Start-ups zwischen Kapitalflaute und Insolvenzwelle

Die mangelnde Investitionsbereitschaft potenzieller Geldgeber macht Start-ups zunehmend zu schaffen. Immer häufiger kommt es bei den jungen Unternehmen damit auch zu Pleiten.

Sofern sich die konjunkturelle Lage nicht verbessert, dürfte sich an der Zurückhaltung von Investoren und etablierten Unternehmen in absehbarer Zeit nichts ändern. (Foto: Convoy)

Die konjunkturelle Lage bringt junge Unternehmen zunehmend in die Bredouille. Die Investitionen in Logistik-Start-ups gingen laut der Unternehmensberatung McKinsey bereits 2022 im Vergleich zum Vorjahr um fast 50 Prozent zurück – vor allem in der zweiten Jahreshälfte war der Rückgang immens. Auch jetzt ist die Krise weiterhin deutlich spürbar. Zu den jüngsten Beispielen gehören die Pleite des amerikanischen Start-ups Convoy sowie die Entlassungswelle bei der Digitalspedition Flexport, deren Erträge Medienberichten zufolge im ersten Halbjahr dieses Jahres um 70 Prozent eingebrochen sein sollen. Auch das Berliner Start-up Forto hat nach Informationen der DVZ erneut Personal abgebaut.

Besonders betroffen ist laut der US-amerikanischen Datenbank Crunchbase der Lieferkettensektor. Von 2018 bis Ende 2022 haben Investoren laut deren Daten mehr als 50 Milliarden US-Dollar in Form von Start- und Wachstumsfinanzierungen in dieses Segment gesteckt. Im Jahr 2023 waren es in den USA bisher kaum mehr als 1 Milliarde Dollar und damit weniger als ein Fünftel der Summe, die im gleichen Zeitraum des Vorjahres aufgebracht wurde. Die globalen Zahlen zeigen ein ähnliches Muster. Doch das scheint mit Blick auf die gesamte Start-up-Szene nur die Spitze des Eisbergs zu sein.

Investitionsumfeld weiterhin getrübt

Nur 15 Prozent der Gründerinnen und Gründer bewerten die Investmentbereitschaft von Wagniskapitalgebern und Business Angels derzeit als positiv, geht aus dem aktuellen Deutschen Start-up Monitor (DSM) hervor. Für 43 Prozent der knapp 2.000 befragten Jungunternehmen ist die Kapitalbeschaffung die zentrale Herausforderung, 2022 waren es noch 39 Prozent.

Zudem gingen laut dem US-amerikanischen Datendienst Pitchbook die in deutsche Start-ups investierten Geldsummen von Januar bis September 2023 um fast die Hälfte auf 5,4 Milliarden Euro zurück. Damit liegt der Wert nur noch knapp über der Summe von vor der Corona-Pandemie im Jahr 2018. Zudem wurde das Kapital an deutlich weniger Jungunternehmen vergeben.

Insolvenzen steigen wieder

Ein ähnliches Krisenbild zeigen auch die Insolvenzzahlen. Rund 8.400 Unternehmen haben laut Creditreform Wirtschaftsforschung in der ersten Jahreshälfte 2023 Insolvenz angemeldet – rund 16 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Eine höhere prozentuale Zunahme gab es zuletzt 2002. Als Ursache dafür sieht Creditreform unter anderem die hohen Energie- und Materialpreise sowie die Zinswende. Betroffen sind sowohl Großunternehmen als auch Start-ups.

„In Deutschland sind bis Anfang Oktober schon mehr Start-ups pleitegegangen als im gesamten vergangenen Jahr”, schreibt das „Handelsblatt“ unter Berufung auf die Datenbank „Startupdetector“. Diese zählt in diesem Jahr bisher einen neuen Höchstwert von 238 Start-up-Insolvenzen, davon 11 aus dem Bereich Logistik, 107 aus dem E-Commerce und 60 aus dem Sektor Mobilität.

„Die enormen Kostenbelastungen durch zu hohe Energie- und Materialpreise zeigen Wirkung. Nach Jahren sinkender Insolvenzzahlen hat sich der Trend gedreht“, sagte Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung, Ende Juni anlässlich der Veröffentlichung der Insolvenzzahlen. Seitdem habe sich jedoch gerade im Bereich Transport und Logistik noch einiges an den Zahlen verändert. Konkrete Daten will Creditreform Anfang Dezember bekanntgeben.

„Das Geld der Investoren sitzt nicht mehr so locker wie in den Jahren 2021 oder 2022. Man merkt schon sehr stark, dass sie jetzt eher auf Liquidität schauen und wesentlich kritischer und zurückhaltender geworden sind“, beobachtet auch Erik Petruschke, Geschäftsführer des Digtial Hub Logistics Hamburg. „Von daher schauen wir zwar noch nicht mit Sorge, aber schon mit ein paar Falten auf der Stirn in Richtung 2024 und hoffen, dass die Talsohle dann durchschritten ist.“ Auch im Netzwerk des Digital Hubs habe es leider einige Insolvenzen gegeben.

Künstliche Intelligenz lockt Kunden an

Besonders hoch im Kurs der Investoren stehen laut Petruschke trotz der Krise noch Themen wie künstliche Intelligenz, Nachhaltigkeit und die Transparenz der Lieferketten. „Künstliche Intelligenz ist mittlerweile ein Wirtschaftszweig, der in den nächsten Jahren weiter ansteigen und den Logistik- und Supply-Chain-Sektor im Digitalisierungskontext stark beeinflussen wird“, ist Petruschke überzeugt. „Hier handelt es sich nicht mehr nur um einen Trendbegriff, sondern um eine Entwicklung, die Wirtschaftsbeziehungen nachhaltig prägt. Auch von den Partnern in Zusammenarbeit mit unseren Start-ups wird das Thema vermehrt eingefordert und genutzt, beispielsweise in Form von Prognosemodellen oder entsprechenden Tools.“

Weniger Kooperationen

Allerdings ist der Anteil der Start-ups, die mit etablierten Firmen kooperieren, laut Deutschem Start-up Monitor von rund 72 Prozent im Jahr 2020 auf nun 61 Prozent zurückgegangen. „Start-ups sind für das Innovationspotenzial der Logistikbranche sehr, sehr wichtig, weil sie dazu anregen, aus dem Unternehmenskorsett rauszukommen. Viele haben heute die gleichen Probleme: Fachkräftemangel, Nachhaltigkeit, Prozesse zu digitalisieren und zu automatisieren. Da ist es oft hilfreich, sich mit Start-ups auseinanderzusetzen“, rät Petruschke.

Sofern sich die konjunkturelle Lage nicht verbessert, dürfte sich an der Zurückhaltung von Investoren und etablierten Unternehmen jedoch in absehbarer Zeit nichts ändern.

Video: Logistikexperte Alexander Doll sprach beim Talk auf dem Roten Sofa während des DLK über die Lage der Logistik-Start-ups.

Veranstaltungstipp: HubDay 2023

Beim diesjährigen HubDay des Digital Hub Logistics Hamburg sollen Experten aus verschiedenen Industrien zeigen, wie man gerade in Krisenzeiten pragmatisch und mutig nach vorne geht, anstatt in den „Meckermodus“ zu verfallen. Mit dabei sind unter anderem Verena Pausder, Spitzensportler Steven Müller und Michel Abdollahi. Darüber hinaus gibt es Start-up-Pitches und Masterclasses zu Themen wie künstliche Intelligenz. Los geht es am 9. November ab 9 Uhr. Tickets gibt es auf der Homepage des Hubs. 

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