Olympische Hindernisse für die Logistik in Paris
Gut vier Wochen bevor die Olympischen Spiele beginnen, macht sich Paris auch verkehrsseitig für das sportliche Großereignis bereit. Ursprünglich sollten vom 1. Juli bis zum 15. September auf einer Strecke von 185 Kilometern Olympische Fahrspuren (Voies Olympiques) für den Verkehr von Fahrzeugen akkreditierter Personen sowie für Rettungs- und Sicherheitsfahrzeuge reserviert werden – also lange vor den Sommerspielen (26. Juli bis 11. August) und bis deutlich nach den Paralympischen Spielen (28. August bis 8. September). Allerdings gab es einige Kritik, so dass die Restriktionen sukzessive etwas abgemildert wurden. Nach jüngsten Informationen sollen sie nun je nach Streckenabschnitt zu unterschiedlichen Zeiten gelten, was die Gesamtsituation unübersichtlich macht; bis zum Beginn oder sogar noch während der Spiele sind weitere Veränderungen wahrscheinlich.
Die Ängste aufseiten der Logistikunternehmen und der Bevölkerung in der Stadt sind jedenfalls weiterhin groß, berichtet Sébastien Béolet, Software Development Manager in Paris beim Logistiksoftwareunternehmen PTV. Bereits in normalen Zeiten hat Paris auf 30 Prozent der Straßen mit Staus zu kämpfen. Im Stauranking von IT-Anbieter Tomtom belegte die Stadt im vergangenen Jahr in Europa Platz 8 und weltweit Platz 16.
Vorrang für offizielle Fahrzeuge
Im Mai 2022 wurde zwar ein Dekret erlassen mit einer Liste der Straßen und Abschnitte, die für die Olympischen und Paralympischen Spiele 2024 bestimmten Fahrzeugen vorbehalten sind. Detailliertere Informationen sind aber erst seit Ende vergangenen Jahres verfügbar. Ein zentraler Bestandteil ist die Onlineplattform JOPtimiz (ein Akronym für Jeux olympiques et paralympiques/JOP und optimize), auf der unter anderem auch Tipps für Logistiker für die erfolgreiche Belieferung während der Spiele zu finden sind. Auf einer interaktiven Karte der Île-de-France sind die jeweiligen Sicherheitszonen, die reservierten Fahrspuren und die für die Anlieferung vorgesehenen Bereiche eingezeichnet.
Nicht alle Unternehmen halten das digitale Angebot jedoch für ausreichend: „Die Daten sind nicht einfach nutzbar“, kritisiert Béolet. „Die Regierung hat nun zwar angefangen, eine Datenbank für einige der Verkehrsbeschränkungen aufzusetzen.“ Diese sogenannte Dialogplattform soll die Erfassung und Veröffentlichung der von den Gebietskörperschaften in Frankreich festgelegten Straßenbeschränkungen automatisieren und beschleunigen. Dazu werden die Informationen als offene Daten zur Verfügung gestellt und auf GPS-Anwendungen übertragen, um die Fahrer auf dem Laufenden zu halten, berichtet Béolet. Die Beschränkungen für die Olympischen Spiele sind jedoch noch nicht vollständig in dieser Datenbank enthalten.
Deshalb hat sich das Unternehmen für seine Logistiksoftware, in die es aus vielen verschiedenen Kanälen stammende Daten manuell hinzufügen kann, auf andere Quellen konzentriert. „Die Olympischen Spiele sind ein interessanter Anwendungsfall. Wir konnten früher als die Regierung ein entsprechendes Tool anbieten“, unterstreicht der Entwickler. „Unser Vorteil war, dass wir die Funktionalität, bestimmte Zonen zu blockieren, bereits in unserer Software hatten, so dass wir nur noch die spezifischen Karten hinterlegen mussten“, betont CPO An de Wispelaere. Den wichtigsten Kartendienstleistern fehlten jedoch ebenfalls etliche Informationen.
