völlig unpaariger Verkehr, mit vollen Schiffen in die Region rein und dann leer in Ballast wieder raus. Heute bekommen wir unsere Schiffe da viel besser weg, sogar während des Ramadans.

Dafür ist es wohl schwieriger geworden, die Schiffe in die Golfregion hineinzubekommen, nachdem die Route durch das Rote Meer tabu ist. Wie hart treffen die Umwege um das Kap der Guten Hoffnung die Projektschifffahrt?

Das sorgte gerade in der Anfangsphase für große Störungen bei Reisen, die schon im Gange oder fest geplant waren. Da gab es natürlich einige Engpässe. Inzwischen hat sich der Handel darauf eingestellt, dass wir mit allen Schiffen einen Bogen um das Risikogebiet machen. Die Planungen und Lieferketten konnten sich anpassen. In Summe kann man sagen, dass es nur einen moderaten Effekt auf unser Marktsegment hatte, anders als bei den Containerlinien.

Gab es große Spannungen oder Streitigkeiten mit Kunden, die plötzlich länger als geplant auf die Auslieferung ihrer Ware warten mussten? Oder sich gegen zusätzliche Kosten gewehrt haben?

Da gab es wie immer in solchen Umbruchsituationen viele Diskussionen, und nicht alle verliefen glücklich. Als Carrier konnten wir aber die zusätzlichen Kosten natürlich nicht allein absorbieren, gerade bei Verladungen wie zum Beispiel vom Mittelmeer zum Persischen Golf, die sich ganz extrem verteuert haben.

Welche Fälle waren am schwierigsten?

Die, in denen die Ladung schon an Bord war und die Schiffe dann den Kurs ändern mussten. Grundsätzlich haben wir in unseren Bill of Ladings Klauseln mit Bezug auf kriegerische Auseinandersetzungen, die es uns erlauben, den Kunden solche Zusatzkosten zu berechnen. Trotzdem ist es noch eine Frage des Stils, wie man an das Problem rangeht. Da kann man nicht einfach sagen, lieber Kunde, jetzt zahl mal. So etwas muss man schon anmoderieren und plausibel erklären, wenn man eine vernünftige Geschäftsbeziehung erhalten möchte. Das Gros der betroffenen Kunden hat Verständnis gezeigt; es gibt nur ein paar Einzelfälle, in denen wir uns bis jetzt nicht einigen konnten.

BBC Chartering

Das 1997 gegründete Befrachtungsunternehmen gilt mit rund 140 Schwergut-Mehrzweckfrachtern als weltgrößter Tramp-Projekt-Carrier. Die Firma ist Teil der Reedereigruppe Briese mit Hauptsitz in Leer, die auch den Großteil der Schiffe stellt. Zu den wichtigsten Ladungen für BBC gehören Anlagen und Material für die Energiewirtschaft, Infrastrukturprojekte und den Bergbau, des weiteren Stahlprodukte und andere Stück- und Massengüter. Das eigene Netzwerk umfasst 30 Standorte weltweit mit zusammen circa 300 Mitarbeitern, darunter drei regionale Hubs in Leer (Hauptsitz), Singapur und Houston.

Mussten Sie bei BBC mehr Schiffe als sonst chartern, um Ihr Geschäft weiter bedienen zu können?

Nein, wir konnten die Effekte für unseren Tonnagebedarf durch Umdisponieren von Schiffen und Reisen mildern. Anders als die Container-Carrier arbeiten wir nicht mit festgelegten Schiffssystemen in Liniendiensten, sondern setzen unsere Schiffe flexibel in der Tramp-Fahrt ein. Die Zuordnung auf bestimmte Ladungen und Destinationen können wir mit unserer großen Flotte und der Vielzahl von Positionen kurzfristig anpassen. Notfalls splitten wir eine Ladung und verteilen sie auf zwei kleinere Schiffe, wenn ein großes aufgrund unvorhergesehener Entwicklungen nicht pünktlich zur Verfügung steht. Im Übrigen gibt es kurzfristig auch gar keine Mehrzweckfrachter zum Chartern, jedenfalls keine Heavylifter, weil die gesamte Flotte fest auf die Carrier aufgeteilt ist.

Zwar haben auch Sie keine Glaskugel und wissen nicht, wie lange die Krise im Roten Meer anhalten wird. Doch was ist Ihr Gefühl?

Im Januar hätte ich gesagt, dass es in zwei bis drei Monaten gelöst ist, weil Ägypten als Großmacht in der Region es nicht länger duldet. Das Land leidet sehr unter den Ausfällen im Suez-Transit. Jetzt hat man den Eindruck, dass sich die Welt auf die veränderte Lage eingestellt hat und der Druck, zu einer Lösung zu kommen, nicht mehr so groß ist. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir mit der Situation bis Ende des Jahres leben müssen. Für uns bleibt es erst einmal dabei, dass alle Schiffe um Südafrika herumfahren und wir das Geschäft entsprechend quotieren.

