Hellmann-Manager Sven Eisfeld: „Wir müssen bei jeder Vakanz hart arbeiten“
Die Logistikbranche sucht händeringend nach Mitarbeitern. Mit welchem Ansatz sein Unternehmen punkten will, erklärt Sven Eisfeld, Deutschland-Chef Hellmann Worldwide Logistics, im DVZ-Interview.
DVZ: Der jüngste Jahresabschluss hat es gezeigt: Die Geschäfte bei Hellmann Worldwide Logistics laufen prächtig. Doch die Frage ist, wie lange sich das in Deutschland auf Dauer auch personell darstellen lässt. Wie ist da Ihre Einschätzung, Herr Eisfeld?
Sven Eisfeld: Fachkräfte für uns zu begeistern, ist eine tägliche Herausforderung. Das ist bei Hellmann genauso wie bei allen Marktbegleitern – keinem geht es anders. Es ist aber nicht so, dass uns die Fachkräfte weglaufen und in andere Branchen wechseln, wie man es im Tourismus oder der Gastronomie sieht. Aber die Aufgaben der Logistik sind komplexer und damit aufwendiger geworden: Die großen Räder, die hinter den globalen Lieferketten ineinandergegriffen haben, laufen nicht mehr simultan. Dementsprechend haben unsere Mitarbeiter sehr viel mehr zu tun, um die einzelnen Aufträge zur Zufriedenheit des Kunden abzuwickeln. Das ist anstrengend und dafür brauchen wir mehr Fachkräfte – doch die suchen mittlerweile alle.
Immer mehr Mitarbeiter gehen in Rente oder stehen kurz davor – und der Arbeitsmarkt bietet immer weniger interessierte und qualifizierte Menschen für die Logistik. Müssen Sie damit rechnen, dass Sie bereits in absehbarer Zeit Aufträge infolge von Personalmangel ablehnen müssen?
An diesem Punkt sind wir in der Logistikwirtschaft bereits. Wir müssen genau überlegen, was wir – bei unserem qualitativen Anspruch – darstellen können. Ich glaube aber, dass die Logistik gut punkten könnte, weil sie noch so viel Attraktivitätspotenzial bietet und vor allem zukunftssicher ist. All diese Vorteile müssen wir viel offensiver in den Vordergrund stellen und sichtbar machen.
Was heißt das konkret?
Für mich ist es die oberste Aufgabe, Menschen für unser Unternehmen zu begeistern – und das erwarte ich auch von meinem Führungsteam. Es geht nicht nur darum, die Fachaufgabe zu erfüllen, sondern es ist mindestens genauso wichtig, die richtigen Menschen für das Unternehmen zu finden, langfristig zu halten und weiterzuentwickeln. Außerdem müssen wir die Kolleginnen und Kollegen, die bereits an Bord sind, motivieren und dabei immer wieder Impulse setzten, damit sie sich nicht dazu entscheiden, ihre Weiterentwicklungschancen woanders zu suchen. Wir müssen dafür sorgen, dass sich die Menschen bei uns wohlfühlen.
Der Fachkräftemangel ist in Europa und besonders in Deutschland über alle Branchen immer stärker zu spüren. In welchen Bereichen fällt es Hellmann Deutschland besonders schwer, offene Positionen zu besetzen?
Wir müssen inzwischen bei jeder einzelnen Vakanz hart arbeiten, das reicht von geringer bezahlten Stellen bis hin zu Spitzenpositionen. Vor 15 Jahren hat man in erster Linie von den Berufskraftfahrern gesprochen, heute ist jeder Seefrachtmitarbeiter extrem umworben – einfach, weil der Aufwand so gestiegen ist. Aber natürlich geht es auch um IT-Spezialisten oder Fachleute für Personalentwicklung. Dabei geht es nicht allein darum, eine Stelle zu besetzen oder einen Titel zu vergeben; wir wollen die Person finden, die zu uns und der Aufgabe wirklich passt.
Mit diesem Ansatz stehen Sie nicht alleine da, es herrscht ein Wettbewerb, bei dem Logistikunternehmen auch mal ein Pfund in die Waagschale werfen müssen. Welches Pfund wäre das bei Hellmann?
Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt – denn als Dienstleister hängt unser Erfolg von unseren Mitarbeitern ab. Gleichzeitig haben wir als nachhaltiges Unternehmen aber natürlich auch den Anspruch, ein fairer und sozialer Arbeitgeber zu sein. Das heißt, wir begleiten unsere Kollegen in allen Lebensphasen und fördern deren Weiterentwicklung. Damit sind wir auf dem richtigen Weg – das zeigt unsere in der Regel sehr lange Betriebszugehörigkeit. Doch wir müssen Tag für Tag daran arbeiten, dass das so bleibt – und manchmal müssen wir auch ganz neue Wege gehen.