„Wir bieten unsere Lösung entweder als Komponente zur Integration in bestehende Systeme oder für Endnutzer wie Dispatcher, Einzelhandelsunternehmen und Produktionsbetriebe, die die Routenplanung selbst vornehmen wollen“, erläutert Matthias Hormuth, Vice President Product Management. „Die technischen Komponenten werden sowohl in unsere eigene Software als auch beispielsweise in die Fleet-Management-Software von Drittanbietern integriert.“
Tourenoptimierung spart Zeit
Mit Hilfe von Algorithmen kann etwa die cloudbasierte Saas-Software Optiflow Logistikunternehmen dabei unterstützen, die optimale Planung von Fahrzeugen, Strecken und Arbeitsstunden auch bei mehreren Stopps vorzunehmen. „In einem Beispielfall mit 2.000 Zustellungen beträgt die Gesamtentfernung normalerweise 5.000 Kilometer, aber unter Einbeziehung der Verkehrsrestriktionen kommen fast 1.400 Kilometer hinzu“, erläutert de Wispelaere. Werden diese nicht berücksichtigt, würden sich viele Fahrer verspäten und Überstunden machen. „Für optimierte Touren werden zwar 57 Fahrer statt 55 benötigt, die aber lediglich 400 Kilometer Umwege fahren und pünktlich ankommen“, so de Wispelaere. Sie selbst sei überrascht gewesen über diese Auswirkungen, die noch dazu davon abhängen, an welchem Tag der Spiele die Fahrten stattfinden; das gelte besonders während der Eröffnungsfeier und für die Dauer des Marathons.
Lukas Petrasch, CEO des Logistikplattformanbieters Cargoboard, arbeitet zwar in Paderborn, weiß aber ebenfalls um die Verkehrsbeschränkungen in Paris: Pro Woche wickelt das Unternehmen rund 250 Sendungen nach Frankreich ab, wobei Mitglieder der Stückgutkooperation Cargoline die Transporte übernehmen. „Mit unserem Partner vor Ort sind wir wegen der enormen Verkehrsbehinderungen – teils Verbote und teils Zugangsbeschränkungen – ständig im Austausch“, verrät Petrasch.
Dementsprechend gelten bei Cargoboard für Transporte in die betroffene Region während der Spiele einige Besonderheiten: „Terminsendungen direkt in und an die Sicherheitszonen bieten wir nur noch als Kurierfahrt an, was bis zum 12-Tonnen-Lkw möglich ist; außerdem sichern wir keine Termine zu. In der umliegenden Region können wir Stückgut zustellen, aber mit weniger Terminsicherheit und zu Preisaufschlägen“, erklärt der Cargoboard-Chef. „Außerdem akzeptieren wir nur Sendungen mit Kontaktdaten des Empfängers, damit er zuvor kontaktiert werden kann.“
Aufgrund der geringeren Stoppdichte und des Mehraufwands berechnet der Dienstleister für die Zustellung in der Pariser Kernregion mit den Postleitzahlen 75, 93, 92 und 94 Zuschläge von 20 Prozent; in den Gebieten darum herum liegen sie für die Postleitzahlen 77, 78 und 91 bei 10 Prozent. „Bezogen auf die gesamte Fracht liegen wir bei 10 Prozent, da die Zustellung das Teuerste ist“, so Petrasch.
Seine Kunden haben keine Transporte vorgezogen, da sie keine regelmäßigen Verkehre nutzen, „aber die Zahl der Kurier- und Direktfahrten steigt“. Die Beschränkungen könnten sich unter dem Strich lohnen für Cargoboard „Wir rechnen mit neuen Kunden, da viele Dienstleister dieses Produkt nicht anbieten.“ Petrasch geht davon aus, dass die Verkehrsbeschränkungen solche Verlader am stärksten betreffen, die nur sporadisch Transporte ins Pariser Umland haben und deshalb nicht damit rechnen, dass die Auswirkungen so weit über die Stadtgrenzen hinaus reichen.
Die Pariser selbst sind zumindest vorgewarnt. Sie sollen möglichst von zu Hause aus arbeiten und das Fahrrad benutzen. Die Präsidentin der Region Paris, Valérie Pécresse, betonte in diesem Zusammenhang, dass ein bisschen zu laufen gut für die Gesundheit sei. Auch die Einwohner sollen ihre Stadt in dieser Zeit sportlich nehmen. (loe)