Welche Themen die Projektlogistik bewegt

Der Projektlogistik-Monitor und ein Karrierebarometer geben einen Einblick in die Markt- und Stimmungslage der Unternehmen und die Beschäftigtensituation.

Im chinesischen Hafen von Fuzhou werden 108 Meter lange Rotorblätter von Windkraftanlagen verladen. (Foto: Picture Alliance/CFoto)

Anlässlich des 11. Fachforums Projektlogistik der BHV-Bremische Hafen- und Logistikvertretung Anfang des Jahres wurden mit dem Projektlogistik-Monitor und dem Karrierebarometer zwei Umfragen durchgeführt, die einen umfassenden Einblick in die Markt- und Stimmungslage der Unternehmen und Beschäftigten der sogenannten Königsdisziplin der Logistik ermöglichen. An den anonymen Umfragen beteiligten sich rund 60 Unternehmen und über 250 Beschäftigte.

Zurückhaltender Marktausblick bei den Unternehmen

Nur knapp ein Drittel der Unternehmen rechnet 2024 mit steigenden Mengen. Rückblickend auf das vergangene Jahr gaben dafür mehr als die Hälfte der Unternehmen an, dass ihr Ladungsaufkommen gegenüber 2022 angestiegen sei. Von steigenden Frachtraten gehen fast 50 Prozent der Befragten aus, rund 40 Prozent von stagnierenden Raten und nur eine Minderheit von sinkenden Frachtraten. Als Märkte mit den größten Wachstumschancen sehen die Unternehmen derzeit Nordamerika, Asien und Afrika. Zentrale Herausforderungen bleiben für die Betriebe der Kostendruck und der Fachkräftemangel.

Industrie setzt mit Nachdruck auf End-to-end-Lösungen

Aus Sicht der Befragten des Projektlogistik-Monitors gilt die Verladerseite als Haupttreiber der Digitalisierung. André Starke, Head of Project Logistics bei Andritz Hydro, sagt: „Reibungslose Informationsflüsse, eine integrierte Systemlandschaft, zusätzliche Schnittstellten und eine ganzheitliche Datenbasis bieten für uns die Grundlage für unsere aktuellen Optimierungsansätze.“ Hierzu gehörten eine frühzeitigere Einbindung ins Engineering, umfangreichere Machbarkeitsstudien sowie ein verbessertes Abweichungs- und Lieferantenmanagement. „Diese Entwicklungen wollen wir partnerschaftlich mit den Logistikunternehmen angehen“, so Starke, „fordern aber auch Eigeninitiative und Investitionsbereitschaft.“

Die Unternehmen investieren vor allem in die Technologiebereiche Big Data und künstliche Intelligenz (KI). Allerdings zeigen die Umfrageergebnisse auch, dass derzeit fast die Hälfte der Unternehmen hier keine nennenswerten Vorhaben voranbringt. Auf Innovationskurs ist dagegen der Logistikbereich von Thyssenkrupp Uhde, der ähnlich wie Andritz Hydro auf eine integrative End-to-end-Optimierung setzt. „In einem unserer aktuellen Projekte werden wir gemeinsam mit den beteiligten Logistikpartnern und wissenschaftlicher Begleitung bestehende Prozesse und Abläufe analysieren“, sagt Daniel Duus, Global Head of Logistics bei Thyssenkrupp Uhde. Diese schüfen die Voraussetzungen für ein proaktiveres Reagieren auf Veränderungen, erbrächten Erkenntnisse und seien eine Blaupause für eine ganzheitliche End-to-end-Projektlogistik von morgen.

Nachhaltigkeit weiter ganz oben auf der Agenda

Die Projektlogistiker konzentrieren sich hinsichtlich ihrer nachhaltigen Maßnahmen aktuell besonders auf die Einführung einer Nachhaltigkeitsstrategie, die Förderung des Umweltbewusstseins ihrer Mitarbeitenden, die Erweiterung ihres Berichtswesens um nachhaltige Kennzahlen, die Messung des eigenen CO2-Fußabdrucks und die Umrüstung der betrieblichen Infrastruktur. Die thematischen Schwerpunkte weichen hier nur unwesentlich ab von früheren Erhebungen des Projektlogistik-Monitors. Die nachhaltige Agenda besteht, und die grundsätzliche Motivation der Mitarbeitenden scheint auch gegeben.