Nennen Sie uns bitte ein konkretes Beispiel.
Wir haben in diesem Jahr eine individuelle Mobilitätszulage für unsere Mitarbeitenden eingeführt, um ein Stück weit die gestiegenen Fahrtkosten abzufedern. Damit sind wir in der Branche meines Wissens derzeit alleine unterwegs. Das ist nur ein kleines Element und vielleicht nicht ausschlaggebend, dass Mitarbeiter auf jeden Fall bei uns bleiben. Aber es ist ein Zeichen dafür, dass wir nicht nur auf die Wirtschaftlichkeit achten, sondern auch auf die Menschen.
Was bieten Sie außer dem monetären Goodie?
Perspektiven! Man muss dafür sorgen, dass sich die Menschen weiterentwickeln können und das tun wir zum Beispiel mit unserer Academy. Dabei geht es natürlich auch darum, zu erkennen, welche Talente die Menschen haben und sie dann gezielt und aktiv bei deren Ausbau zu unterstützen. Hellmann ist dabei von der Größe her in einer spannenden Position. Wir sind als Familienunternehmen global aufgestellt und bieten die komplette Produktvielfalt der Logistik an. Da kann man sich sehr weit diversifizieren, weiterentwickeln und auch neue Impulse geben. Auf der anderen Seite sind wir nicht so groß und anonym wie mancher Konzern. Wir haben eine sehr flache Hierarchie und eine offene Kommunikationskultur – das ist etwas, was man so nicht überall in anderen Logistikunternehmen findet. Bei uns ist auch der Vorstandsvorsitzende nah und vor allem ansprechbar.Diese Kombination ist attraktiv. Hinzu kommt, dass wir sehr viel in die Ausbildung investieren. Jedes Jahr starten bei uns in Deutschland viele neue Auszubildende – allein in diesem Jahr sind es 190 – und es ist uns wichtig, diesen die bestmöglichen Bedingungen zu bieten.
Ist das deutsche Ausbildungssystem in Ihren Augen denn noch zeitgerecht? Wo müsste dringend etwas geändert werden und ist das eine Aufgabe der Politik oder der Wirtschaft?
Den größten Hebel sehe ich bei der Wirtschaft selbst. Das heißt: Die Ausbildungsbetriebe müssen sich selbst einbringen, wir müssen die Ausbildung stetig weiterentwickeln, entlang der aktuellen Bedürfnisse unserer Zielgruppen. Wenn ich an meine Ausbildung zurückdenke, muss ich sagen, dass sich in all den Jahren zu wenig verändert hat.
Welche Möglichkeiten sehen Sie denn, um die Ausbildung in der Logistik attraktiver zu gestalten?
Viele. Ein modernes und digitales Arbeitsumfeld oder Auslandsaufenthalte wie das Erasmus-Programm sind nur zwei Beispiele, die wir bieten können. Aktuell sind viele unserer Auszubildenden in Europa unterwegs und in den verschiedenen Landesorganisationen tätig. Was richtig gut ist: Wir unterscheiden nicht nach Ausbildungsweg. Das heißt, die gewerblichen Auszubildenden haben dieselben Chancen wie die kaufmännischen – das signalisiert auch, dass der gewerbliche Weg nicht zu minderwertigen Jobs führt. Ganz im Gegenteil, die sind genauso wichtig!
Als internationales Unternehmen beschäftigt Hellmann in den verschiedenen Landesorganisationen natürlich auch einheimische Fachkräfte. Wäre es für Sie eine gute und praktikable Idee, diese Menschen nach Deutschland einzuladen?
Das tun wir bereits aktiv. Das heißt, wir fördern einen aktiven Austausch von Kollegen innerhalb unserer Organisation. Natürlich tun sich Führungskräfte schwer damit, gute und qualifizierte Menschen, mit denen sie langfristig planen, gehen zu lassen. Aber in meinen Augen zeichnen sich eben solche Führungskräfte besonders aus, die den Weitblick haben und erkennen, dass die betreffenden Mitarbeitenden von solchen Einsätzen besser zurückkommen und dass das der eigenen Organisation Vorteile bringt. Natürlich müssen auch wir als deutsche Landesgesellschaft daran arbeiten, so attraktiv und sexy zu sein, dass alle sagen, sie müssten unbedingt mal in Deutschland gearbeitet haben. Nichts lieber als das, dann hätte ich nur Probleme mit meinen Kollegen, denen ich Leute abwerbe ...
