Pro und Kontra zu HVO100

Das Bundeskabinett hat den Weg für den Ökosprit frei gemacht: Mit Inkrafttreten der neuen Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes darf der Pflanzenkraftstoff an den Tankstellen verkauft werden. Doch was bedeutet das für die Unternehmen des Straßengüterverkehrs? Die Meinungen in der DVZ-Redaktion sind gespalten.

HVO100 vom finnischen Hersteller Neste kommt mit der neuen Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes auch in Deutschland an die Tankstellen. (Foto: IMAGO / Pond5 Images)

PRO

Tobias Loew, Redakteur für Straßengüterverkehr und Spedition

Endlich kann der Straßengüterverkehr einen schnellen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Mit der Freigabe von HVO100 bekommen Fahrzeugbetreiber ab April die Gelegenheit, ihre Ökobilanz zu verbessern, ohne nennenswert investieren zu müssen.

Denn alle gängigen Diesel-Lkw können ohne technische Veränderungen direkt mit dem Kraftstoff aus aufbereitetem Pflanzenfett weiterfahren. Dabei reduziert sich der CO₂-Ausstoß sofort um bis zu 90 Prozent. Gleichzeitig sinken auch die Feinstaubbelastung sowie die Kohlenmonoxid- und Stickoxidemissionen. Der alternative Kraftstoff schont mit seiner sauberen Verbrennung zudem die Motoren. Dabei ist er selbst ein Recyclingprodukt, verwendet anders als Biodiesel keine lebensmittelgeeigneten Rohstoffe.

Auch in Sachen Infrastruktur ist HVO100 anspruchslos: Die ökologische Alternative fließt wie Diesel aus den vorhandenen Zapfsäulen; die gesamte Transportkette funktioniert wie gewohnt.

Zugegeben: Aktuell liegen die Kosten für den Ökosprit noch rund 15 bis 30 Cent pro Liter über dem Dieselpreis. Doch schon zum 1. Januar steigt die CO₂-Steuer auf Diesel von 30 Euro je Tonne CO₂ auf 40 Euro, der Kraftstoffpreis wird dadurch um etwa 3 Cent je Liter teurer. Der Preisabstand schrumpft also.

Angesichts so geringer Mehrkosten kann sich der Pflanzenkraftstoff also zur echten Alternative entwickeln. Es liegt nun an den Verladern, ihr ökologisches Gewissen durch nachhaltigere Transporte zu beweisen. Die Verbraucher werden genau hinschauen, wer den Preisaufschlag für den Klimaschutz in Kauf nimmt und wer nicht.

Eine schnelle, allerdings sehr oberflächliche Hochrechnung zeigt das enorme Potenzial der ökologischen Alternative: Rund 10 Prozent des Dieselverbrauchs in Deutschland könnten durch die derzeit produzierte Menge an HVO100 ersetzt werden; der Recyclingkraftstoff verringert den CO₂-Ausstoß der Lkw um rund 90 Prozent. Damit würden die CO₂-Emissionen des Straßengüterverkehrs ohne weiteres um 9 Prozent sinken. Ein Ziel, das die Transportwirtschaft anpeilen sollte.

KONTRA

Sven Bennühr, stellvertretender Leiter der News-Redaktion des Newsletters DVZ – DER TAG, Redakteur für Straßengüterverkehr und Technik

Es stimmt: Wer seine Diesel-Lkw mit HVO100 betankt, senkt den CO₂-Ausstoß entlang der gesamten Kette enorm. Dennoch ist der wirtschaftliche Effekt des abfallbasierten Kraftstoffs für Transporteure nur begrenzt. Dabei spielen einige Aspekte eine Rolle:

So ist HVO100 derzeit um 15 bis 30 Cent pro Liter teurer als Diesel. Da aber nur die CO₂-Abgabe von 40 Euro pro Tonne auf den Kraftstoff entfällt, die CO₂-Maut aber weiterhin gezahlt werden muss, verringert sich die Differenz nur um knapp 3 Cent pro Liter.

Ob sich die Preise weiter annähern werden, wenn die Produktionsmengen von HVO steigen, ist noch nicht gesagt. So reichen die heute in Europa produzierten Mengen an HVO100 bei weitem nicht aus, um die potenzielle Nachfrage seitens der Fuhrunternehmen zu befriedigen. Und selbst wenn sich die Mengen verdoppeln oder verdreifachen, wäre wahrscheinlich nicht genug Treibstoff für alle da. Hier dürfte das Gesetz von Angebot und Nachfrage wirken. Somit wird der HVO-Preis vorerst nicht unter den Dieselpreis fallen.

In diesem Fall müssten die Fuhrunternehmer aber die Mehrkosten für den Bio-Kraftstoff an die Verlader weiterreichen. Andernfalls ginge das zulasten der ohnehin nicht gerade üppigen Margen. Doch selbst, wenn die Auftraggeber Überzeugungstäter sind oder bestimmte Nachhaltigkeitsziele unbedingt erreichen wollen, bleibt ein Problem: Sie werden höchstwahrscheinlich die Mehrkosten für den Bio-Kraftstoff – ähnlich wie bei der CO₂-Maut – nur für die Last- und nicht für die Leerkilometer übernehmen.

Eine echte Lösung für die Herausforderungen der Transporteure kann HVO100 unter den gegenwärtigen schwierigen Rahmenbedingungen kaum sein. Der Umstieg spielt lediglich der Politik in die Hände: Der Kraftstoff verringert zwar unter dem Strich die CO₂-Emissionen der Lastzüge um rund 90 Prozent, aber die Fuhrunternehmen müssen nicht aus den zurzeit klammen Kassen unterstützt werden.

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