Und so ist keine Spur von Klimamüdigkeit zu erkennen: Rund zwei Drittel der Beschäftigten möchten sich in ihrem Berufsleben mehr in Sachen Nachhaltigkeit engagieren. Unternehmensübergreifend tauschen sich Verlader, Projektspediteure und Verpackungsunternehmen seit vergangenem Jahr zudem regelmäßig gemeinsam über regulatorische Anforderungen und einzusetzende Softwaretools aus, vor allem aber auch über Ideen und Maßnahmen, die zu mehr Nachhaltigkeit entlang der Projektlogistikkette führen können. So kamen die Unternehmen Ende April 2024 zum „Zukunftstag Nachhaltigkeit“ im Bremer Casino Futur zusammen, um über die Chancen und Herausforderungen der Kreislaufwirtschaft und Ansätze zur Verwendung recycelter Materialien sowie deren Wieder- und Weiterverwendung zu sprechen. Im Herbst wird die Runde weitergeführt.

Die Bedeutung, nachhaltige Maßnahmen vor allem aufseiten der Logistikunternehmen voranzubringen, unterstreicht auch Andreas Ulrich, Global Head of Logistics der SMS Group. „Die Verankerung von ESG-Kriterien in den operativen Abläufen und die Fähigkeit, umfassend Daten für die Kundenseite bereitzustellen, werden zunehmend erfolgskritisch. Dabei unterstützten wir unsere Logistikpartner durch laufende Schulungsmaßnahmen und die Beteiligung an Veranstaltungen wie dem Zukunftstag Nachhaltigkeit“, so Ulrich.

Projektlogistiker weitgehend zufrieden mit ihrer Arbeitswelt

Vier Fünftel der Beschäftigten sind aktuell zufrieden mit ihrem Arbeitsleben, und drei Viertel bewerten ihr Arbeitsumfeld als flexibel genug, um Beruf und Familie gut miteinander zu vereinbaren. Auch was die Karriereplanung anbelangt, zeigen sich die Projektlogistiker vorausschauend: Fast 75 Prozent befassen sich intensiv mit der Zukunft ihres Berufs.

Allerdings fühlen sich vier von zehn der Beschäftigten vom Arbeitgeber bei ihrer langfristigen Karriereplanung nicht aktiv unterstützt. Ein Drittel bemängelt zudem, nicht genügend Weiterbildungsmöglichkeiten zum Kompetenzaufbau zu erhalten. Qualifizierung, Weiterbildung und Umschulung stehen bei den Unternehmen als Maßnahmen zur Mitarbeitergewinnung allerdings mit 70 Prozent ganz oben auf der Agenda. Allerdings sehen 40 Prozent der Beschäftigten für sich grundlegend nicht genügend Entwicklungschancen im Unternehmen. Vor diesem Hintergrund scheint es nicht verwunderlich, dass mehr als ein Drittel sich einen Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber in den kommenden zwölf Monaten vorstellen kann.

Zu denken geben sollte den Unternehmen der Projektlogistik darüber hinaus, dass sich nur eine Minderheit der Befragten vorstellen kann, bis zu ihrem 67. Lebensjahr zu arbeiten. Hier gilt es gerade im Hinblick auf den zunehmenden Fachkräftemangel, seitens der Unternehmen neue Wege zu gehen und bessere Angebote zu entwickeln.

Persönliches Engagement zahlt sich aus

Wie schon bei den Auswertungen der Vorjahre des Projektlogistik-Monitors steht persönliches Engagement ganz oben auf der Liste der Differenzierungsmöglichkeiten im Wettbewerb, dicht gefolgt von innovativen Logistikkonzepten und Flexibilität. Die Branche bietet dem Nachwuchs ein Arbeitsumfeld an, in dem es vor allem um den Menschen geht, den eigenen Einsatz, Kreativität, Veränderungsfähigkeit, die Chance, international zu agieren. Auch im Hinblick darauf, dass heute bereits mehr als 80 Prozent der Betriebe, insbesondere im kaufmännischen Bereich, unter einem Mangel an qualifizierten Bewerbern leiden und nur noch die Hälfte von ihnen im vergangenen Jahr alle Ausbildungsplätze besetzen konnte, gilt es, die genannten Vorteile und Besonderheiten der Projektlogistik noch gezielter und überzeugender nach außen zu kommunizieren.

Über genügend spannende Geschichten für ein zukunftsweisendes Employer Branding und Storytelling verfügt die Welt der Projektlogistik auf jeden Fall. Dabei gilt es, sich natürlich auch über die richtigen Kommunikationskanäle Gedanken zu machen. Dass hier die Unternehmen mit großem Abstand vor allem auf LinkedIn setzen, mag – was die Gewinnung von Fachkräften anbelangt – durchaus richtig sein. Nur wer auch den Nachwuchs erreichen möchte, sollte hier wohl noch nachbessern und vermehrt auf weiteren Kanälen die positiven Botschaften der Projektlogistik verkünden. (ol)

Sven Hermann ist Professor für Logistik und Supply Chain Management an der NBS Northern Business School in Hamburg und Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Prolog Innovation in Bremen.

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