Der Austausch innerhalb eines Unternehmens wirkt doch positiv. Die persönliche Verzahnung der Beschäftigten dürfte eine wichtige Rolle für den Zusammenhalt spielen.
Ja und es ist auch sehr wichtig für die Qualität unserer Dienstleistungen. Denn, wenn sich die Menschen kennen – Logistik ist ja ein People-Business –, dann lösen sie die Probleme für unsere Kunden einfacher. Es gibt weniger zwischenmenschliche Störungen, wenn man sich schon mal gesehen hat oder weiß, wie sein Gegenüber tickt. Darauf kann man eingehen und Dissonanzen umschiffen. Natürlich gibt es auch die Schattenseiten der Auslandsaufenthalte. In manchen Unternehmen funktioniert das Entsenden gut, aber die große Frage ist, ob man als Ex-Pat wieder zurückkommen kann. Diese Sicherheit aber wollen Mitarbeiter gerne haben. Bei uns klopfen ab und zu Interessenten an, die im Ausland gewesen sind, aber in der Zwischenzeit den Anschluss in ihrem Unternehmen verloren haben. Für uns ist das gut, aber wir müssen auf der anderen Seite natürlich auch aufpassen, dass uns das nicht passiert.
Es kommt natürlich auch vor, dass sich Fachkräfte außerhalb des Unternehmens beweisen wollen. Früher gab es die Redensart ‚Reisende soll man nicht aufhalten‘. Hat die noch ihre Gültigkeit? Oder sollte man noch mal ins Gespräch gehen?
Ich steige mit jedem ins Gespräch ein, der sagt, er sieht seine Zukunft nicht mehr bei Hellmann. Was mich dann interessiert, sind die Beweggründe. Es gibt Beweggründe, da kommt man tatsächlich zu der Erkenntnis ‚Reisende soll man nicht aufhalten‘, weil man das, was sich der- oder diejenige wünscht in dem Augenblick nicht bieten kann. Auf der anderen Seite gibt es auch den Wunsch, sich vertikal weiterzuentwickeln. Menschen wollen die nächste Verantwortungsstufe erreichen, und auch dann kann es sein, dass die passende Stelle nicht verfügbar ist.
Wie war das denn bei Ihnen selbst?
Meine persönlichen Entwicklungsstufen waren davon geprägt, dass ich Spaß in meinen Rollen hatte und darüber auch die notwendige Geduld, auf den richtigen Moment, die richtige Chance zu warten. Mein Wechsel zu Hellmann lag vor allem darin begründet, dass das Unternehmen mir die Möglichkeit gegeben hat, mit dem Team eigene Fußstapfen zu hinterlassen. Und mit dieser Erfahrung im Hinterkopf gehe ich in die Gespräche, wenn sich jemand entscheidet, das Unternehmen verlassen zu wollen. Wenn ich sehe, dass wir das bieten können, was die Kollegin oder der Kollege sich wünscht, dann scheue ich mich auch nicht davor, darüber offen zu sprechen und gegebenenfalls ein Angebot zu machen. Dafür ist es nie zu spät. Grundsätzlich bin ich aber der Meinung, dass wir als Führungskräfte schon vorher gefordert sind und alles daransetzen sollten, qualifizierten Mitarbeitenden frühzeitig Wege aufzuzeigen.
Künftige jüngere Mitarbeitende erwarten nicht nur eine adäquate Entlohnung, sondern wünschen sich auch oft, dass ihr Tun einen Sinn hat und wertgeschätzt wird. Wie kann ein Logistikunternehmen diese Ziele am besten unter einen Hut bringen?
Da zählen zwei Komponenten: Das eine ist das, was wir tatsächlich tun, also Waren von A nach B zu bringen und logistische Ketten zu knüpfen. Da gilt es, transparent zu machen, wie wichtig die Aufgabe ist und welche Rolle die Menschen dabei spielen. Nicht umsonst sehen wir in unseren Mitarbeitenden ‚Logistikhelden‘. Das bringt Wertschätzung zum Ausdruck – doch ehrlicherweise muss man auch sagen, da gibt es in der Branche noch Luft nach oben. Auf der anderen Seite geht es darum, die Logistik so gut wie möglich in Richtung Nachhaltigkeit zu entwickeln. Das ist spannend und die junge Generation lässt sich dafür auf jeden Fall begeistern.