Gräfenhausen verändert die Transportwelt

Unternehmerische Sorgfaltspflichten aus Lieferkettengesetz und Nachhaltigkeitsrichtlinie erfordern, dass sich Auftraggeber über die Arbeitsbedingungen bei ihren Frachtführern informieren. BAFA-Referatsleiter Norman Müller präzisiert ihre Verantwortung.

Der Protest von Lkw-Fahrern der polnischen Unternehmensgruppe Mazur hat die Aufmerksamkeit einer breiten Öffentlichkeit auf die Arbeitsbedingungen in der Transportbranche gelenkt. (Foto: IMAGO / HEN-FOTO)

Menschenrechte Was neue Gesetze bedeuten, zeigt manchmal erst die Praxis. Warum das besonders für das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) gilt, verdeutlicht Norman Müller, Referatsleiter im Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), der zuständigen Behörde. Der Fall Gräfenhausen habe für einen Aha-Effekt im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen in der Transportbranche gesorgt und den Handlungsbedarf vor dem Hintergrund des Gesetzes gezeigt. „Dort ist offensichtlich geworden, dass die Verantwortung innerhalb der eigenen Unternehmensgrenzen nicht ausreicht“, unterstreicht Müller.

Die Protestaktion der Fahrer der polnischen Unternehmensgruppe Mazur habe auch der breiten Öffentlichkeit vor Augen geführt, unter welchen Umständen zahlreiche Fahrer aus Osteuropa, Zentralasien und Indien in Deutschland unterwegs sind. „Ich war damals selbst vor Ort und habe Fahrer befragt“, verrät der Referatsleiter und erzählt von Löhnen, die nicht nur unter dem Mindestlohn, sondern sogar unter dem Existenzminimum liegen.

Dem stehe mit dem LkSG nun ein Meilenstein in der Gesetzgebung gegenüber, der für nachhaltiges und gerechtes Wirtschaften sorgen werde. Denn nun sei klargestellt, dass auch Dienstleistungen im Einklang mit den Forderungen des Gesetzes erbracht werden müssen; darauf hätten auch die Empfänger von Lieferungen zu achten. „Damals wusste rund die Hälfte der Unternehmen nicht, dass Waren für sie auf den Lkw der Mazur-Gruppe unterwegs waren“, berichtet Müller. Ihnen war außerdem unbekannt, dass sie Verantwortung für ihre Zulieferer tragen.

Jetzt sei klar, dass es zu den zentralen Pflichten von Auftraggebenden gehöre, menschenrechtliche Risiken in ihrer Lieferkette zu identifizieren und dagegen geeignete Maßnahmen zu ergreifen. „Es reicht nicht aus, Verträge abzuschließen und darauf zu vertrauen“, verdeutlicht der BAFA-Mann. In der komplexen Transportbranche sei es zudem nicht einfach zu kontrollieren, ob Vereinbartes auch eingehalten werde. Proaktive Maßnahmen wie Audits, Schulungen und die Einrichtung von Beschwerdemechanismen sollten sinnvollerweise durch Solidarität und Zusammenarbeit unter den zivilrechtlichen Akteuren ergänzt werden.

Branchenverbände können Informationen teilen

Wer Transportaufträge an Frachtführer in Risikoländern vergebe, müsse beispielsweise kontrollieren, ob die Fahrer ihre Arbeitsverträge in einer Sprache erhielten, die sie beherrschen. Darüber hinaus sei auch darauf zu achten, dass sie eine verständliche Lohnabrechnung und Informationen über ihre Arbeitnehmerrechte bekämen. Hilfreich könne der Dialog über Branchenverbände sein, die einheitliche Fragebögen entwickeln und ihren Mitgliedern Informationen zu Zulieferern über eine gemeinsame Datenbank zur Verfügung stellen.

Auch Frachtenbörsen können nach Ansicht von Timocom-Unternehmenssprecher Gunnar Gburek einen Beitrag zur Überprüfung der Frachtführer leisten. Dazu bestehe für Speditionen etwa die Möglichkeit, innerhalb der Plattform geschlossene Gruppen mit Dienstleistern einzurichten, die sie zuvor selbst unter die Lupe genommen haben. „Auch Frachtenbörsen überprüfen die Transportunternehmen, wenn sie sich registrieren“, betont er.

„Wir ermitteln über das Handelsregister, ob das Unternehmen überhaupt existiert, untersuchen, ob die handelnden Personen in der Vergangenheit schon einmal auffällig wurden, sie straffällig wurden oder schon einmal insolvent waren“, fährt er fort. Außerdem verfolge Timocom kontinuierlich, ob EU-Lizenz und Versicherungsbescheinigungen vorliegen und gültig sind. „Solche Aufgaben sind gut automatisierbar, und wir erledigen sie über eine künstliche Intelligenz.“ Im Umgang mit Verhaltenskodizes, die auch Speditionen regelmäßig unterschreiben müssten, helfe dagegen nur eine sorgfältige Prüfung und ein gutes Gewissen. (loe)

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