Glauben Sie, dass es noch einmal richtig eng wird und die Raten durch die Decke gehen?

Ich will mich nicht darauf verlassen, dass die geopolitischen Umstände für einen erneuten Boom in unserem Segment sorgen. Es läuft in der Weltwirtschaft insgesamt nicht rund. Nur in den USA läuft es und im Energiesektor im Nahen Osten. Das sind keine Voraussetzungen für einen Boom. Dennoch ist festzustellen, dass die Erwartungen für unser Kernsegment der Projektschifffahrt positiv sind.

Wie beurteilen Sie die Stimmung unter den Verladern??

Auf einer Branchenkonferenz in New Orleans, die wir gerade besucht haben, machten sich die Verlader hauptsächlich Gedanken darüber, wie sich die nötigen Schiffskapazitäten in der Zukunft sichern lassen. Da gibt es offensichtlich Besorgnis. Mit Blick auf das Altersprofil der Flotte ist das verständlich. Die großen Jahre für Ablieferungen von Schwergutfrachtern waren 2007, 2008, 2009 und 2010. Diese Schiffe kommen in den nächsten drei bis fünf Jahren alle in ein kritisches Alter. Da wird der Markt viel Tonnage verlieren.

BBC und seine Muttergesellschaft Briese haben mehr Schiffe bestellt als die Wettbewerber. Wie wird sich Ihre Flotte entwickeln?

Wir erwarten im kommenden Jahr vier weitere F500-Schwergutfrachter (12.500 dwt) und darüber hinaus ab diesem Monat bis Q1 2026 insgesamt 15 Lakermax-Einheiten (13.000 dwt). Zusammen sind das 19 Neubauablieferungen in zwei Jahren. Seit 2018 haben wir bereits elf neue F500-Typen in Dienst gestellt, diese Serie ist gerade abgearbeitet. Mit dem Lakermax-Design mit Brücke vorne und optimierten Abmessungen für die St.-Lawrence-Seaway-Passage wollen wir neue Maßstäbe setzen.

Inwiefern?

Die Schiffe werden unsere Arbeitsschiffe der Zukunft sein. Das Deadweight (Tragfähigkeit) ist nur leicht erhöht, die Cubage (Fassungsvermögen/Volumen) aber ganz erheblich mit erhöhtem Freibord. Dazu gibt es mehr Staukapazität an Deck, weil der Sichtstrahl von der Brücke nicht eingeschränkt wird. Außerdem steht eine erhöhte Quadratmeterzahl an Ladefläche zur Verfügung, da wir zumindest die ersten zwei Schiffe als Triple-Decker mit zwei flexiblen Zwischenlagen in den Luken fahren werden. Die kann man auf den verschiedensten Höhen einhängen und an Ladungen anpassen. Die Lernkurve wird zeigen, wie wir es langfristig am besten anstellen. Nicht zu vergessen, ist der Verbrauch der Schiffe sehr gering. Wir streben, wie mit den F500-Typen 14 Tonnen bei 14 Knoten an, obwohl sie viel mehr Ladekapazität haben, 40 Prozent mehr Cubage.

Dient das Neubauprogramm auch dazu, die Flotte insgesamt zu vergrößern?

Nein, das Programm ist nicht auf Wachstum ausgelegt. Es geht uns eher darum, unsere Position und unsere Größe zu halten, wobei die Produktivität der neuen Schiffe natürlich deutlich höher sein wird. Da müssen wir vorausdenken und auch stärker selbst investieren als früher, weil uns weniger Tramp-Reeder mit Charterschiffen zur Verfügung stehen.

Wie wird sich die Flottenkonfiguration entwickeln?

Der Anteil unserer eigenen Schiffe wird von 65 Prozent etwas ansteigen. Ein Aspekt, der uns sehr wichtig ist, ist die Diversität der Flotte, um für alle Arten von Breakbulk- und Projektladung das passende Schiff zu haben. So haben wir seit 2022 auch die ersten Handysize-Bulker in die Flotte aufgenommen. Das sind jetzt sieben Einheiten, die unsere Reederei selbst bestellt hatte.

Wie sind die weiteren Pläne?

Zwei weitere Schiffe werden dann noch im kommenden Jahr dazukommen. Für uns passte es zum Ende des Corona-Booms hin sehr gut. Bestimmte Ladungskategorien können wir damit gut fahren. Vor allem konnten wir mit den Bulkern großvolumige einfache Ladungen fahren und dadurch auf den anderen Schiffen mehr Platz für hochwertige Schwergutladung gewinnen, die weniger Tragfähigkeit, aber dafür mehr Hebekapazität benötigt. Das hat sehr gut funktioniert. Wir wollen die Synergien zwischen Handysize- und Mehrzweckfrachtern weiter ausbauen. (ol)

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